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Sei gegrüßt, Gast! Herzlich Willkommen auf der Seite der Initiative Emanzipatorische Linke (kurz: Ema.Li) bei dol2day.
Wenn Du etwas Zeit und Muße hast, dann beschäftige dich doch ein wenig mit den inhaltlichen Positionen in unseren Texten.
Verfügst du allerdings weder über das eine noch das andere, so sei dir vielleicht erst recht dazu geraten.
Denn eines unserer Hauptanliegen ist ein mittels Selbstermächtigung und Selbstbestimmung der sich frei assoziierenden Individuen zu verwirklichendes freies Leben in einer von Existenzängsten und Sachzwängen befreiten Gesellschaft, in der die individuelle Verfügungsgewalt über die eigene Zeit entgrenzt ist.
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– „(...) den besseren Zustand aber denken als den, in dem man ohne Angst verschieden sein kann.“ [Theodor W. Adorno, Minima Moralia]
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Über Ema.Li - Selbstverständnis |
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Die Emanzipatorische Linke (kurz: Ema.Li) organisiert sich als innerparteilicher Zusammenschluss in und bei der Partei DIE LINKE.
Unter Emanzipation verstehen wir einen Lern- und Aneignungsprozess hin zur selbst bestimmten Verfügung über den eigenen Körper, über das eigene Leben und über die individuellen sowie gemeinsamen Bedingungen des Lebens und der Produktion. Der Weg zu einer demokratisch-sozialistischen Gesellschaft kann dabei nur als stetiger Lern- und Aneignungsprozess funktionieren, in dem die Menschen immer weiter lernen, in Freiheit und Gleichheit ihre Geschicke selbst in die Hand zu nehmen.
Die Emanzipatorische Linke erkennt an, dass in der Programmatik der Partei linksemanzipatorische und radikaldemokratische Inhalte auszumachen sind. Es gibt aber leider zu wenig davon und immer wieder ist Druck von Nöten, um auf die innerparteilichen Kräfteverhältnisse im Sinne einer linksemanzipatorischen Politik Einfluss zu nehmen.
Deshalb lädt die Emanzipatorische Linke alle Genossinnen und Genossen, Strömungspoltikerinnen und Strömungspolitiker der etablierten Strömungen und auch Interessierte jenseits der Partei zur Mitarbeit ein. Die Emanzipatorische Linke versteht sich in diesem Sinne als innerparteiliche „Pressure Group“, die nicht zu allen politischen Fragen eine Position beziehen wird und es auch aushält, dass ihre Aktiven in einzelnen Politikfeldern nicht zu gemeinsamen Positionen kommen.
Die Emanzipatorische Linke macht Druck:
1. Für eine emanzipatorische Ausrichtung der Sozialpolitik der LINKEN, für soziale Standards auf europäischer und globaler Ebene und für globale soziale Rechte, für einen demokratischen Sozialstaat, der diesen Namen verdient und individuelle Rechtsansprüche auf sanktionsfreie Existenzsicherung vorsieht!
2. Für eine integrierte ökologische Ausrichtung der LINKEN, welche gleichzeitig mehr soziale Gleichheit und individuelle Freiheitsräume schafft!
3. Für ein konsequent feministisches Profil der LINKEN. Für eine Kritik der Geschlechterverhältnisse, die über „Gleichen Lohn für gleiche Arbeit“ hinausgeht. Für eine feministische politische Praxis, welche die innerparteiliche Männerdominanz zurückdrängt!
4. Für den konsequenten Schutz und Ausbau von Grund- und Freiheitsrechten auch im Internet, für informationelle Selbstbestimmung und eine umfassende Demokratisierung.
5. Für eine emanzipatorische Bündnispolitik im internationalen Maßstab, die sich mit solchen Bewegungen und Organisationen solidarisiert, welche sich für Emanzipation einsetzen!
6. Für ein solidarisches Bündnis aus Arbeiterbewegung und neuen sozialen Bewegungen. Themen und Sichtweisen der neuen sozialen Bewegungen müssen in der Politik der LINKEN einen größeren Raum einnehmen. Nur so können wir eine moderne Linke auf den Weg bringen!
7. Die emanzipatorische Linke setzt sich für eine politische Kultur der Offenheit und der argumentativen Auseinandersetzung ein! Weg mit den Scheuklappen.
8. Die Emanzipatorische Linke versteht sich auch als Schnittstelle zu außerparteilichen linken AkteurInnen. Dabei setzt sie auf Selbstorganisation der Betroffenen und auf die Stärkung deren Handlungsfähigkeit. Weg mit paternalistischer StellvertreterInnenpolitik!
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DIE LINKE als Partei der sozialen Netze. | November 2012 |
Für mehr Demokratie, Freiheit und Teilhabe aller.
Anforderungen an das Wahlprogramm
Wenn auch nicht in der Breite der Bevölkerung Krisenstimmung gleichermaßen verbreitet ist, so steht außer Frage, dass Umverteilung, Gerechtigkeit und der demokratische Sozialstaat zentrale Motive im Wahlkampf und Wahlprogramm der LINKEN sein werden.
Dabei muss allerdings klar sein, über welchen Sozialstaat wir sprechen:
- einen Sozialstaat, der die Gleichheit und freie Wahl der Lebensentwürfe der Menschen, ohne Rassismus und ohne Bevorteilung oder Bevormundung ihrer individuellen Lebensweisen ermöglicht sowie eine geschlechtergerechte Umverteilung notwendiger Arbeiten befördert,
- einen Sozialstaat, der allen Menschen gleichen Zugang zu sozialer Sicherheit in allen Lebenslagen, Gesundheitsversorgung, Mobilität, Energie, Kommunikation, Kultur und Bildung sichert und zugleich ressourcenschonendes Leben und Arbeiten befördert.
- einen Sozialstaat, der allen die aktive Teilnahme an der politischen Gestaltung der Gesellschaft in allen ihren Bereichen ermöglicht.
Diese Zugänge und Ansprüche der Personen, die wir formulieren, sollen gleichsam als soziales Netz dienen. Sozialer Fortschritt, für den wir uns als LINKE einsetzen, soll so verstanden werden, dass Produktion und Produktivitätssteigerung allen zu gute kommt und ein soziales Netz zur Freiheit von Angst und zur Freiheit zur Teilhabe an den Entscheidungen über die Produktion und über gesellschaftliche Entwicklungen aufgespannt wird. Damit sind wir als LINKE die Partei der sozialen Netze und sollten auch so in den Wahlkampf ziehen.
Zu Verwirklichung dieser Zugänge und Ansprüche ist eine radikale Umverteilung notwendig. Unsere Idee der Umverteilung kennt kein Zurück zu Strukturen eines überkommenen Sozialstaats, der auf die ungleiche Wahlfreiheit der Lebensentwürfe von Männern und Frauen oder inzwischen überlebten Formen der gesellschaftlichen Produktion aufgebaut waren. Wir meinen, Umverteilung soll sowohl der Beförderung der individuellen Freiheit und individuellen Entwicklung als auch der Demokratisierung der ganzen Gesellschaft dienen. Inwieweit Teilhabe am Erwerbsarbeitsmarkt die Ansprüche auf soziale Sicherheit und Teilhabe an den Strukturen der sozialen Daseinsvorsorge sichern soll, gibt es in der LINKEN graduell verschiedene Ansichten. Wir meinen, dass die Erfahrungen der Gegenwart ernst genommen werden müssen. Dazu gehört die verbreitete Erfahrung, in Lohnarbeit tätig zu sein und trotzdem nicht genügend Einkommen für ein gutes Leben zu haben. Dazu gehört auch die Nicht-Erfahrung eines Normalarbeitsverhältnisses, wie man es noch in der Epoche des Fordismus kannte. Dazu gehört auch, dass die klassischen Organisationen der Interessenvertretung der Lohnabhängigen mit dem Rücken an der Wand stehen und in einigen Fällen sogar gegen die Interessen ihrer Mitglieder handeln oder simple Klientelpolitik betreiben – auch weil sie an überkommenen Vorstellungen festhalten – und von daher ein neues Verständnis von Politik, Arbeit und Sozialstaat zu entwickeln ist.
Aus diesen Erfahrungen und einer grundlegenden Kritik entfremdeter und entfremdender Lohnarbeit leiten wir universelle Ansprüche der gesellschaftlichen Teilhabe aller Menschen ab und erkennen die Notwendigkeit, neue Formen der gemeinsamen freien Produktion zu denken und zu etablieren, bei denen kollektive Eigentumsformen und progressive Entstaatlichung ebenso eine Rolle spielen wie grundlegende Demokratisierungsprozesse in der Ökonomie – einer Ökonomie, die die Mitwirkung der Menschen nicht unter existenzieller Not erzwingt.
Im Ausgang der fordistischen Wachstumsgesellschaft kann Leistung nicht mehr im Mitwirken am Schneller, Mehr und Billiger der Mehrwertproduktion gemessen werden – schon gar nicht im Mitwirken an ökologisch schädlicher und gemeinwohlgefährlicher Produktion. Wir LINKE dürfen mit unseren Konzepten des Sozialstaats nicht an solche Vorstellungen anschließen. „Leistung“ gehört zu den eindeutig positiv besetzten Begriffen, auch wenn er unter neoliberaler und keynesianischer Ideologie vielfältig pervertiert wurde: „Leistung“ als Synonym für das Talent der Ausbeutung von Menschen und natürlichen Ressourcen, als Maßeinheit für maximale Kapitalmehrung aber auch für die Bereitschaft, Arbeit als Wert an sich zu betrachten und seine Arbeitskraft zu entsprechenden Bedingungen zu verkaufen, kann nicht unserer Vorstellung des Leistungsbegriffs entsprechen.
Leistung, als gezielte Handlung zur Lösung einer notwendigen Aufgabe, wird in vielfältigster Form von allen Menschen immer wieder erbracht: Im Call-Center, im Schichtbetrieb, bei der prekären Projektarbeit, bei der Auseinandersetzung mit dem Arbeitsamt, bei der Kindererziehung, bei der täglichen Sorgearbeit, bei der politischen Arbeit, im m Ehrenamt, in der Bildung oder auch – wenn auch selten – auf die Art und Weise, wie es unsere Vorfahren taten: am Fließband im Blaumann hinter dem Werkstor.
Alles hatte und hat seine Zeit. Auf geänderte Zeiten müssen wir mit geänderten Fragen und Antworten reagieren: mit Konzepten der Zeitsouveränität, der kollektiven Produktion in anderen Eigentumsformen, beim sozial-ökologischen Umbau und der Demokratisierung der Gesellschaft: für ein Ideal des „schöner, demokratischer, nachhaltiger“. Neben den notwendig universellen Forderungen an einen Sozialstaat meinen wir, dass das Wahlprogramm besonders auch die Lagen einzelner Bevölkerungsgruppen berücksichtigen sollte, speziell derjenigen, die von Prekarisierung betroffen sind: Millionen Menschen, insgesamt ein Viertel der Erwerbstätigen, müssen in Deutschland – dem Land, mit dem größten Niedriglohnsektor Europas – von unmenschlichen Gehältern leben. Jeder Fünfte fühlt sich durch seine materiellen Verhältnisse von der Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ausgegrenzt. Neben Niedrig- und Garnichtverdienern gehören vor allem auch Studierende und jene, die im Wandel der Arbeitswelt als neue Selbstständigengruppen hinzugekommen sind, zu denjenigen, die einen besonderen Nutzen aus dem Ausbau des demokratischen Sozialstaatsziehen würden. Wir betonen aber ausdrücklich, dass der demokratische Sozialstaat für alle Menschen gesellschaftliche Teilhabe und individuelle Freiheit ermöglichen soll. Ein weiterer Schwerpunkt der notwendigen gesellschaftlichen Veränderungen liegt auf der durchdringenden Demokratisierung der Gesellschaft, der Ökonomie und des politischen Systems.: Transparenz bei der parlamentarischen Demokratie und dem Regierungshandeln, Mitbestimmung bei allen Fragen von der Bahn bis zur Krankenversicherung, grundlegende demokratische Entscheidungen über das Was und Wie gesellschaftlicher Produktion – dies alles ist durch eine Neugestaltung und Erweiterung der Entscheidungsmechanismen zu erreichen. Glaubwürdigkeit ist dem politischen System und allen Parteien verloren gegangen und hält weite Teile der Bevölkerung von der Wahl fern, die nach unterstellter Interessenlage links wählen könnten. Indem wir zeigen, dass wir auch die bestehenden parlamentarischen Politikformen auf ihre Demokratie- und Leistungsfähigkeit überprüfen, laden wir zum Nachdenken über andere organisierte Formen des Politischen ein.
Bundesmitgliederversammlung der Emanzipatorischen Linken, Hannover, 10. November 2012
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Pluralistische Vielfalt statt monolithischer Einfalt! | Mai 2012 |
Mehr Freiheit und Gerechtigkeit mit der LINKEN.
Die Veränderung der Organisations-kultur der Linken ist nötig. Die Satzung der Linken hält einige mehr Möglichkeiten der Beteiligung als bei den meisten anderen Parteien bereit, auch wenn dies noch nicht ausreicht. Diese werden, wie die letzten Monate gezeigt haben, von machtpolitischen Blockierungen überlagert. Damit wird die glaubwürdige Beschäftigung mit gesellschaftlichen Problemen erschwert. Immer wieder wird in der Partei gefordert, dass der Einfluss der Strömungen abnehmen müsse. Wenn damit ein Zurückdrängen rein machtpolitisch motivierter Auseinandersetzungen gemeint ist, so wäre dies erfreulich. In der Vergangenheit hat die starke Zuspitzung auf diese eine lebendige Debattenkultur in der Partei behindert. Strömungen hingegen, die offene Debatten befördern und transparent machen, können ein Gewinn sein. Dies hieße auch inhaltliche Verkürzungen wie in der Vergangenheit zu überwinden. Selbstverständlich bringt eine Fokussierung vor allem auf Personalfragen eine Organisation ins Straucheln. Der Göttinger Parteitag muss also vor allem als Auftakt zu einer Nutzung aller Kräfte für verstärkte Präsenz in der Gesellschaft sein.
