Thema: DIE LINKE als Partei der sozialen NetzeNeuer Beitrag
Von: Parenthèse Das Volk 12.03.2013 17:15 Uhr
Und auch hier ein abgerissener Gesprächsfaden.

Muss mir mal anschauen, inwiefern der Geist dieser Erklärung eigentlich Eingang findet in die aktuelle Programmdebatte. Bisher hat sich meines Wissens die EmaLi noch nicht zum vorliegenden Entwurf des Wahlprogramms geäußert.
Von: Wiolant (Bimbiss) Das Volk 26.11.2012 13:46 Uhr
Tja, ich finde es nett aber nicht konsequent. Für mich klingt da so, als habe man keine Antworten oder drücke sich bewusst um sie herum.

Zitat:
die Gleichheit und freie Wahl der Lebensentwürfe der Menschen, ohne Rassismus und ohne Bevorteilung oder Bevormundung ihrer individuellen Lebensweisen ermöglicht

Das ist ein Gemeinplatz, den jeder unterschreiben kann, aber es bleibt offen, wo die Grenze ist. Sicher gibt es eine Grenze auf juristischer Ebene, auf der zurecht auch Lebensentwürfe ausgeschlossen werden, wenn sie dem einzelnen schaden. Aber gibt es auch eine moralische Grenze? Darf sich jemand in die sinnbildliche Hängematte der Gesellschaft legen und dieses als Lebensentwurf präsentieren?
Deutlicher wird es, wenn man weiterliest:
Zitat:
Inwieweit Teilhabe am Erwerbsarbeitsmarkt die Ansprüche auf soziale Sicherheit und Teilhabe an den Strukturen der sozialen Daseinsvorsorge sichern soll, gibt es in der LINKEN graduell verschiedene Ansichten.

Genau die Frage stellt sich nämlich, ob es eine Pflicht zur produktiven Teilhabe gibt. Im folgenden fällt die Antwort nur sehr spärlich aus. Da wird beschrieben, wie sich die Bedinungen ändern müssen für diejenigen, die produktiv teilhaben (und diese Veränderungen sind durchaus sehr richtig) - aber es wird kein Wort gesagt, ob Teilhabe im Arbeitsprozess (egal welcher Art) die Bedingung für Teilhabe im sozialen Netz ist. Diese Antwort bleibt schuldig.
Von: Parenthèse (bracket) Das Volk 25.11.2012 23:34 Uhr
Das ist hier fast etwas untergegangen, ich war mir zeitweise nicht sicher, ob das Forum der richtige Ort ist, das Papier ernsthaft und ausgewogen zu diskutieren. Aber ich geb dem jetzt mal eine Chane.

Die Überschrift gefällt mir, obgleich es auch m.E. missverständlich oder zu enge Assoziationen hervorrufen kann. Das Soziale Netz wird ja in der klassischen Sozialdemokratie oder bei anderen Verfechtern der sozialen Marktwirtschaft als Sicherheitsnetz verstanden, als Auffangvorrichtung für Menschen, die im Gesellschatssystem nicht zurecht kommen und besondere Unterstützung brauchen, als als eine Art Randabsicherung. Durch den Plural und durch klare Forderungen in dem Text sehe ich die positive Tendenz, Netze, Verknüpungen sich als die gesamte Gesellschaft durchwebende, flexible, selbstbestimmte soziale Handwekszeuge vorzustellen, die eben nicht zentralistisch, bevormundend aufgespannt sind, als Luxus, den sich eine Konkurrenzgesellschaft von oben herab leistet, sondern als Strukturen, die in den verschiedensten Lebens-und Bedürfnislagen für Menschen wichtig sind, um ganz individuelle Partizipation und Selbstermächtigung abzusichern.

Im Internetztzeitalter bekommen die Netzwerke zudem einen anderen, emanzipatorischen Klang, im Sinne des Selbermachens, vilefältigster Verbindungen und Assoziationen. Im Englischen mag dieses Bedeutung schon naheliegender sein. Deshalhalb hier auch meine leichte Skepsis, dass das Netz, als zu statisch aufgegriffen werden könnte.