Wir setzen uns dafür ein, dass emanzipatorische Ansätze in unserer Partei sichtbarer und prägender werden. Freiheit und Gerechtigkeit sind die zentralen Ideen der gesellschaftlichen Auseinandersetzung: Obwohl in der LINKEN Inhalte und Konzepte auf den Feldern von bürgerschaftlichen Grund- und Freiheitsrechten, radikaldemokratischer Selbstorganisation, der Netzpolitik und einer zeitgemäßen Geschlechterpolitik vorliegen, hat sie darauf verzichtet, diese ins Zentrum ihrer Kommunikation zu stellen. Dem gewachsene Bedürfnis der Bevölkerung nach mehr direktem Einfluss muss auch in der Partei DIE LINKE strukturell und inhaltlich Rechnung getragen werden. Selbstbefähigung und Selbstermächtigung sind Kernelemente unserer Forderung nach mehr Demokratie, machen aber eben auch einer Parteistruktur wie der unseren mehr Arbeit. Wo wir bisher unseren eigenen Ansprüchen nicht gerecht geworden sind, müssen wir uns das eingestehen und Bereitschaft zur Selbstveränderung zeigen.
Es kommt darauf an, eine Vision für demokratische Teilhabe und Wohlstand für alle in einer ökologischen und freiheitlichen Gesellschaft im 21. Jahrhundert zu entwickeln, die die Ausgrenzungen von Geschlecht, Herkunft und Lebensweise überwindet. Dafür braucht es konkrete Programmatiken und Konzepte und die Nutzung aller Kräfte, die sich in der gesellschaftlichen Linken und der Partei Die Linke formieren. Die Milieus, die sich auf DIE LINKE beziehen, sind vielfältig; dies muss sich auch in der Kultur der Partei widerspiegeln.
In der Gerechtigkeitsfrage ist ein zentrales Element aus unserer Sicht die Zeitgerechtigkeit. Denn die Verfügungsgewalt über das eigene Leben misst sich an der Verfügung über die eigene Zeit. Die Gerechtigkeitsfrage wird zwar meistens an der Einkommenshöhe verhandelt, aber „Kämpfe um Zeit“ zu führen bedeutet eben auch, dass Einkommensgerechtigkeit nicht nur im Bereich der Lohn- und Erwerbsarbeitseinkommen zu diskutieren ist, sondern auch bei dem – selbst bei uns – stigmatisierten Bezug von „Transfer“einkommen. Die Unterstellung, nur Erwerbsarbeit wäre eine Leistung an der Gesellschaft, stimmt nicht. Tatsache ist, sowohl in der politischen Einmischung, der Reproduktionsarbeit, der Muße als auch in der Erwerbsarbeit findet individuelle wie kollektive Sinnstiftung statt. Bereits heute basiert der Zusammenhalt und Reichtum unserer Gesellschaft in einem viel größerem Maße auf unbezahlten Tätigkeiten als auf Erwerbsarbeit. Dies zu leugnen bedeutete, den Gerechtigkeitsgrundsatz zu verletzen.
Das inhaltliche Erscheinungsbild der LINKEN muss sich verbreitern, unter Nutzung aller schon in der Partei vorhandenen Ansätze und Kräfte. Dadurch können wir den Kerngehalt unseres Programms stärker in die gesellschaftliche Debatte tragen. Der Göttinger Parteitag kann hier einen Aufbruch markieren: Einseitige Richtungsentscheidungen, sowohl personell als auch inhaltlich, brächten uns dagegen ins Straucheln. Nur wenn wir alle unsere Kräfte nutzen, erreichen wir verstärkte Präsenz in der Gesellschaft. Die Emanzipatorische Linke sieht dabei ihre Aufgabe darin, Diskurse über die Perspektiven der Geschlechtergerechtigkeit, Arbeitskritik, Radikaldemokratie und Ökologie zu bündeln und in der Programmatik der LINKEN zu stärken. Dabei versuchen wir, den in der Partei oft nur als duldendes Nebeneinander verstandenen Pluralismus praktisch zu leben: dazu gehört unter anderem, Doppelmitgliedschaften mit anderen Strömungen als Bereicherung zu verstehen.
DIE LINKE hat eine „neue soziale Idee“ versprochen. Diese muss sie jetzt auch erarbeiten, in die Gesellschaft tragen und verkörpern. Es kommt darauf an, eine Vision für demokratische Teilhabe und Wohlstand für alle in einer ökologischen und freiheitlichen Gesellschaft im 21. Jahrhundert zu entwickeln, die die Ausgrenzungen von Geschlecht, Herkunft und Lebensweise überwindet. Dazu wird DIE LINKE gebraucht: für die Herstellung von Freiheit und Gerechtigkeit in der Gesellschaft.
Bundesmitgliederversammlung der Emanzipatorischen Linken, Berlin, 5. Mai 2012
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Antisemitismus hat keinen Platz in einer emanzipatorischen Linken | Juni 2011 |
Erklärung des Ko-Kreises der Emanzipatorischen Linken Berlin
Seit die Frankfurter Rundschau über eine Studie des Gießener Sozialwissenschaftlers Samuel Salzborn und Sebastian Voigt von der Universität Leipzig über Antisemitismus in der Partei DIE LINKE berichtete, ist sowohl innerparteilich als auch außerhalb ein heftiger Streit darüber entbrannt, wie viel Wahrheitsgehalt und vor allem wissenschaftliche Seriosität der Studie zuzusprechen sei und wie damit umzugehen ist. Natürlich ist die Studie nicht als Diskussionsangebot an DIE LINKE intendiert und kann daher nicht wirklich Grundlage unserer Auseinandersetzung werden. Zumal sie bereits konzeptionell an mindestens zwei ungeeigneten Prämissen ausgerichtet ist.
Erstens ist anzumerken, dass Salzborn und Voigt mit dem Titel „Antisemiten als Koalitionspartner? Die Linkspartei zwischen antizionistischem Antisemitismus und dem Streben nach Regierungsfähigkeit“ die notwendige Debatte über Antisemitismus in der politischen Linken auf Fragen der so genannten „Politikfähigkeit“ ausrichten. Diese Perspektive ist nicht unbedeutend. Wir als Emanzipatorische Linke wollen jedoch mehr, nämlich eine allgemeine innerlinke Verständigung über Inhalte – und diese zunächst unabhängig von der von außen gestellten Machtfrage. Für uns ist diese Auseinandersetzung existenziell, und Antisemitismus, in seiner direkten aber auch in der so genannten strukturellen Form, ist auch auf Oppositionsbänken und in außerparlamentarischen Kämpfen nicht zu tolerieren.
Zweitens begeben sich die Autoren bereits zu Beginn der Studie in die Untiefen des Extremismusdiskurses. Fest steht unseres Erachtens, dass die Rede vom „Extremismus“ zuallererst eine politische Mitte konstruiert, und diese dann gegen davon abgeleitete Ränder abgrenzt und affirmiert. Untersuchungen, am bekanntesten wohl die Extremismus-der-Mitte-Studien der Friedrich-Ebert-Stiftung oder die Heitmeyer-Studien über die „Deutschen Zustände“, legen dementgegen nahe, dass antisemitische Ressentiments quer durch alle politischen Lager und sozialen Schichten Verbreitung finden, und nicht nur ein Problem der sog. „Extremist_innen“ sind. Das Ressentiment gegen die Juden in all seinen Ausprägungen kommt nicht zuletzt aus der Mitte der Gesellschaft und ist nach wie vor gefühlte Mehrheitsmeinung. Das entlastet uns als Linke kein bisschen, zeigt aber auf, dass dem Antisemitismus als „negative Leitidee der Moderne“ (S. Salzborn), also als Epochenphänomen, nicht durch anti-linke Politik beizukommen ist.
Aber, bei aller Polemik, die Studie weist uns auf Unterlassungssünden bei der selbstkritischen Aufarbeitung des Antisemitismus von links hin. Und statt sie vorschnell als bloßen Angriff auf DIE LINKE als Ganzes abzuwehren, müssen wir unsere eigenen Traditionslinien kritisch betrachten.
Eine besondere Rolle in linken Welterklärungen, sowohl in ihrer Geschichte als auch in ihrer Gegenwart, spielt die Vereinfachung der Welt in imperialistische Aggressoren hier und unterdrückte Völker da. Emanzipation reduziert sich sodann auf Befreiung von „Fremdherrschaft“. Der linke Internationalismus fing sich schon früh den Nationalismus ein, und nach und nach kam der Linken auch ihr emanzipatorisches Substrat abhanden.
Die gesamte deutsche Linke steht in der Kontinuität der deutschen Geschichte, ist durch die Logik des Kalten Krieges geprägt und hatte nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion und der meisten Volksrepubliken sowohl mit den historischen Erblasten als auch mit den Schwierigkeiten einer epochalen Neuorientierung zu kämpfen. Im Ergebnis sind Freund-Feind-Schemata, autoritäres Verhalten und apodiktische Ansagen zu beobachten, die einen emanzipatorischen Diskurs im Keim ersticken. Diesen brauchen wir jedoch, wenn wir uns über die selbsterrichteten Gedankenblockaden hinwegsetzen wollen.
Grundidee der politischen Linken ist nach wie vor die Überzeugung von der prinzipiellen Gleichwertigkeit der Menschen, unabhängig von Hautfarbe, Geschlecht, Religion oder sonstigen Zuschreibungen an das Individuum. Alle Formen von Herrschaft und Ausbeutung werden zugunsten einer möglichen freien Assoziation der Menschen kritisiert und politisch bekämpft. Hier verbietet die Wirklichkeit zwar falsche Unmittelbarkeit und Purismus, aber der gebotene Pragmatismus darf nicht die prinzipiellen Bedingungen linker Gesellschaftskritik konterkarieren. Diesen Anspruch formulieren wir ausdrücklich universell über alle sozialen und kulturellen Partikularinteressen hinaus.
Eine linke Organisation kann daher keinen Platz haben für Menschen, die zwischen Fahnen der Hisbollah aufmarschieren, oder die versuchen, mit Interviews in offen antisemitischislamistischen Zeitungen und widerlichen Flugblättern Wahlkampfmunition in bestimmten migrantischen Kreisen zu gewinnen. Wir dürfen uns auch keine „Israelkritik“ erlauben, welche das Existenzrecht Israels als „läppische“ Frage abtut (so Hermann Dierkes von der Duisburger LINKEN). Wir dürfen uns auch nicht „in einer Grauzone der Palästinasolidarität, die zum Antisemitismus anschlussfähig ist” (so Peter Ullrich in der taz) bewegen, indem wir offen antisemitische Flugblätter auf unsere Homepages stellen oder zu antisemitischen Organisationen verlinken. Und Vergleiche, Bündnisse und Solidaritätsaktionen, die keinerlei emanzipatorischen Kriterien standhalten, stehen uns ebenso wenig an.
Keinesfalls dürfen wir also die derzeitige Diskussion als nebensächlich relativieren, uns selbstgerecht in die Opferrolle zurückziehen und die derzeitige „schlechte Presse“ als substanzlose Kampagne unserer politischen Gegner_innen abtun, als böten wir selbst keinerlei Anlass dazu.
Hier zeigt sich auch die populäre Trennung in „ostdeutsche Reformer_innen“ und „westdeutsche Antikapitalist_innen“ als unbrauchbar. So, wie viele Kritiker_innen aus ostdeutschen Landesverbänden einen Westhintergrund haben, befinden sich auch nicht wenige hartgesottene Antizionist_innen (mit und ohne Westhintergrund) in diesen Verbänden.
Die alte PDS und deren historischer Bezugspunkt DDR waren nie immun gegen nationalpatriotische und aus dem Fundus des Kalten Krieges stammende Feindbilder. An einschlägige Debatten werden sich viele Genoss_innen erinnern. Auch das historische Fehlen eines antiautoritären Bruchs hat hier andere Probleme erzeugt, deren Aufarbeitung noch nicht vollendet ist.
Der Fehler der Verharmlosung antisemitischer Tendenzen wurde geschichtlich immer wieder begangen. Die SPD, genauso wie DIE LINKE keineswegs eine antisemitische Partei, nannte den Antisemitismus dereinst den "Sozialismus der dummen Kerls", sollte heißen, dass er zwar mit der Gegnerschaft zum Finanzkapital eine gewisse Kapitalismuskritik in sich trug, diese aber durch die kleinbürgerliche Haltung des Antisemitismus gebremst wurde. Vor allem aber hieß das, dass sich der Antisemitismus mit dem Untergang des Kapitalismus von selbst erledigen würde, maximal also ein kleines Ärgernis, über das man auch mal hinwegsehen kann. Wie patriarchale oder rassistische Ideologien auch, wurde hier der Antisemitismus zum „Nebenwiderspruch“. Einer der wenigen prominenten Parteivertreter, der vor solchen Haltungen warnte und auf die Bedeutung des Kampfes gegen den Antisemitismus hinwies, war Eduard Bernstein. Der Verlauf der Geschichte gab ihm schließlich Recht.
Dieser Fehler darf nicht noch einmal begangen werden. Selbst wenn die Studie von Salzborn und Voigt also wissenschaftlich fragwürdig ist, selbst wenn Spiegel und Springer dies für eine Kampagne nutzen und selbst wenn die Konkurrenz im Bundestag damit Parteipolitik macht: eine Auseinandersetzung mit Antisemitismus, Antizionismus und dem Umgang mit Nahostdiskursen ist zwingend notwendig. Dazu begrüßen wir auch klare Worte.
Zweifelsfrei ist DIE LINKE eine Sammlungspartei, die gerade herausfindet, wo ihr Konsens liegt – eines steht jedoch fest: Für Antisemitismus und andere Ideologien, die die Ungleichwertigkeit von Menschen zum Grundsatz haben, ist in der Linken (und der LINKEN) kein Platz. Genauso wenig Platz ist für Sympathien mit offen antisemitischen Organisationen, etwa der Hisbollah. Es ist auch kein Platz für Geschichtslosigkeit. Wer sich über 70 Jahre nach dem Boykott jüdischer Geschäfte in Deutschland wieder vor einen Supermarkt stellt und mit Sandwichplakaten die Menschen vom Kauf von Carmel-Wein und Jaffa-Orangen abhalten möchte, hat zu wenig verstanden, um Teil einer emanzipatorischen Bewegung zu sein.
Für die gegenwärtige Debatte gilt: strafen wir nicht die Bot_innen für die Botschaft. Erklärungen darüber, dass wir keine Antisemit_innen sind, sind noch keine Auseinandersetzung. Sich mit den Vorwürfen im Einzelnen und substanziell zu beschäftigen, sollte für uns selbstverständlich sein. Eine Aufarbeitung der eigenen Ideengeschichte und Praxis nach dem Zusammenbruch der bipolaren Weltordnung nach 1989 erfordert für eine emanzipatorische Linke kritische Revisionen und nicht zuletzt die vornehmste Form der Ideologiekritik: die Anwendung des Ideologieverdachts auf sich selbst. Nicht zur Selbstzerfleischung, sondern für eine Emanzipation der Linken.
Wenn wir jetzt den Fehler machen, am Thema vorbei Strömungskonflikte und innerparteiliche Machtränke auszutragen, landen wir am Ende wieder nur bei uns selbst und versäumen die Chance, hier prinzipielle Klärung zu erreichen. Deshalb stellen wir uns als Ko-Kreis der Ema.Li Berlin der aktuellen Strategie selbst ernannter „Parteilinker“ entgegen, Kritiker_innen des Antizionismus als „Rechte“ und „Agent_innen“ eines neoliberalen und pro-imperialistischen Anpassungskurses der LINKEN zu denunzieren und dabei ohne einen Funken Bereitschaft zur Selbsthinterfragung das fortzusetzen, was uns diese Krise eingebrockt hat: Verschwörungstheorien über ein angebliches Tabu, Aspekte der israelischen Politik zu kritisieren, und offene Nähe zu politischen Kräften, welche die Existenz Israels infrage stellen. Wenn Teile der politischen Rechten heutzutage Solidarität mit Israel wieder dazu missbrauchen, antikommunistische und antiislamische Politik zu machen, dürfen wir darauf nicht mit antiimperialistischem und antiisraelischem Trotz reagieren.
Statt nationalen Bedürfnissen und kontextlos gewordenen Ideologien aufzusitzen, brauchen wir als LINKE eine eigenständige befreite Position, um als emanzipatorische Kraft in Erscheinung zu treten. In diesem Sinne schließen wir uns dem Fazit von Katja Kippings Überlegungen für einen linken Zugang zum Nahostkonflikt an, jenseits von Antizionismus und „antideutschen“ Zuspitzungen: „Israel verdient unsere kritische Solidarität. Sein Existenzrecht ist unanfechtbar. Es darf nicht Projektionsfläche für real empfundene aber nicht hinterfragte Widersprüche innerhalb des globalen Kapitalismus werden. Der Antizionismus ist spätestens seit den 50er Jahren in den Kontext des Kalten Krieges zu stellen und für aktuelle Politikansätze zu verwerfen. Mit nationalen, so genannten antiimperialistischen Befreiungsbewegungen, die sich Methoden des Terrors bedienen, kann es kein Bündnis und keine Solidarität geben“ (http://www.katja-kipping.de/article/452.jenseits-von-antizionismusund-antideutschen-zuspitzungen.html).
Koordinierungkreis der Emanzipatorischen Linken in Berlin
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Anders leben, anders arbeiten, anders kämpfen | April 2010 |
Für eine emanzipatorische Linke
I. Wenn es nicht ginge, wären wir nicht unglücklich
1. [Potenziale] Wir leben in einer Welt, in der vieles im Argen liegt – und die gleichzeitig voll neuer, aufregender Möglichkeiten ist. Technologische Entwicklung, Bewegungserfahrungen, kritisches Wissen, vergangene soziale und demokratische Kämpfe und eine wachsende Vielfalt an Lebensweisen und Selbstverständnissen sind die Grundlage für eine globale Gesellschaft, in der nicht nur Not und Elend abgeschafft sein könnten, sondern auch die Individuen in geschichtlich ungekannter Weise ihr Leben und ihre Entwicklung frei gestalten, sich auf Beziehungen ohne Hierarchien einlassen, ihre soziale und gesellschaftliche Arbeit gemeinsam und selbstbestimmt organisieren könnten. All dies ist möglich, aber nicht verwirklicht. Diesen Widerspruch erleben wir als Getriebensein - Unglück, Langeweile, Frustration, Wut, Ohnmacht und Angst. Wir sind gezwungen, unser Leben in einer Weise zu organisieren, die uns unfrei und abhängig macht und zu den Strukturen beiträgt, die uns von den Möglichen eines besseren Lebens fernhalten. Aus dieser Entfremdung kommen wir nur heraus, indem wir uns organisieren.
2. [Gegenkräfte] Eine freie und solidarische Entfaltung unserer individuellen und gesellschaftlichen Potenziale wird durch Gegenkräfte und Herrschaftsinteressen verhindert. Die produktiven Ressourcen und der gesellschaftliche Reichtum sind uns durch die kapitalistische Privatisierung der Produktionsmittel, Lebens- und Produktionsbedingungen entzogen und richten sich gegen uns. Die meiste Arbeit, die sich auf das Leben und seine Reproduktion bezieht (Sorgearbeit), wird außerhalb der Erwerbsarbeit verrichtet. Sie wird marginalisiert, ideologisch verklärt und der gesellschaftlichen Kritik und Verhandlung entzogen. Diese Marginalisierung durchzieht auch die Politik, in der als „weich“ herabgestufte Themen am besten gleich alle im Bereich „Familie, Senioren, Jugend, Soziales und Frauen“ eingeschlossen und damit ausgegrenzt werden. Diese Teilung, wie auch die Teilung in „Öffentliches“ und „Privates“ durchzieht alle politischen Diskurse – auch die der Linken. Sie ist der Kern der patriarchalen Gesellschaftsordnung, der Ausgangspunkt für Ungleichheiten und Hierarchien. Die sozialen Ressourcen werden unterdrückt durch die herrschende Politik, die mit Ausschluss und Repression gegen Aneignung und Selbstgestaltung vorgeht. Ausbeutung, repressive Normsetzung und gegenseitige Instrumentalisierung bestimmen unser Leben in Alltag und Sozialräumen. Hierarchisch-konservative Strukturen, Leitwolf- und Chefgehabe, patriarchale Sozialblindheit blockieren die Formen der kollektiven Organisierung. Dabei wirken benennbare Gegner, wie die internationalen und nationalen Organisationen des Kapitals, zusammen mit Widerständen, die sowohl gesellschaftlich wie an uns selbst überwunden werden müssen: Komplizenschaft, Unterwerfung, Verinnerlichung von Herrschaftsverhältnissen, Konkurrenz, Unwissen, Feigheit.
Regierungssozialistische Projekte, die sich auf staatliche Reorganisation als Motor gesellschaftlicher Veränderung fokussierten, scheiterten vor 1989 an innerer Zentralisierung, mangelnder Achtung vor den Selbstorganisationrechten einer jeden Einzelnen und der Unfähigkeit zur Innovation. Wenn das Ziel die Ermöglichung eines Selbstbefreiungsprozesses aller Einzelnen ist, muss staatliche Macht in der Tendenz abgebaut werden. Auch heute kann sich linke Politik also nicht in Regierungshandeln erschöpfen, dennoch muss ein veränderter Zugang zu Entfaltungschancen auch in verantwortlichen Entscheidungen umgesetzt werden. Opposition und Regierung stellen keine unterschiedlichen Anforderungen an Politik.
3. [mission statement] Als demokratische SozialistInnen, die für Demokratie und Freiheit stehen, treten wir dafür ein, diese Gegenkräfte zu überwinden und diese Herrschaftsverhältnisse abzuschaffen. Freiheit ist ohne Sozialismus nicht wirklich, Sozialismus ohne Freiheit auch nicht. Als emanzipatorische Linke treten wir dafür ein, dass wir in unseren Zielen, in unser sozialen und politischen Praxis und in unseren Organisationen nicht hinter das zurückfallen, was von fortschrittlichen Bewegungen als möglich erkannt ist und in widerständigen Alltagspraxen bereits gelebt wird. Wir sind keine Konservativen. In unseren Forderungen und in unserem Handeln wollen wir nicht zurück, sondern die demokratischen und sozialistischen Möglichkeiten realisieren, die in der Zeit angelegt sind. Wir wollen die Gleichzeitigkeit in den Blick nehmen: Sorgearbeit, gesellschaftliche Arbeit, Erwerbsarbeit, Kultur, Bildung und demokratische Teilhabe. Jede Politik wirkt sich zugleich in jedem dieser Lebensbereiche aus. Emanzipatorische Politik muss daher alle Lebensbereiche gleichzeitig behandeln, andernfalls wäre sie beschränkt. So bleibt etwa die Kritik flexibler Arbeitsstrukturen oberflächlich ohne die Frage, welche Auswirkungen unberechenbare Arbeitszeiten und Arbeitsorte auf soziale, familiäre und partnerschaftliche Beziehungen haben und welche Verhaltensmuster wieder aufleben, wenn es darum geht, wer in solchen Situationen die notwendige Sorgearbeit übernimmt.
4. [Emanzipation] Unter Emanzipation verstehen wir einen Aneignungsprozess hin zur selbst bestimmten Verfügung über den eigenen Körper, über das eigene Leben und über die individuellen sowie gemeinsamen Bedingungen des Lebens und der Produktion. Emanzipation meint mehr individuelle Freiheit und ein Mehr an freier, somit auch wirklicher solidarischer Bindung im Gemeinwesen und im Privaten. Der Weg zu einer sozialistisch-demokratischen Gesellschaft kann dabei nur als stetiger Lern- und Aneignungsprozess funktionieren, in dem die Menschen immer weiter lernen, ihre Geschicke selbst in die Hand zu nehmen. Die Hoffnung auf einen großen Kladderadatsch dagegen – gerade auch in der aktuellen „Jahrhundertkrise des Kapitalismus“ – kann sich schnell als trügerisch herausstellen, öffnet sie doch genauso Tür und Tor zu Regression und Rückfall hinter bereits Erreichtes.
5. [Subjektiver Faktor] Die Agenda der Befreiung lässt sich weder ausschließlich Büchern entnehmen (auch nicht aus blauen) noch weist jede blinde Praxis, sei sie auch oppositioneller Natur, in eine emanzipatorische Richtung. Sie entsteht als lebendige Produktion in den sozialen Kämpfen und Emanzipationsbewegungen. Sie wird produziert von sozialen Bewegungen, Gewerkschaften, den widerständigen Praxen des Feminismus und einer „anderen Arbeiterbewegung“, globalisierungskritischen, normierungskritischen und anti-autoritären Bewegungen, antirassistischen und antikolonialen Kämpfen, der sozialen Bewegung der Migration, den vielfältigen Formen der kulturellen und individuellen Befreiung. Demokratischer Sozialismus ist daher ein offener Sozialismus, der selbst angeeignet und geformt werden muss von der Vielfalt der Menschen und der Vielfalt der Kämpfe. Eine sozialistische Partei ist für uns einer von vielen Akteuren der Befreiung, aber ein wichtiger, weil er die Vielzahl der Gegenbewegungen mit dem gemeinsamen Ziel einer Überwindung des Kapitalismus verbindet und weil er an der Schnittstelle von gesellschaftlicher Organisierung und institutioneller Gegenmacht arbeitet.
II. Das Leben ändert sich – wir ändern das Leben
6. [Globalisierung/Individualisierung] Die gesellschaftliche und produktive Entwicklung verbindet Menschen weltweit in einer neuen Form als Individuen miteinander – funktional, entfremdet und konkurrenzhaft, aber auch kulturell und sozial. Mit und gegen die neoliberale Globalisierung und Formierung von oben entwickelt sich eine Globalisierung und Aneignung von unten. Alte Milieus brechen auf, die Gesellschaft fragmentiert sich, Lebensentwürfe werden vielfältiger. Die produktive und gesellschaftliche Tätigkeit der Individuen wird unabhängiger von den vorgegebenen Vermittlungsformen. Menschen kämpfen darum, ihre Familie, ihre Arbeit, ihren Lebensraum, ihre sozialen Organisationsformen selbst zu wählen und zu bestimmen.
Immer noch wird Lebensweisen ein mehr oder weniger an Wert und gesellschaftlicher Akzeptanz zugemessen. Die Normierung von Lebensweisen, wie sie für den Fordismus charakteristisch war, ist ein ganzes Stück weit zurück gedrängt worden zugunsten neuer individueller Freiheiten, die wir nicht mehr einbüßen wollen. Gleichwohl bedeutet dies nicht ein Ende der Normierung von Lebensweisen, sondern eher eine Verlagerung. Ein gelingendes Leben wird heute häufiger an marktwirtschaftlichen Kriterien gemessen, weswegen die gewonnenen Freiheiten für viele mit einer Zunahme an Macht- und Orientierungslosigkeit sowie Überforderung und Ungewissheit einhergehen.