Weiter unten wird im Text implizit Kritik an Gewekschaften und den bisher üblichen Institutionen der ArbeitnehmerInnenvertretungen geübt. Das sollte noch konkreter ausgearbeitet, benannt werden.
Von: Irre Das Volk 13.11.2012 00:32 Uhr
DIE LINKE als Partei der sozialen Netze.

Für mehr Demokratie, Freiheit und Teilhabe aller.


Anforderungen an das Wahlprogramm

Wenn auch nicht in der Breite der Bevölkerung Krisenstimmung gleichermaßen verbreitet ist, so steht außer Frage, dass Umverteilung, Gerechtigkeit und der demokratische Sozialstaat zentrale Motive im Wahlkampf und Wahlprogramm der LINKEN sein werden.

Dabei muss allerdings klar sein, über welchen Sozialstaat wir sprechen:

- einen Sozialstaat, der die Gleichheit und freie Wahl der Lebensentwürfe der Menschen, ohne Rassismus und ohne Bevorteilung oder Bevormundung ihrer individuellen Lebensweisen ermöglicht sowie eine geschlechtergerechte Umverteilung notwendiger Arbeiten befördert,
- einen Sozialstaat, der allen Menschen gleichen Zugang zu sozialer Sicherheit in allen Lebenslagen, Gesundheitsversorgung, Mobilität, Energie, Kommunikation, Kultur und Bildung sichert und zugleich ressourcenschonendes Leben und Arbeiten befördert.
- einen Sozialstaat, der allen die aktive Teilnahme an der politischen Gestaltung der Gesellschaft in allen ihren Bereichen ermöglicht.

Diese Zugänge und Ansprüche der Personen, die wir formulieren, sollen gleichsam als soziales Netz dienen. Sozialer Fortschritt, für den wir uns als LINKE einsetzen, soll so verstanden werden, dass Produktion und Produktivitätssteigerung allen zu gute kommt und ein soziales Netz zur Freiheit von Angst und zur Freiheit zur Teilhabe an den Entscheidungen über die Produktion und über gesellschaftliche Entwicklungen aufgespannt wird. Damit sind wir als LINKE die Partei der sozialen Netze und sollten auch so in den Wahlkampf ziehen.

Zu Verwirklichung dieser Zugänge und Ansprüche ist eine radikale Umverteilung notwendig. Unsere Idee der Umverteilung kennt kein Zurück zu Strukturen eines überkommenen Sozialstaats, der auf die ungleiche Wahlfreiheit der Lebensentwürfe von Männern und Frauen oder inzwischen überlebten Formen der gesellschaftlichen Produktion aufgebaut waren. Wir meinen, Umverteilung soll sowohl der Beförderung der individuellen Freiheit und individuellen Entwicklung als auch der Demokratisierung der ganzen Gesellschaft dienen. Inwieweit Teilhabe am Erwerbsarbeitsmarkt die Ansprüche auf soziale Sicherheit und Teilhabe an den Strukturen der sozialen Daseinsvorsorge sichern soll, gibt es in der LINKEN graduell verschiedene Ansichten. Wir meinen, dass die Erfahrungen der Gegenwart ernst genommen werden müssen. Dazu gehört die verbreitete Erfahrung, in Lohnarbeit tätig zu sein und trotzdem nicht genügend Einkommen für ein gutes Leben zu haben. Dazu gehört auch die Nicht-Erfahrung eines Normalarbeitsverhältnisses, wie man es noch in der Epoche des Fordismus kannte. Dazu gehört auch, dass die klassischen Organisationen der Interessenvertretung der Lohnabhängigen mit dem Rücken an der Wand stehen und in einigen Fällen sogar gegen die Interessen ihrer Mitglieder handeln oder simple Klientelpolitik betreiben – auch weil sie an überkommenen Vorstellungen festhalten – und von daher ein neues Verständnis von Politik, Arbeit und Sozialstaat zu entwickeln ist.

Aus diesen Erfahrungen und einer grundlegenden Kritik entfremdeter und entfremdender Lohnarbeit leiten wir universelle Ansprüche der gesellschaftlichen Teilhabe aller Menschen ab und erkennen die Notwendigkeit, neue Formen der gemeinsamen freien Produktion zu denken und zu etablieren, bei denen kollektive Eigentumsformen und progressive Entstaatlichung ebenso eine Rolle spielen wie grundlegende Demokratisierungsprozesse in der Ökonomie – einer Ökonomie, die die Mitwirkung der Menschen nicht unter existenzieller Not erzwingt.