7. [Entgrenzung] Soziale Brüche und die zunehmende Prekarisierung von Arbeits- und Lebensverhältnissen forcieren das in der kapitalistischen Logik angelegte Prinzip der Konkurrenz und damit Ausgrenzung und Abwertung von Menschen: Menschen, die die Klammer der erfundenen abstammungsdefinierten nationalen Identität nicht fasst, Menschen, die die zwanghafte Verwertungsmühle verlassen (müssen). Ganz im Sinne des neoliberalen Zeitgeistes werden Ursachen für Unsicherheit subjektiviert. Als „Faulenzer“, „Schmarotzer“ und „Abzocker“ diffamierte Menschen werden zum gezielten Objekt gesellschaftlicher Repression und Kontrolle. Geht der Ausschluss aus dem Kollektiv für die einen erst mit dem sozialen Ausschluss einher, sind Nicht-(Abstammungs-)-Deutsche von vornherein außen vor. Nur die Verwertbarkeit macht sie zu Mitgliedern des nationalen Kollektivs deutscher oder europäischer Identität. Der gesellschaftliche Emanzipationsprozess, den wir mit vorantreiben, reißt materielle wie immaterielle Grenzen ein. Das Staatsbürgerschaftsrecht gehört vom Kopf auf die Füße gestellt – Menschenwürde kennt keine Demarkationslinien. Die Diskussion über das Mittelmeer als Massengrab macht die faktische Ungleichheit der Gültigkeit der Menschenrechte deutlich.
8. [Neue soziale Idee] Das Soziale ist immer weniger selbstverständlich, das ist die negative Seite der Individualisierung. Die Wiederherstellung von Traditionsgemeinschaften ist nicht möglich und nicht wünschenswert. Die Chancen der Individualisierung in einen Zustand freier und glücklicher Zusammenschlüsse der Menschen zu überführen ist die Aufgabe, die geleistet und ermöglicht werden muss. Einstmals „natürliche“ Autoritäten wie Staat, Kirche und Familie sind längst nicht mehr unangefochten. Dies bietet Chancen für eine emanzipatorischere Gesellschaft. Aber auch autoritäre Sozialstrukturen werden modernisiert. Der Sexismus breitet sich in biologistischem Gewand wieder aus. „Die Gleichberechtigung“ ist als Appell in der Sprache und im Selbstverständnis vieler (heterosexueller) Paare verankert, aber eben nur dort, nicht in den Taten. Ein sog. „neuer Feminismus“ fordert den Aufstieg der weiblichen Mittelschicht und lässt die Grundübel unangetastet. Um uns selbst und die Gesellschaft zu verändern, müssen wir Freiräume erkämpfen. Soziale Sicherheit, öffentliche Unterstützung durch soziale Infrastruktur sowie der Schutz vor Diskriminierung, Unterdrückung, Repression und Gewalt sind nötig, um die individuellen und kollektiven Emanzipationsprozesse zu erleichtern. Die Gleichstellung unterschiedlicher Lebensentwürfe und Lebensweisen muss aktiv durch politische, juristische und materielle Absicherung realisiert werden. Ein demokratischer Sozialstaat muss jeden normierenden Charakter verlieren und verschiedene Lebensentwürfe gleichermaßen ermöglichen. Das bedeutet zudem, sich von einem Verständnis von Sozialleistungen als Mildtätigkeit zu verabschieden und diese als notwendige Bedingung für die Ermöglichung tatsächlicher Demokratie anzuerkennen. Die Vielfalt unterschiedlicher Normalitätsräume, die von den Individuen selbst geschaffen werden, muss anerkannt werden, ebenso wie die Freiheit der Individuen abgesichert werden muss, diese Normalitätsräume zu wechseln, zu verlassen und zu verändern.
9. [Grundeinkommen] Die Bindung der sozialen Existenzsicherung und der sozialen Rechte an die klassische Vorstellung einer männlichen Erwerbsbiografie ist obsolet geworden. Dem Stand der gesellschaftlichen Entwicklung entsprechend fordern wir eine konsequente Individualisierung sozialer Rechte. Für viele von uns ist das Bedingungslose Grundeinkommen eine systemüberwindende Perspektive, um allen ein existenz- und teilhabesicherndes Einkommen zu verschaffen. Die Globalisierung des Lebens und der Produktion muss ihre Absicherung in offenen Grenzen und globalen sozialen Rechten finden.
10. [Bildung als Ausdruck von Emanzipation] Globalisierung, Individualisierung, Technisierung und interkulturelle Vielfalt verändern den Charakter von Bildung. Das Recht auf Bildung ist das Recht des Individuums, in dieser Welt handlungsfähig, entscheidungsfähig, kooperationsfähig und dialogfähig zu werden und bei diesem Lern- und Aneignungsprozess optimal unterstützt zu werden. Selbstreflexion und Selbststeuerung werden zu zentralen Elementen von Bildung. Kooperation und Dialog werden zu Verfahren, sich als soziales Wesen in der Vielfalt der Möglichkeiten zu bewegen. Davon muss auch das Bildungssystem bestimmt sein.
Das herrschende Bildungssystem baut überwiegend auf der reinen Vermittlung von Wissen und dem Antrainieren von Fähigkeiten auf, die hierarchisch definiert sind und aus dem kapitalistischen Verwertungsinteresse abgeleitet werden. Es ist daher im Kern undemokratisch und nicht in der Lage, das Individuum beim Erwerb der notwendigen Schlüsselqualifikationen zu unterstützen. Eine radikale Bildungsreform ist eine Grundvoraussetzung für eine emanzipatorische Gesellschaft.
11. [Widersprüchliche Veränderungen] Die Neuerfindung des Sozialen, die „neue soziale Idee“, erfordert tiefgehende soziale Reformen. Soziale Kämpfe und Emanzipationsbewegungen haben die Definitionsmacht aufgebrochen, wie Leben gestaltet zu sein hat. Die Individuen, die das in Anspruch nehmen, treffen dabei nach wie vor auf massiven Widerstand von Staat und Kapital oder bezahlen einen hohen persönlichen Preis. Formale Gleichstellung ohne Abschaffung der normativen Dominanz, formale Wahlfreiheit ohne materielle Absicherung und Vereinbarkeit schieben dem Individuum die Schuld für unerfüllte Ansprüche zu, lassen Befreiung und Teilhabe nur um den Preis von Selbstausbeutung, Überlastung und scheinbarem umfassenden persönlichen Ungenügen zu. Auch die Zielsetzung der „Vereinbarkeit von Beruf und Leben“ hebt das eigentliche Übel nicht auf, dass die Erwerbsarbeit die Hauptrolle spielt, Sorgearbeit und soziale Beziehungen dagegen bloß die Nebenrolle. Die neoliberale Integration von Forderungen und Potenzialen der Emanzipationsbewegungen hat diese in eine Krise geführt, aus der nur der gemeinsame Einsatz für eine demokratische und sozialistische Umgestaltung herausführt. Die Gesellschaft muss endlich materiell nachholen, was Bewegungen und Individuen vorgemacht haben.
12. [Aktuelle Finanz- und Wirtschaftskrise] In der aktuellen „Jahrhundertkrise des Kapitalismus“ kulminieren die Probleme des kapitalistischen Entwicklungsmodells. Gerade jetzt wäre es an der Zeit, Erwerbslose und untere Einkommen materiell massiv zu begünstigen und von Repressionen zu befreien. Gleichermaßen notwendig sind massive zusätzliche Investitionen in Bildung, Infrastruktur, Ökologie und öffentliche Beschäftigung. Statt Massenentlassungen ist eine deutliche Arbeitszeitverkürzung, wie sie lange überfällig ist, vonnöten. Solche Projekte, die gleichermaßen sozial, ökologisch und ökonomisch sinnvoll sind, sind zunächst über höhere Neuverschuldung zu finanzieren, während auf Dauer höhere Steuern auf hohe Einkommen, Gewinne und Vermögen nötig sind. Nur über eine höhere Staatsquote wird überhaupt die materielle Möglichkeit geschaffen (aber noch nicht garantiert), demokratisch zu bestimmen, was gesellschaftliche gewollt wird. Linke Politik muss sich gerade jetzt den Dogmen des ausgeglichenen Haushalts und der Geldwertstabilität mit antizyklischen Maßnahmen entgegensetzen.
III. Die Arbeit ändert sich – wir ändern die Arbeit
13. [„Vier in Einem“] Die Entwicklung der Produktivkräfte und die produktive Tätigkeit der Menschen haben zu einem tiefgreifenden Umbruch der Arbeit(en) geführt. Die physische Komponente der Arbeit, die zentrale Arbeitsorganisation und die klare Trennung der Sphären treten tendenziell zurück gegenüber den kognitiven und sozialen Komponenten der Arbeit, der Organisation in Netzwerken und Teams, der Selbstorganisation und persönlichen Initiative, der fließenden Übergänge zwischen Erwerbsarbeit, Sorgearbeit, gesellschaftlichem Engagement und Selbstbildung. Die herrschende Politik ist an diesem Punkt ausgesprochen widersprüchlich: Sie baut die Kinderbetreuung für qualifizierte „Erwerbsfrauen“ aus und kommerzialisiert die Sorgearbeit, sie preist das (billige) „Ehrenamt“ und fordert mehr politische Partizipation und nachbarschaftliche Verantwortung. Aber die herrschende Politik hält immer fest an der Dominanz der Erwerbsarbeit über die „Gratisarbeit“, der Höherwertung der nicht-sorgenden Arbeit über die Sorgearbeit, der kommerziellen Verwertbarkeit über die gesellschaftliche Nützlichkeit, der Hierarchie des Kommandos über die selbstorganisierte Kooperation. Auch dies ist ein wesentlicher Grund für die heutige Strukturkrise des Kapitalismus. Wir wollen dagegen die Gleichwertigkeit von Erwerbsarbeit, Sorgearbeit, gesellschaftlichem Engagement und Selbstbildung. Wir wollen, dass alle Menschen in gleicher Weise und mit einem gleichen Teil ihrer Lebenszeit an allen diesen Tätigkeiten teilhaben können („Vier in Einem“). Wir wollen eine radikale Verkürzung und Gleichverteilung der Erwerbsarbeitszeit. Wir wollen eine radikale Aufwertung der Sorgearbeit und ihre Umverteilung weg von den Frauen und hin zu den Männern.
14. [Urheberrecht] Die in den letzten Jahrzehnten verfügbar gewordenen Technologien, wie das Internet und die Verbreitung von Privatcomputern, lassen ungeahnte Fortschritte für die Demokratie und die kulturelle Teilhabe erhoffen. Die durch die Digitalisierung fortschreitende Entkopplung von Produkten von ihrem ursprünglichen Gegenstand beinhaltet die Möglichkeit, sie der herkömmlichen Verwertung zu entziehen. Damit wird ihr Warencharakter potentiell aufgehoben, weil sie mit minimalem Energieaufwand frei kopierbar sind. Der Computer ist damit als Vervielfältiger von Informationen die Vorstufe zu einem physischen Replikator. Darum liegt in den Freie-Software- und File Sharing-Bewegungen der Ansatz zum Umbruch in Bezug auf immateriellen Reichtum. Besonders in den letzten Jahren sind jedoch vermehrt Trends zu beobachten, durch Gesetz und Technologie die neu errungen Freiheiten, Teilhabemöglichkeiten und Kommunikationswege zu kontrollieren und einzuschränken. Die kapitalistischen Verwerter in der Kette werden weiterhin versuchen, die Verbreitungswege in ihre ökonomische Logik einzubeziehen. Dies trifft insbesondere für die File-Sharing-Bewegung zu, die Information aller Art "tauscht". Diese Trends muss die Linke umkehren und sich nachhaltig für einen Ausbau von Rechten und Teilhabemöglichkeiten im 21.Jahrhundert einsetzen. Das Internet muss frei bleiben! Die Freiheit der Nutzung und der Teilhabe am gesamten kollektiven Reichtum muss erkämpft werden, denn vom Wissen allein kann man nicht leben.
15. [Kollektiver Reichtum] Allen Menschen den allen Menschen gehörenden materiellen und immateriellen Reichtum zugänglich zu machen ist unser Ziel. Zum kollektiven materiellen Reichtum gehören die Natur und das gesamte vergegenständlichte Kultur- und Geisteserbe der Produktion vorangegangener Generationen. Zum kollektiven immateriellen Reichtum gehören Kultur- und Lebensweisen sowie Wissen und Informationen. Der Privatisierung des kollektiven Reichtums, also der Beraubung der Möglichkeiten öffentlicher Nutzung und Teilhabe an diesem Reichtum, muss Einhalt geboten werden. Der öffentliche Zugang kann über demokratisch legitimierte produktive Nutzung und durch die distributive Beteiligung aller an den Erfolgen der produktiven Nutzung des kollektiven Reichtums realisiert werden. Gesellschaftliche Produktion und Distribution müssen vor diesem Hintergrund völlig neu gesellschaftlich organisiert werden. Viele immaterielle Formen des Reichtums (Kultur, Wissen, Software) können heute – in Form von Information – ohne Arbeit vervielfältigt werden. Dies hat zur Folge, dass sich ihre Verbreitung schon jetzt zunehmend der Kontrolle des Kapitals entziehen und die künstlich hergestellte Knappheit in größeren gesellschaftlichen Reichtum umgewandelt werden kann. Die Freie-Software-Bewegung zeigt bereits Wege auf, durch freie Kollaboration nicht nur die Verteilung, sondern auch die ie Herstellung von Immaterialgütern zu revolutionieren und die Grenzen zwischen ProduzentInnen und KonsumentInnen aufzuheben. Ein wichtiger Teil des öffentlichen Lebens kann so der Kontrolle weniger Konzerne entrissen und eine breite Partizipation möglich werden. Dies gilt perspektivisch für den gesamten kollektiven Reichtum. Wir unterstützen alle Versuche, das Recht aller Menschen auf Zugang zum und die Teilhabe am gesellschaftlichen Reichtum zu erlangen!
16. [Öffentlichkeit und Freiheit] Immer mehr Begriffe, Erfindungen und oft sogar nur Entdeckungen (wie Gene) können in unserer Gesellschaft heute zu Privateigentum erklärt und so der öffentlichen Verfügung entzogen werden. Dem kapitalistischen Versprechen von größerem Fortschritt werden diese Regelungen nicht gerecht, wo sie Fortschritt ermöglichen, bleibt dieser einer Minderheit vorbehalten. Diesem System müssen wir eine am öffentlichen Wohl und gesamtgesellschaftlichen Fortschritt orientierte Forschung entgegensetzen. Die Weiterentwicklung und Anwendung von Wissen, insbesondere im Bereich der Medizin, darf nicht durch Profitinteressen behindert werden. Das Internet stellt das erste dezentrale Medium dar, es erlaubt seinen Nutzern nicht nur Informationen zu konsumieren, sondern auch zu publizieren. Die Ausmaße dieser Neuerung und ihre Bedeutung für moderne Demokratie können kaum unterschätzt werden. Zum ersten Mal in der Geschichte ist die Loslösung von zentralen profitorientierten oder staatstragenden Medien wirklich möglich, jeder Mensch bekommt Meinungs- und Pressefreiheit, die er auch tatsächlich ausüben kann. Es gilt darum, diese Infrastruktur gegen alle Versuche der staatlichen und industriellen Kontrolle zu verteidigen und für ein umfassendes Recht auf völlig uneingeschränkten, zensurfreien und bei Bedarf anonymen und verschlüsselten Zugang zu Kommunikationsystemen und –netzen zu kämpfen. Ebenso ist es aber nötig, die öffentlichen Räume und Infrastrukturen wieder von staatlicher Kontrolle, Nutzungsbeschränkung und Vermarktung zu befreien – weil Demokratie und Freiheit letztlich nur dort blühen, wo öffentliches und streitbares politisches Aushandeln direkt zwischen Menschen möglich ist.
17. [Kapital, Erwerbsarbeit und Sorgearbeit] Die Privatisierung der Produktionsmittel ist ein fatales Hemmnis der produktiven Entwicklung, ebenso wie das zentrale Kommando über die Arbeit und die bürgerliche Demokratie mit ihrer Ausblendung der Produktionsverhältnisse und ihrer Naturalisierung ökonomischer Prozesse. Wir erleben dies in der Irrationalität der gesellschaftlichen Entscheidung über die Produktionsentwicklung. Wir erleben es konkret dort, wo wir arbeiten oder versuchen, zu arbeiten. Der Widerspruch zwischen der Entwicklung der Produktivkräfte und der privaten Verfügung im Interesse der besitzenden Klasse wird ausgetragen auf dem Rücken derer, die die gesellschaftliche Arbeit tun. Sie werden frustriert und verbraucht, ohnmächtig gemacht und ausgebeutet, gespalten. Die einen leiden unter Arbeitsverdichtung, Arbeitszeitverlängerung, fehlender Lebenszeit, der Unmöglichkeit unter den autoritären Strukturen gute Arbeit zu leisten. Entweder verlieren sie enge soziale Bindungen gänzlich oder halten diese nur noch pro forma als Statussymbol „Familie“ aufrecht. Die Sorgearbeit in den „Formalfamilien“ konzentriert sich dann entweder auf die/den Partnerin/Partner oder kommt zu Lasten von Kindern gänzlich zu kurz. Die anderen wiederum leiden unter Erwerbslosigkeit, Armut, sozialer Diffamierung, der Unmöglichkeit ohne Ressourcenzugang produktiv zu gestalten - mit ebenso schweren Folgen für soziale Beziehungen und Kinder. Und immer mehr leiden unter beidem gleichzeitig.
18. [Einschließende Perspektive] Eine einschließende Perspektive zur Veränderung von Erwerbsarbeit und Sorgearbeit erfordert soziale, demokratische und sozialistische Antworten. Zu den sozialen Antworten gehört alles, was die Individuen davor schützt, persönlich für den Widerspruch zwischen Produktivitätsentwicklung und Kapitalinteressen zu bezahlen: Grundeinkommen, radikale Arbeitszeitverkürzung, Absicherung gegen persönliche Risiken, globale soziale und Arbeitsrechte, Recht auf Arbeit und Einkommen zu selbst gewählten Bedingungen und eine verlässliche öffentliche soziale Infrastruktur, die respektiert, dass die Arbeit in sozialer Nähe Zeit und Vertrauen benötigt. Zu den demokratischen Antworten gehört die Freiheit von Information und Zugang, open source, die Rekommunalisierung und Verstaatlichung von zentralen Ressourcen und Strukturen, das Primat der Politik über grundlegende ökonomische Entscheidungen. Zu den sozialistischen Antworten gehört, die Produktionsmittel in gemeinschaftliche Verfügung zu überführen und die Arbeit - also sowohl das was derzeit als „Erwerbsarbeit“ und das was als „Sorgearbeit“ bezeichnet wird - gleichberechtigt durch die, die sie erbringen und denen sie zu Gute kommt zu organisieren.
19. [Neoliberale Produktion] In der Geschichte des Kapitalismus musste jeder begrenzte sozialökologische Fortschritt der produktiven Entwicklung diesem von außen aufgezwungen werden – durch Gewerkschaften und betriebliche Gegenmacht, durch die Frauenbewegungen und andere soziale und politische Bewegungen, durch widerständige Praxis der Arbeitenden, durch gesellschaftliche Rahmensetzungen. Die Verschiebung der Kräfteverhältnisse zugunsten des Kapitals seit Mitte der 70er Jahre und verstärkt seit den 90er Jahren hat entsprechend zu einer extrem irrationalen Entwicklung der gesellschaftlichen Produktion geführt, in der Profite immer stärker auf Kosten der Beschäftigten - und dort zuerst auf Kosten weiblicher Beschäftigter -, der Bevölkerung, der produktiven Substanz, der Innovation und der natürlichen Lebensbedingungen erzielt wurden. Der Ausstieg aus der fossilistischen, ressourcenschweren, transport- und energieintensiven Produktionsweise wurde in unverantwortlicher Weise verzögert, ja diese in unerhörter Weise beschleunigt.
20. [Ökologie] Der Umstieg auf eine solare, ressourcenleichte, transport- und energiearme Produktionsweise steht unter hohem Zeitdruck, wenn Klimakatastrophe und ökologische Degradierung noch begrenzt werden sollen. Die ökologische Krise der Industriegesellschaft kann nicht nur technisch durch eine Produktion mit größerer Effizienz (Minimierung von Ressourcendurchsätzen) oder Konsistenz (naturverträgliche Kreisläufe, 100% erneuerbare Energien) gelöst werden. Verstaatlichung der Energie-, Transport-, Finanz- und Versorgungssysteme, gesellschaftliche Wirtschaftspläne und staatliche Beteiligung in Schlüsselindustrien, internationale Kooperation unter aktiver Beteiligung der globalen sozialen Bewegungen und der Sozialforen, radikale Mitbestimmung und weitgehende gesellschaftliche Eingriffe in die konkreten Produktionsentscheidungen sind nötig, um dieses Umsteuern zu beginnen. Die ebenso nötige Veränderung hin zu einer ressourcenleichten, genügsameren Lebensweise darf nicht den ärmeren Bevölkerungsteilen via Einpreisung von Umweltverbräuchen aufgezwungen werden und so soziale Ungleichheiten weiter vergrößern. Anstatt die Profite einer irrationalen Produktionsentwicklung zu sichern, muss der Reichtum enteignet werden, der mit dieser Entwicklung erzielt wurde, um die erheblichen Anstrengungen zu finanzieren, die für den Umstieg nötig sind. Wirtschaftswachstum ist kein Selbstzweck und darf nicht weiter als Scheinlösung genutzt werden, um die darunterliegenden Verteilungskonflikte zu entschärfen.
21. [Vergesellschaftung] Vergesellschaftung der Produktionsmittel bedeutet mehr und anderes als Verstaatlichung. Nicht nur die Zuweisung des Eigentums, auch sein Charakter muss geändert werden, durch gesellschaftliche Regelungen, die an Stelle des Verwertungsziels gesellschaftlich nützliche Ziele setzen. Die Erfahrung des Staatssozialismus zeigt, dass Staatseigentum und zentralistische Planung einen autoritär-konservativen Charakter des Eigentums erzeugen, der Verwertung und Entfremdung nicht aufhebt, sondern zugunsten der Interessen von Staatsklassen fortsetzt. Vergesellschaftung erfordert radikale Demokratisierung aller gesellschaftlichen Verhältnisse und die Aneignung der Produktionsentscheidungen durch die ProduzentInnen und durch die Bevölkerung. Der Umstieg in eine neue Produktionsweise erfordert daher auch die Stärkung und Bevorzugung aller Formen der solidarischen Ökonomie. Auch die Sorgearbeit und die „Gefühlsarbeit“ bedürfen der „Vergesellschaftung“. Derzeit ist ein großer Teil der Gesellschaft (in der Regel Männer) von ihr ausgeschlossen. Auf Grund ihrer Sozialisation sind sie systematisch von einem unverkrampften sozialen Umgang und der Übernahme zwischenmenschlicher Verantwortung entfremdet worden. Die Sorgearbeit wird in der Gesellschaft nach wie vor zuerst Frauen zugeschrieben. Vor allem unter dem Druck flexibilisierter Erwerbsarbeitsbedingungen wird sie häufig zur extremen Last. Sorgearbeit, Verantwortung und „Gefühlsarbeit“ müssen radikal umverteilt werden. Hierzu bedarf es aktiver, eingreifender politischer Maßnahmen. Ein Hoffen auf einen schleichenden gesellschaftlichen Wandel reicht nicht aus.
22. [Globale Dimension] Gesellschaftliche Reproduktion ist nicht national organisiert. Die globale Warenzirkulation, globale Handels- und Finanzbeziehungen, der internationale Forschungs-, Technologie- und auch Arbeitskräftetransfer ist lange schon Voraussetzung für globalen gesellschaftlichen Fortschritt. Diese globalisierten Prozesse tragen gleichsam eine kapitalistische Handschrift. Die Ausbeutung der natürlichen oder humanen Ressourcen des globalen Südens war und ist Grundlage der Prosperität des globalen Nordens, wobei dieses lange Zeit existente schematische Verhältnis längst verwirrt ist. Ausgebeutete sind längst zu Ausbeutern geworden, wachstumschauvinistisch drängen jene auf den Weltmarkt. In Europa überdeckt nationalistisches Standortgetöse die Realität der wirtschaftlichen Internationalisierung, insbesondere in krisenhaften Zeiten. Unser Veränderungswille beschränkt sich nicht auf den willkürlich konstruierten nationalen oder kontinentalen Bezugsraum. Theorie und Praxis emanzipatorischer Transformation sind in vielen Teilen dieser Welt in Gange. Selbstverwaltungs- und Selbstorganisations-Ansätze im betrieblichen Bereich in Lateinamerika oder die Erprobung von Modellen des Bedingungslosen Grundeinkommens im Bereich der Entwicklungshilfe in afrikanischen Ländern stehen modellhaft dafür, dass diese Transformation bereits begonnen hat.
IV. Das Kämpfen ändert sich – wir ändern das Kämpfen
23. [Politikverständnis] Linke Politik muss sich nicht nur in ihren Inhalten und Forderungen, sondern auch in ihrer Form unterscheiden von bürgerlicher Politik und traditionellen Organisierungsweisen. Sie kann sich nicht in staatlicher Institutionenpolitik erschöpfen und auf die Mobilisierung vorhandener gesellschaftlicher Mehrheitsmeinungen, sondern zielt auf eine Veränderung der Gesellschaft und auf die Schaffung einer progressiven Hegemonie, die auch bereit ist falsche und repressive Mehrheitsmeinungen herauszufordern. Ihre Aufgaben gehen weder in einem Wahlverein noch in einer Mobilisierungsagentur für politische Großereignisse auf, auch wenn sie um die Bedeutung elektoraler Prozesse und kollektiver Kampfaktionen weiß Sie spitzt zu auf die kollektive Entscheidungssituation in gesellschaftlichen Weichenstellungen, anstatt auf konsensorientierte Prozesse, die vorhandene Machtverhältnisse und Interessensübergewichte reproduzieren. Unabdingbar für ein linkes Politikverständnis ist die Anerkennung der Pluralität des politischen Gemeinwesens und die Achtung der individuellen und politischen Freiheit der Individuen des politischen Gemeinwesens, deren Grenze in der Freiheit der anderen liegt.
24. [Feministische Anforderungen] Sozialistische Politik muss eine gleichberechtigte Politik von Frauen und Männern sein. Davon sind wir noch weit entfernt. Unsere Politik ist geprägt von Ausschlussfaktoren, die Frauen ausgrenzen, weibliche Zugänge unterordnen und männliche Kontrolle über das gemeinsame Projekt absichern. Politikzugänge, die Männern besonders wichtig sind (abstrakte und scheinbar geschlechtslose Theorie, Selbstbehauptung und Selbstdarstellung, Revanche für erlittene narzisstische Kränkungen, rituelle Inszenierungen), werden bevorzugt. Politikzugänge, die für viele Frauen wichtig sind (persönliche Kommunikation, Empathie, unmittelbare Verbesserung des Lebens, gegenseitige Achtung) werden hintangestellt. Eine emanzipatorische Politik, die die vielen Grenzen (innerhalb) der bestehenden Ordnung überwinden will, muss diese Grenzen aber auch in ihrer eigenen Analyse und Praxis überwinden. Dazu gehört, nicht nur abstrakt über dominantes Redeverhalten zu diskutieren, sondern praktisch und solidarisch an den eigenen Verhaltensweisen zu arbeiten. Zur einer umfassend emanzipatorischen Perspektive gehört, nicht nur gegen die Trennung von öffentlicher und privater Sphäre zu agitieren, sondern die „privatisierten“ Themen aufzugreifen und nicht als Randthemen zu vertagen. Zur gegenseitigen Emanzipation gehört, sich von einem Sprachstil zu verabschieden, der sich als Code von Eingeweihten gefällt und auf „Distinktionsgewinn“ gerichtet ist gegenüber all jenen, die aus anderen Codes kommen.