Im Ausgang der fordistischen Wachstumsgesellschaft kann Leistung nicht mehr im Mitwirken am Schneller, Mehr und Billiger der Mehrwertproduktion gemessen werden – schon gar nicht im Mitwirken an ökologisch schädlicher und gemeinwohlgefährlicher Produktion. Wir LINKE dürfen mit unseren Konzepten des Sozialstaats nicht an solche Vorstellungen anschließen. „Leistung“ gehört zu den eindeutig positiv besetzten Begriffen, auch wenn er unter neoliberaler und keynesianischer Ideologie vielfältig pervertiert wurde: „Leistung“ als Synonym für das Talent der Ausbeutung von Menschen und natürlichen Ressourcen, als Maßeinheit für maximale Kapitalmehrung aber auch für die Bereitschaft, Arbeit als Wert an sich zu betrachten und seine Arbeitskraft zu entsprechenden Bedingungen zu verkaufen, kann nicht unserer Vorstellung des Leistungsbegriffs entsprechen.

Leistung, als gezielte Handlung zur Lösung einer notwendigen Aufgabe, wird in vielfältigster Form von allen Menschen immer wieder erbracht: Im Call-Center, im Schichtbetrieb, bei der prekären Projektarbeit, bei der Auseinandersetzung mit dem Arbeitsamt, bei der Kindererziehung, bei der täglichen Sorgearbeit, bei der politischen Arbeit, im m Ehrenamt, in der Bildung oder auch – wenn auch selten – auf die Art und Weise, wie es unsere Vorfahren taten: am Fließband im Blaumann hinter dem Werkstor.

Alles hatte und hat seine Zeit. Auf geänderte Zeiten müssen wir mit geänderten Fragen und Antworten reagieren: mit Konzepten der Zeitsouveränität, der kollektiven Produktion in anderen Eigentumsformen, beim sozial-ökologischen Umbau und der Demokratisierung der Gesellschaft: für ein Ideal des „schöner, demokratischer, nachhaltiger“. Neben den notwendig universellen Forderungen an einen Sozialstaat meinen wir, dass das Wahlprogramm besonders auch die Lagen einzelner Bevölkerungsgruppen berücksichtigen sollte, speziell derjenigen, die von Prekarisierung betroffen sind: Millionen Menschen, insgesamt ein Viertel der Erwerbstätigen, müssen in Deutschland – dem Land, mit dem größten Niedriglohnsektor Europas – von unmenschlichen Gehältern leben. Jeder Fünfte fühlt sich durch seine materiellen Verhältnisse von der Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ausgegrenzt. Neben Niedrig- und Garnichtverdienern gehören vor allem auch Studierende und jene, die im Wandel der Arbeitswelt als neue Selbstständigengruppen hinzugekommen sind, zu denjenigen, die einen besonderen Nutzen aus dem Ausbau des demokratischen Sozialstaatsziehen würden. Wir betonen aber ausdrücklich, dass der demokratische Sozialstaat für alle Menschen gesellschaftliche Teilhabe und individuelle Freiheit ermöglichen soll. Ein weiterer Schwerpunkt der notwendigen gesellschaftlichen Veränderungen liegt auf der durchdringenden Demokratisierung der Gesellschaft, der Ökonomie und des politischen Systems.: Transparenz bei der parlamentarischen Demokratie und dem Regierungshandeln, Mitbestimmung bei allen Fragen von der Bahn bis zur Krankenversicherung, grundlegende demokratische Entscheidungen über das Was und Wie gesellschaftlicher Produktion – dies alles ist durch eine Neugestaltung und Erweiterung der Entscheidungsmechanismen zu erreichen. Glaubwürdigkeit ist dem politischen System und allen Parteien verloren gegangen und hält weite Teile der Bevölkerung von der Wahl fern, die nach unterstellter Interessenlage links wählen könnten. Indem wir zeigen, dass wir auch die bestehenden parlamentarischen Politikformen auf ihre Demokratie- und Leistungsfähigkeit überprüfen, laden wir zum Nachdenken über andere organisierte Formen des Politischen ein.

Bundesmitgliederversammlung der Emanzipatorischen Linken, 10. November 2012

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