25. [Internationalismus] Emanzipation ist nur in kollektiver Form zu denken, nur wenn alle Menschen frei sind, können sie als freie und gleiche Wesen einander gegenüber treten. Wir kämpfen mit allen Menschen auf der Welt, die versuchen die diversen Formen von Herrschaft, Ausbeutung und Unterdrückung zu überwinden. Dabei setzen wir uns für ein umfassendes Verständnis von Emanzipation ein und tragen dies in andere internationale Bewegungen. In Anerkennung der Unterschiedlichkeit in Ursprung, Geschichte und Entwicklung anderer Bewegungen machen wir eine vollständige Übereinstimmung in diesem Verständnis aber nicht zur Bedingung unserer Solidarität. Wir wehren uns gegen jede rechte Instrumentalisierung der Begriffe Emanzipation und Aufklärung.
26. [Kritik anti-emanzipatorischer Linkspolitik] Emanzipatorische Politik strebt die Eroberung von Institutionen und Machtpositionen an, um diese Positionen für die Demokratisierung von Entscheidungen zu öffnen und individuelle und kollektive Freiräume für eine selbstbestimmte Entwicklung und Kontrolle von Lebensumständen zu schaffen. Emanzipatorische Politik „übernimmt“ nicht den Staat, sie ändert seinen Charakter. Sie grenzt sich ab von einer etatistischen Politik, wo der Staat als Stellvertreter politischer Akteure die Gesellschaft in „richtiger“ Weise ordnen und die „richtigen“ Entscheidungen verordnen soll. Sie grenzt sich auch ab von Strategien, wo demokratische, sozialistische und emanzipatorische Ansprüche zurückgestellt bzw. aufgegeben werden zugunsten von Unmittelbarkeitszielen oder reiner Machtübernahme – so, wie dies in vielen Fällen nationaler Befreiung geschehen ist, wie es erlebt wurde bei der sozialdemokratischen Anpassung an die Machtstrukturen der bürgerlichen Gesellschaft, wie es in katastrophaler Weise geschehen ist durch viele leninistische Organisationen und kommunistische Parteien im 20.Jahrhundert
27. [Bewegungspolitik und Parteireform] Die Demokratisierung von Entscheidungen muss sich in der Art unserer Organisierung wiederfinden. Politische Formen, die Ausschluss produzieren, müssen überwunden werden. Autoritärer Strukturen und Haltungen, männerdominierte Politikstile, konservative Organisationsphilosophien (jeder kann mitmachen, aber wir wissen wo’s langgeht) erzeugen eine kurzsichtige „Effizienz“ des Immergleichen und verunmöglichen eine breite Organisierung. Wer sich organisiert, muss auch seine Organisationen gestalten können. Die verbreitete Kritik an Parteien und traditionellen Organisationsformen ist eine wichtige Ressource emanzipatorischer Politik und muss aufgegriffen werden durch Organisationsreformen, die lernen von den Erfahrungen jüngerer Bewegungsorganisationen. Die emanzipatorische Linke weiß darum, dass politische Parteien im politischen System Institutionen sind, in der Macht- und Personalfragen oft wichtiger als emanzipative Diskussionsprozesse sind. Nichtsdestotrotz bieten Parteien aber auch immer wieder die Möglichkeit, die Routinen im Sinne einer Mitgliederpartei zu öffnen. Eine emanzipatorische linke Politik ist sich der Grenzen und Potentiale linker Parteipolitik bewusst. Sie behält in Ihrer Politik den Blick fürs Machbare und bringt sich in DIE LINKE ein, um die Kräfteverhältnisse inhaltlich und personell zu Gunsten linksemanzipatorischer Politikansätze zu verändern.
28. [Kultur und Alltag] Gesellschaft wird verändert im Zusammenspiel vielfältiger Prozesse, von denen organisierte politische Einflussnahme nur ein Teil ist. Während Politik Meinungs- und Machtverhältnisse insgesamt abbildet, werden diese durch soziale Bewegungen, soziale Kämpfe, kulturelle Bewegungen und individualisierte Bewegungen (also massenhafte Verhaltensänderungen, veränderte Kooperation im Alltag, individuelle Handlungsweisen die erst als Gesamtbild Trends, Tendenzen, Bewegungen ergeben) real verändert. Linke Politik muss daher eingebettet sein in die Gesamtheit dieser Veränderungsprozesse, von ihnen lernen, an ihnen teilhaben, in ihnen agieren. Sie muss gezielt Räume fördern, in denen wir uns damit auseinandersetzen, wo unsere praktischen Lebensweisen, Selbst- und Weltbilder zu den Vorstellungen von einer anderen Welt passen und wo sie dazu im Widerspruch stehen - nicht im Sinne einer sozialen Instanz gegenüber der jede und jeder rechtfertigungspflichtig ist, sondern solidarisch und konstruktiv. Linke Politik muss auch eine Sensibilität entwickeln für die vielfältigen „Sprachen“, in denen Gesellschaft reflektiert und Veränderung gedacht wird. Gerade eine emanzipatorische Politik, die auf progressive Hegemonie orientiert, braucht daher einen aktiven Bezug zur Kultur des Alltags und zur populären „Massen“-Kultur.
29. [Bezugsräume] Für eine kosmopolitisch orientierte Linke endet der Veränderungsanspruch nicht an territorialen oder kulturellen Grenzen. Emanzipatorische Politik denkt über scheinbar naturalisierte Unterschiede und Grenzen hinaus und versucht diese einzureißen. Grenzüberschreitend arbeitende Basisbewegungen oder kleinteilige internationale Vernetzungen, die in internationalen Diskussions- und Protestveranstaltungen münden, bilden dafür die essentielle Grundlage. Wir gehen sehend, hörend und fragend voran und suchen Wissen und Berührung mit emanzipatorischen Ansätzen und Akteuren in allen Teilen dieser Welt. Für eine Emanzipatorische Linke kommt der schematische Blick, mit dem Arme und Ausgebeutete zu den grundsätzlich „Guten“, zu Hoffnungsträger für emanzipatorische Veränderungsprozesse werden, dabei nicht mehr in Frage. Ehemalige Hoffnungsträger linker Solidaritätsbewegungen in West und Ost sind längst zu Vorreitern von Ausbeutung und Unterdrückung geworden. Gleichzeitig bilden sich vielerorts neue Praxen von Widerstand, neue Zellen alternativer politischer und lebensweltlicher Praxis und solidarischen Wirtschaftens. Die Kämpfe der verschiedensten emanzipatorischen Akteure gegen einen globalen Machtblock parallelisieren sich. In den vorherrschenden krisenhaften Zeiten divergieren Interessen internationaler Finanz-, Wirtschafts- und Polit-Apparate immer mehr. Damit öffnen sich Fenster für soziale und demokratische Konzepte, für ein ganz Anderes. Linke Politik stellt sich der Herausforderung, die verschiedenen Theorie- und Praxisansätze zu vernetzen und Schnittmengen für die Vision einer (oder mehrerer) globaler, emanzipatorischer Utopien zu nutzen.
30. [Transparenz] Zu den ganz praktischen Voraussetzungen für eine emanzipatorische Politik gehört die Transparenz von Strukturen und Prozessen. Das gilt sowohl für die innerorganisatorischen Belange, als auch für zukünftige gesellschaftliche Verhältnisse. Dabei bedeutet für uns Transparenz nicht nur die Veröffentlichung und Öffentlichkeit von Strukturen und Prozessen, sondern auch ein möglichst niedrigschwelliger Zugang zu dieser Öffentlichkeit. Dabei sind für uns Formen und Wege, aber auch Sprache wichtig.
31. [Partizipation] Eine weitere praktische Voraussetzung sind für uns Beteiligungsprozesse, wiederum sowohl in innerorganisatorischen Belangen als auch in zukünftigen gesellschaftlichen Verhältnissen. Partizipationsprozesse müssen für uns Entscheidungs- und Umsetzungskompetenz beinhalten. Solche Prozesse sollen nicht der „Unterhaltung“ oder „Befriedung“ dienen, sondern müssen mit materiellen Ressourcen ausgestattete Gestaltungsspielräume öffnen und wirksamen Einfluss auf Zielbestimmungen vornehmen.
V. Für eine emanzipatorische Linke auch in der LINKEN
32. [Partei] Mit der Partei DIE LINKE ist ein politischer Akteur entstanden, der eine Leerstelle füllt, die seit der Rechtsentwicklung von SPD und Grünen ab 1998 unerträglich geworden ist. Das ist gut, aber reicht uns nicht. Unser Ziel ist eine linke Partei, die in einem historisch neuen Maß die demokratischen und sozialistischen Ansprüche von Bewegungen und Individuen erfüllt, indem sie anders Politik macht und eine Partei ist, die tatsächlich anders ist. Dazu gehört, dass Auffassungen, Anliegen und Praxisformen einer emanzipatorischen Linken in ihr einen breiten Raum einnehmen und eine Entwicklung der Partei vermieden wird, die sie in einen Gegensatz zu einem emanzipatorisch-linken Umfeld bringt.
33. [Strömungen] Wir halten es für gut und richtig, dass sich in einer linken Partei unterschiedliche Strömungen und festere Arbeitszusammenhänge etablieren, die ihren Teil zum Meinungs- und Willensbildungsprozess beitragen und in unterschiedlicher Weise Verbindungen zu sozialen Bewegungen, sozialen Gruppen, kulturellen Milieus und linken Traditionslinien in die Partei einbringen. Dies ist Teil unserer Überzeugung, dass wesentliche Ressourcen einer linken Partei außerhalb von ihr liegen und dass sie nur dann ihre Potentiale nutzen kann, wenn sie sich als Teil einer breiteren Veränderungsbewegung begreift.
34. [Strömungskritik] Unabhängig von inhaltlichen Überschneidungen und Gegensätzen kann aber das Agieren der Strömungen in der Partei derzeit nicht befriedigen. In der Realität agieren die Strömungen derzeit hauptsächlich machtpolitisch. Anstatt die programmatische Debatte zu befördern und die Partei zu öffnen, konzentrieren sie sich auf den machtpolitischen Kampf um Ressourcen der Partei. Diese Art von Strömungspolitik lehnen wir ab. Wir wollen einen Arbeitszusammenhang bilden, der andere Strömungen nicht abwertet oder ausgrenzt, der demokratisch organisiert ist, der eine hohe Transparenz von Entscheidungsstrukturen gewährleistet und der hauptsächlich auf die Kernfunktionen der inhaltlichen Debatte und der Zusammenarbeit mit Bewegungen und linkem Umfeld konzentriert ist. Wir wollen eine Partei, in der man nicht zu einer Strömung gehören muss, um Einfluss nehmen zu können. Wir wollen, dass Strömungen ihr eigenes Politikverständnis kritisch reflektieren und es an demokratischen, sozialistischen und emanzipatorischen Ansprüchen messen, weiterentwickeln und korrigieren.
35. [Stand der Parteientwicklung] Ungeachtet beachtlicher Erfolge ist die Situation der Partei kritisch. Sie stützt sich nach wie vor mehr auf die Schwäche der SPD als auf ihre eigene Stärke. Der Beweis, dass sie mehr und anderes ist als eine linkssozialdemokratische Partei, die eine derzeit nicht funktionsfähige SPD zeitweise ersetzt, ist noch nicht erbracht. Weder programmatisch, noch in ihrem Selbstverständnis geht die LINKE derzeit über das hinaus, was zu bestimmten Zeiten auch in der SPD politische Grundlage und Orientierung war. Die radikalen Anliegen der 68er-Bewegung, der Neuen Linken, der kritischen Opposition in den realsozialistischen Staaten und den kommunistischen Parteien finden sich nur ungenügend in der programmatischen Ausrichtung der Partei. Sie erreicht nicht einmal den Standard skandinavischer Linksparteien, die sich als feministisch-sozialistische Parteien verstehen. Ihre Organisierungsfähigkeit und ihre Fähigkeit, mit Bewegungen zu kooperieren und hegemonial in der Gesellschaft zu wirken, sind bislang kaum getestet und werden allzu oft dem Tagesgeschäft von Stimmenmaximierung, Selbstmarketing und Partizipation an machtpolitischen Ressourcen untergeordnet.
36. [Schnittstelle] Für unsere Ansätze brauchen wir PartnerInnen. Eine Emanzipatorische Linke innerhalb der Linken kann sich nur als Schnittstelle verstehen zu Diskussionsansätzen in der Gesellschaft, Betroffenengruppen und Aktiven, die sich mit Lebensverhältnissen und Themen beschäftigen, die von der Partei nicht erreicht und eingebunden werden können.
37. [Politik lebbar machen] Wir werden die Balance finden müssen, uns in diesen Parteiprozess einzumischen, ohne uns darin aufzureiben und die Kernfunktionen zu vernachlässigen, programmatisch und aktionsorientiert Teil einer emanzipatorischen Linken zu sein, für die eine linke Partei nur ein relevanter Akteur unter vielen ist. Wir werden auch die Balance finden müssen, ein neues Projekt zu beginnen, ohne uns dadurch zusätzlich zuzukoffern und zu jenem Lebensstil beizutragen, der parteipolitische Aktivität für viele so unattraktiv macht. Wir wollen das Risiko eines solchen Versuchs eingehen. Das möchten wir gemeinsam tun.
Beschlossen auf der Mitgliederversammlung der Emanzipatorischen Linken, 17. April 2010.
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Freiheit und Sozialismus - Let's make it real
| April 2006 |
Emanzipatorische Denkanstöße für die neue linke Partei
Es ist an der Zeit, unsere Vorstellungen für eine emanzipatorische Linke zu Papier zu bringen. Wir wollen uns damit einmischen in die Debatte um die Ausrichtung der neuen Linkspartei.
Dieser Parteineubildungsprozess findet statt vor dem Hintergrund konkreter sozialer Auseinandersetzungen, die von einer Wertediskussion auf ideologischem Feld begleitet werden. Dazu gehört, dass unter Reformen mit verschiedenen Namen in den letzten Jahren Sozialabbau, Lohndumping, Privatisierung öffentlichen Eigentums und Umverteilung von unten nach oben forciert wurden. Dazu gehört auch, dass mit dem Ruf nach vermeintlicher Freiheit und Eigenverantwortung Entsolidarisierung und die Privatisierung individueller Risiken vorangetrieben wurde. Wobei von diesen Risiken besonders jene bedroht sind, die durch die Freiheit der Starken unterdrückt werden. Gegen diese Entwicklung wollen wir einen linken Kontrapunkt setzen. Klar ist: Der Findungsprozess einer Neuen Linken ist ein wichtiger Schritt, um auf diese Auseinandersetzungen Einfluss zu nehmen. Dabei kann es nicht nur darum gehen, defensiv den Status quo zu verteidigen. Es kommt viel mehr darauf an, linke Alternativen für die Gesellschaft zu entwickeln. Wir wollen in diesen Parteineubildungsprozess Ansätze emanzipatorischen Denkens einbringen, die bereits wesentliche Bestandteile des Programms der Linkspartei sind.
Es geht uns darum, Freiheit und Selbstbestimmung ebenso wie Solidarität als grundlegende Motive linker Politik zu etablieren. Dabei unterscheidet sich unser Verständnis von Freiheit fundamental von dem Zerrbild der Freiheit, das Wirtschaftslobbyisten und ihre gläubigen Anhänger in der Politik zeichnen. Für uns bedeutet Freiheit nicht die Freiheit der Stärkeren, Schwächere auszubeuten. Freiheit und Selbstbestimmung sind ohne soziale Sicherheit nicht oder nur beschränkt einlösbar. Die freie Entfaltung einer und eines jeden bedarf universeller sozialer und Teilhaberechte. Insofern wollen wir die bestehenden ökonomischen Machtverhältnisse ändern - und zwar grundlegend. Die neue Linke muss deswegen sowohl um die gemeinschaftliche Verfügungsgewalt über Produktionsmittel als auch um die Verfügungsgewalt über das eigene Leben kämpfen. Ansatz und Ziel unseres emanzipatorischen Denkens ist Freiheit von sozialer Repression und die Freiheit, einen Lebensentwurf selbst wählen und gestalten zu können. Das wollen wir auf allen Ebenen und in allen Politikbereichen einbringen.
Wenn wir den Begriff der "emanzipatorischen Linken" aufnehmen, dann geht es uns nicht um eine Gruppe, der man per Unterschrift beitritt oder eine weitere Strömung, die den Konflikt zwischen vermeintlichen "Realos" und "Fundis" fortsetzen soll - einen Konflikt, an dessen Linien wir uns nicht wieder finden und den wir auch für überholt halten. Es geht viel mehr um eine gemeinsame Grundlage einer pluralen, linken Partei. Eine gemeinsame Grundlage ist notwendig, um Differenz nicht in Beliebigkeit und Selbstzerstörung enden zu lassen. Eine solche Grundlage kann nur aus gemeinsam Anerkanntem kommen. Das Programm der Linkspartei muss für die inhaltliche Ausrichtung der Neuen Linken einen wichtigen Beitrag leisten.
Eine emanzipatorische Linke darf, wenn sie sich ernst nimmt, nicht nur ihre theoretischen Grundlagen verkünden. Sie muss ihre Grundsätze auch bei der Lösung konkreter Probleme anwenden. Emanzipatorische Politik zielt auf die konkrete Welt, aber sie hat den Mut, eine andere Welt zu denken und auf diese mit Transformationsprojekten hinzuarbeiten. Die Einheit zwischen Protest, Gestaltung und über den Kapitalismus hinausweisender Alternativen ist eine schon im "strategischen Dreieck" beschriebene Notwendigkeit.
Eine emanzipatorische Linke kann in ihren Methoden nicht von ihren Werten abweichen, wie dies im Programm der Linkspartei bereits festgestellt wird. Niemand kann durch andere emanzipiert werden, dies kann nur durch jede und jeden selbst erfolgen. Emanzipatorische Politik muss dies ermöglichen.
Staat und Politik müssen im Sinne des öffentlichen Interesses handlungsfähig bleiben. Deshalb kämpfen wir für den Erhalt und den Ausbau der öffentlichen Daseinsvorsorge und gegen die fortschreitende Privatisierung von Daseinsfürsorge. Der Macht der Unternehmerverbände, die das gesamte Leben zu einer Ware machen wollen, setzen wir eine Revitalisierung des Politischen entgegen.
Die Frage nach einer Alternative zu Kapitalismus und unfreien Verhältnissen wird von Sozialistinnen und Sozialisten unterschiedlich beantwortet. Unsere Antwort ist nicht einstimmig und sie wird und sie soll es auch nie sein. Eine neue Linkspartei muss die Pluralität ihrer Ansätze und Traditionen anerkennen, von denen die Arbeiterbewegung eine wesentliche, aber nicht die einzige ist. Neben ihr gibt es andere linke Bewegungen, die für Emanzipation streiten: für Emanzipation von rassistischer und sexistischer Unterdrückung, für die Abschaffung von Diskriminierung aufgrund von Behinderung und sexueller Orientierung, Bewegungen, die neue Gerechtigkeitsfragen thematisieren, oder wie es die neue Linke der 70er Jahre getan hat, für Freiheit von staatlicher und autoritärer Unterdrückung streiten. Diese Erfahrungen müssen in einer neuen Linken aufgehoben sein. Vor diesem Hintergrund warnt uns die Geschichte der Linken auch vor ökonomistischen Verkürzungen, bekannt als die Hauptwiderspruchsfalle. Wir lehnen es ab, darüber zu entscheiden, welche Ursachen von Unfreiheit die eigentlichen oder wichtigeren sind.
Aber wir wollen darüber diskutieren, was das Gemeinsame an unseren Antworten ist. Für die Linkspartei ist Emanzipation, verstanden als die freie Entwicklung einer und eines jeden als Bedingung der freien Entwicklung aller, ein Schlüsselbegriff ihrer Programmatik. Die Geschichte der Linken verpflichtet uns jedoch, dies nicht als selbstverständlich hinzunehmen. Leider wurde und wird im Namen sozialistischer oder kommunistischer Zielsetzungen die individuelle Freiheit nur zu oft als nachrangig betrachtet.
Grund-, Freiheits- und Menschenrechte haben nicht in allen Phasen und Strömungen der Linken den prominenten Platz gehabt, der ihnen gebührt - nämlich einen Platz auf gleicher Augenhöhe mit sozialen Rechten. Für uns als demokratische SozialistInnen ist klar: Freiheit ist nichts, was aufgeschoben oder im Interesse anderer Ziele eingeschränkt werden darf. Wir brauchen die gleiche Freiheit wie die Luft zum atmen. Sie ist Sinn unserer Politik. Es ist Aufgabe einer modernen Neuen Linken, Freiheit und Gleichheit zu versöhnen, anstatt der unsinnigen Ideologie aufzusitzen, dass das eine wichtiger sei als das andere. Freiheit und Gleichheit schließen sich nicht aus, sie bedingen sich vielmehr.
Ebenso hat die Linke keinen Alleinvertretungsanspruch auf Emanzipation, auch der aufklärerische Liberalismus verfügte, im Gegensatz zum Neoliberalismus, über Emanzipationspotenziale. Deshalb halten wir es richtig, von einer emanzipatorischen Linken zu sprechen.
I. Kritik des unfreien Lebens
Wider die kapitalistische Barbarei - Kritik der bestehenden ökonomischen Machtverhältnisse
Die globalisierte Weltwirtschaft produziert immensen Reichtum, noch nie soviel wie heute. Und zugleich erzeugt sie Armut und Elend. 2004 verfügten 587 Milliardäre über 1,9 Billionen Dollar, dies waren 500 Milliarden Dollar mehr, als im Vorjahr. Die meisten dieser Milliardäre sind US-Amerikaner, danach folgen Deutsche und Russen. In Afrika, südlich der Sahara, hungern im Jahr 2005 30% der Bevölkerung, 39% sind Analphabeten, zwei Drittel haben keinen Zugang zu sanitären Anlagen. Elend und Armut im Trikont sind in ihrem Ausmaß sicher kaum vergleichbar mit Armut in Deutschland oder der EU. Doch auch innerhalb der reichen Länder des Nordens verschärfen sich die ökonomischen Unterschiede. Von 2003 bis 2005 wuchs das Bruttoinlandsprodukt in der BRD um 80,6 Milliarden Euro, die Einkommen aus Unternehmen und Vermögen im selben Zeitraum um 86,7 Milliarden Euro. Die Arbeitnehmerentgelte sanken um 2,2 Milliarden Euro.
Die Verteilung des gesellschaftlichen Wohlstandes entsprechend der Macht- und Eigentumsverhältnisse ist eine der zentralen Ursachen für die Verhinderung eines selbstbestimmten Lebens. Zum einen lässt der Mangel an entscheidenden Mitteln zum Leben in den ärmsten Regionen der Welt Selbstbestimmung und Entfaltung als nachrangig hinter dem unmittelbaren Bedürfnis zum Überleben werden. Zum anderen ist auch in den reicheren Ländern der Zugang zu den gesellschaftlichen Ressourcen entscheidend für die tatsächlichen Entfaltungsmöglichkeiten.
Der Zwang zur Arbeit und die Krise der Arbeitsgesellschaft
Die Arbeitswelt befindet sich im Wandel. Durch den Anstieg der Produktivität werden immer mehr Dienstleitungen und Produkte von immer weniger Beschäftigten bereitgestellt. Es scheint daher paradox: Obwohl immer mehr Menschen verzweifelt einen Job suchen, nehmen Repressionen gegenüber Erwerbslosen immer mehr zu. Der Zwang zur Aufnahme von Arbeit funktioniert auf verschiedene Weise - sowohl durch administrative Repressionen, als auch durch soziale Sanktionen und Stigmatisierung sowie faktisch über das Anziehen finanzieller Daumenschrauben.
Wir lehnen jeglichen Zwang zur Arbeit ab. Das Recht und die Freiheit, seinen Arbeitsplatz selbst aussuchen zu können, ist eines der fundamentalen Grundrechte, die wir als Linke verteidigen müssen. Schließlich wissen wir um den entfremdeten Charakter von Erwerbsarbeit unter kapitalistischen Verhältnissen. Die materielle Absicherung ist ein Menschenrecht. Der Staat hat nicht das Recht, durch Arbeitszwang Existenzsicherung in Frage zu stellen - wie zum Beispiel bei der Verweigerung, einen Ein-Euro-Job anzunehmen. Nur wenn man die Tätigkeit, mit der man einen großen Teil seiner Lebenszeit ausfüllt, frei wählen kann, hat man Verfügungsgewalt über sein eigenes Leben. Der Zwang zur Arbeit schwächt zudem die Verhandlungssituation der (potentiell) Beschäftigten gegenüber den Unternehmen. Der bzw. die einzelne darf nicht dafür bestraft werden, dass Wirtschaft und Politik darin versagt haben, den Fortschritt zum Wohle aller zu nutzen.
Erwerbslosigkeit stellt in dieser Gesellschaft für viele das zentrale Problem dar, weil Wertschätzung, soziale Kontakte und Sinnstiftung für die meisten vorrangig über Erwerbsarbeit realisiert werden. Wir müssen diese Bedürfnisse ernst nehmen und sind uns der Notwendigkeit bewusst, neben der gerechteren Verteilung der vorhandenen Erwerbsarbeit andere Formen von Tätigkeit und Sinnstiftung zu befördern. Aber es ist nicht Aufgabe einer modernen Linken, unkritisch in den Chor "Arbeit muss her!" einzustimmen. Es ist unmöglich und kann nicht gewollt sein, die Krise der fordistischen Arbeitsgesellschaft durch ihre Wiederherstellung zu überwinden. Denn dies würde der Entwicklung der Produktivkräfte nicht mehr entsprechen. Wir betrachten es als einen Fortschritt, wenn die Entwicklung der Produktivkräfte schwere und entfremdete Arbeit überflüssig machen kann. Gleichzeitig entstehen Freiräume für andere Arten von Tätigkeit, die es zu nutzen gilt.
Die sozialen Sicherungssysteme sind auf diesen Wandel der Arbeitswelt bislang nur unzureichend eingestellt. Sie sind aus sozialen Kämpfen der Arbeitsgesellschaft hervorgegangen und orientieren in ihren Leistungen auf die Absicherung von erwerbstätigen Arbeitnehmern und in ihrer Finanzierung auf den Faktor Erwerbsarbeit. Für nicht erwerbstätige Frauen war dies schon immer eine Armutsfalle - angesichts von Massenarbeitslosigkeit, prekären Arbeitsverhältnissen und gebrochenen Erwerbsbiographien wird der Zugang zu den gesellschaftlichen und natürlichen Ressourcen für immer mehr Menschen, die nicht über Unternehmen oder deren Anteile verfügen, dauerhaft prekär. Und je schlimmer die Situation von Erwerbslosen, um so eher sind die noch Beschäftigten bereit, alles für den Erhalt ihres Arbeitsplatzes zu tun. Damit wächst die Macht der Unternehmen bei Verhandlungen über Arbeitsbedingungen und Arbeitsinhalte sowie über die Höhe der Entlohnung.
Repressive Normsetzung
Unterdrückung trägt viele Gesichter. Neben ökonomischen Abhängigkeitsverhältnissen können auch als hegemonial angenommene Lebensweisen bzw. Normen repressiv wirken - zumindest gegenüber denjenigen Menschen, die diesen Vorstellungen nicht folgen wollen. Insofern sorgt jeder Versuch, bestimmte Lebensentwürfe als die "eigentlichen" und "normalen" zu etablieren, für die Unterdrückung von Individuen unter die Gemeinschaft. Zwar existieren in der Gesellschaft verschiedene Normalitätsräume, so erscheint in einem Schwulenkneipe anderes selbstverständlich als in einer katholischen Gemeinde. Jedoch üben manche Werte eine stärkere Hegemonie aus, so dass andere Lebens- und Liebesweisen immer noch mit abwertender Distanz betrachtet werden bzw. offen diskriminiert werden. Gesellschaftliche Normalitätsvorstellungen dürfen unserer Meinung nach keine unhinterfragte Grundlage linker Politik sein. Im Gegenteil: Repressive Normsetzung zu kritisieren, ist für uns ein wichtiges Handlungsfeld linker Politik. Wie die Menschen auf Grundlage der allgemeinen Menschenrechte und unter Anerkennung der Freiheit des Andersdenkenden ihr Leben gestalten, geht den Staat nichts an. Er hat unterschiedliche Lebensentwürfe nicht zu bewerten. Erst wenn das erreicht ist, besteht die tatsächliche Möglichkeit, den eigenen Lebensentwurf im Bezug auf (Vor)Lieben, Einstellung zur Erwerbsarbeit, zum Konsum illegalisierter Substanzen und allem mehr, frei zu wählen.
Dabei geht es uns nicht nur um den Schutz von Minderheiten. Von einengenden Rollenklischees, Stigmatisierung aufgrund von Armut, der Erfahrung von Gewalt und nicht zuletzt durch die Einführung von Zwangskollektiven in Form von "Bedarfsgemeinschaften" sind inzwischen weite Teile der Bevölkerung betroffen.
Im Sinne individueller Freiheit einer und eines jeden Einzelnen muss die permanente Normalisierung bestimmter Lebensentwürfe beständig hinterfragt werden.
Nein zum autoritären Sicherheitsstaat
Der Schutzgedanken des Grundgesetzes zielt ab auf dem Schutz der Bürger und Bürgerinnen vor dem Staat. Das ist ein Grundsatz des Rechtsstaates. Die gegenwärtige Sicherheitspolitik dreht diesen Gedanken um: der Staat scheint vor seinen BürgerInnen beschützt werden zu müssen. Wir erleben die Transformation des Rechtsstaates in einen Ordnungsstaat. Allen Bemühungen einer zunehmenden Demokratisierung zum Trotz sind autoritäre Elemente in Staat und Gesellschaft an der Tagesordnung. Ob in Schule oder Betrieb oder im Staat selbst: Wir begegnen intransparenten Strukturen, hierarchischen Machtverhältnissen und mangelnden Möglichkeiten, Politik und Lebenswelt selbst mit zu gestalten.
Mit der Überbetonung eines notwendigen Schutzes vor terroristischer Bedrohung werden zudem seit dem 11. September 2001 verschiedene innenpolitische Maßnahmen begründet, die die Freiheit der Bürgerinnen und Bürger einschränken. Im Interesse von vermeintlich mehr innerer Sicherheit soll Telefonüberwachung und Abschiebung erleichtert werden. Die Erfassung von biometrischen Personendaten wird zunehmend Realität, der Einsatz der Bundeswehr zur Konfliktschlichtung im Innern wird diskutiert und sogar die Forderung nach Wiedereinführung der Folter wird formuliert. Zunehmend werden Überwachungskameras von öffentlicher und privater Hand installiert und Volkszählungen vorbereitet.
Der Schutz der Privatsphäre, das Recht auf informationelle Selbstbestimmung und die Freiheit von Gewalt sind aber integrale Bestandteile einer demokratischen Verfassung, auf die eine demokratische und freiheitliche Gesellschaft gegründet sein muss. Eingriffe in der Handlungsfreiheit der Bürger müssen der Verhältnismäßigkeit unterliegen und dürfen nie "total" sein. Sie müssen für alle Menschen gelten, auch wenn sie keine deutsche Staatsbürgerschaft haben. In der Diskussion über mehr Sicherheit darf die Wahrung der Freiheit nicht vernachlässigt werden.
II. Zentrale Transformationsprojekte
Die Gesellschaft verändern wir natürlich nicht über Nacht. Aber geleitet von dem Ziel, individuelle Freiheit sowie gesellschaftliche Solidarität umfassend zu gewährleisten, können Transformationsprojekte beschrieben werden. Angesichts des Parteineubildungsprozesses der Neuen Linken wollen wir diejenigen Transformationsprojekten hervorheben, die uns zentral erscheinen, die das Potential haben, die Gesellschaft sowie die ökonomischen Machtverhältnisse schrittweise zu verändern und zu denen wir Diskussionsbedarf sehen.
Soziale Sicherheit ist individuell - Abschied vom Ernährermodell
Die Zukunft der sozialen Sicherungssysteme, die eine Grundvoraussetzung für Freiheit und Demokratie sind, ist sicherlich eines der wichtigsten Handlungsfelder linker Politik. Wir wollen Sozialabbau nicht nur defensiv begegnen, sondern sehen in der Formulierung von alternativen Ansätzen die beste Gegenstrategie.
Der Sozialstaat darf nicht abgebaut werden, sondern gehört ausgebaut. Und das auf der Höhe der Zeit. Die sozialen Sicherungssysteme werden dann zukunftsfest, wenn sie alle Bürgerinnen und Bürger versichern und wenn sie sich nicht nur über Löhne, sondern deutlich stärker über Wertschöpfung sowie über die Besteuerung von Vermögen und Gewinne finanziert werden. Sie müssen der Auflösung des Normalarbeitsverhältnisses Rechnung tragen.
Deshalb kann es einem demokratischen Sozialstaat nicht mehr nur um die Absicherung der Erwerbstätigen in Notlagen gehen. Angesichts der zunehmenden Brüche in Erwerbsbiografien muss ein Mindestmaß an gesellschaftlicher Teilhabe im Alter, bei Krankheit oder bei Erwerbslosigkeit ermöglicht werden. Denn ein demokratischer Sozialstaat garantiert allen EinwohnerInnen die gleichen Möglichkeiten gesellschaftlicher Teilhabe unabhängig von Erwerbsstatus und unabhängig davon, ob es sich um Deutsche oder hier lebende MigrantInnen handelt. Maßstab für soziale Sicherung ist der Bedarf und das Recht auf ein Leben in Würde - und nicht nur die Dauer der Beitragszahlung.
Deshalb streiten wir für soziale Sicherungssysteme, die konsequent vom Individuum aus gedacht werden und von einem individuellen Rechtsanspruch ausgehen. Das sollte, wie in anderen europäischen Staaten auch, für das Sozial-, Steuer- und Arbeitsrecht gleichermaßen gelten.
Doch bislang ist die traditionelle Rollenverteilung zwischen den Geschlechtern in Form des "Ernährermodells" Grundlage unseres Sozial-, Arbeits- und Steuerrechts. Dies stellt nicht nur eine Diskriminierung von Frauen dar, es ist der aktuellen Pluralisierung der Lebensentwürfe schlichtweg nicht mehr angemessen. Eine neue Linke sollte den Mut haben, sich von diesen alten Zöpfen zu verabschieden. Sie sind einer modernen Linken nicht angemessen. Bestehende Formen der Bedarfsgemeinschaft und gegenseitiger Unterhaltsansprüche zwischen Erwachsenen stellen Formen der Zwangsvergemeinschaftung dar, die wir ebenso ablehnen wie die Subventionierung der Hausfrauenehe durch das Ehegattensplitting. Individuelle Rechtsansprüche sind modern. Erzwungene Abhängigkeiten sind es nicht.
In Freiheit tätig sein - Grundeinkommen und Arbeitszeitverkürzung
Wenn angesichts des industriellen und technologischen Fortschritt immer weniger Menschen herkömmlicher Erwerbsarbeit nachgehen können, muss über eine Entkopplung von Erwerbsarbeit und Existenzsicherung nachgedacht werden.
Den Zugang zu gesellschaftlichen Ressourcen repressionsfrei, ohne bürokratische Gängelung und auf einem möglichst hohen Niveau sicherzustellen, ohne gezwungen zu sein, seine Haut auf den Arbeitsmarkt zu tragen, bedingt eine grundsätzliche Veränderung des Verteilungsprinzips. Deshalb bedarf es mindestens einer sozialen, repressionsfreien und gesellschaftliche Teilhabe gewährleistenden Grundsicherung ohne erniedrigende Bedarfsprüfung und ohne Zwang zur Arbeit, wobei eine solche Grundsicherung zu einem bedingungslosen Grundeinkommen weiterentwickelt werden sollte. Dadurch wird der Einzelne in die Lage versetzt, selbst zu entscheiden, mit welchen Tätigkeiten er sich selbst verwirklichen, dem Gemeinwesen nützen und seinen Lebensunterhalt verdienen möchte. Darüber hinaus stärkt es die Verhandlungsmacht derer, die auf den Verkauf ihrer Arbeitskraft angewiesen sind.
Eine so ausgestaltete Grundsicherung und perspektivisch ein bedingungsloses Grundeinkommen befördern zudem die Chance, eine allgemeine Arbeitszeitverkürzung politisch durchzusetzen - eine Forderung, die wir als Linke wesentlich offensiver stellen sollten. Denn während die einen immer länger arbeiten, um ihren Arbeitsplatz und Einkommen zu sichern, wird immer größeren Teilen der Bevölkerung der Zugang zur Erwerbsarbeit verwehrt. Wer jeden Monat sicher eine feste Summe erhält, kann es sich eher leisten, weniger Stunden die Woche zu arbeiten oder sich ein Sabbatjahr zu gönnen. Denn worin sonst liegt der Sinn in technischem Fortschritt und Produktivitätsgewinnen, wenn nicht darin, mehr Zeit für sich, für Freunde und Familie zu haben?
Auch die Förderung solidarischer und selbst organisierter Formen des Wirtschaftens, etwa in Form von Genossenschaften, stellen einen wichtigen Schritt zur Erlangung der gemeinschaftlichen Verfügungsgewalt über die Produktionsmittel und zur Demokratisierung der Wirtschaft dar.
Demokratie, die wir meinen: Ausbau der Grund- und Freiheitsrechte
Für uns meint Demokratie nicht nur das Bekenntnis zum Rechtsstaat, sondern auch die Demokratisierung aller Lebensbereiche, einschließlich der Wirtschaft. Als demokratische SozialistInnen streiten wir konsequent für eine Verbesserung der Rechtsposition von Beschäftigten, VerbraucherInnen, PatientInnen, SchülerInnen, Studierenden, SeniorInnen und all derjenigen, die bislang nur unzureichende Möglichkeiten zur Gestaltung der eigenen Lebenswelt hatten.
Wir wollen nicht nur eine deutliche Ausweitung von Möglichkeiten direkter Demokratie, sondern wollen Nachvollziehbarkeit und Transparenz sicherstellen. Dafür braucht es umfassender Informationsrechte der Menschen über das, was in Verwaltungen und Wirtschaft passiert. Dies gilt auch und gerade für öffentliche Unternehmen. Weil wir sie stärken wollen, sollten wir durch mehr Transparenz ihre Akzeptanz erhöhen. Getreu dem Motto "Public services under public control" müssen die öffentlichen Angelegenheiten Gegenstand öffentlicher Auseinandersetzung sein.
Jede und jeder hat ein Recht auf Privatsphäre. Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung durchsetzen, jeder und jedem die Verfügungsgewalt über die eigenen Daten zu ermöglichen - also entscheiden zu können, wer und in welchem Umfang Einblicke in seine Lebensumstände haben darf und wer nicht, sowohl politisch als auch kommerziell - ist für uns von grundlegender Bedeutung. Gegenwärtig heißt dies vor allem, das Informationsfreiheitsgesetz (IFG) inhaltlich und räumlich zu erweitern. Wir fordern eine Ausweitung auch auf geheimdienstlich erhobene Daten und wollen alle Bundesländer dazu verpflichten, dieses Gesetz auch auf Landesebene zu implementieren. Außerdem ist die Kostenfreiheit des Auskunftsanspruches zu gewährleisten.
Menschenrechte stärken bedeutet für uns, deren Unteilbarkeit anzuerkennen und einzufordern. Für emanzipatorische Linke stehen die drei Elemente, klassische - so genannte unveräußerliche - liberale BürgerInnenrechte, politische Teilhaberechte sowie soziale und wirtschaftliche Teilhaberechte nicht nur gleichberechtigt nebeneinander. Vielmehr bedingen sie einander.
Bildung - egalitär und im Zeichen von Selbstbestimmung
Mündigkeit ist Grundvoraussetzung selbst bestimmten Lebens, Bildung muss zu einem selbständigen und eigenverantwortlichen Leben befähigen. Diese Mündigkeit muss allen Menschen ermöglicht werden, unabhängig von ihrem jeweiligen Geburtshintergrund. So war und ist Bildung eine der zentralen Gerechtigkeitsfragen und wird es auch in Zukunft sein. Wir wollen ein Bildungswesen, das von der Kita an soziale Unterschiede nicht reproduziert, sondern jeder und jedem die Möglichkeit einer eigenständigen Entwicklung eröffnet. Darum wollen wir einen gleichen und kostenfreien Zugang zu allen Bildungsinstitutionen - ein Leben lang.
Insbesondere die Schule, aber auch die weiterführenden Einrichtungen ermöglichen heute nicht einmal die von ihnen als Anspruch verkündete Vorbereitung auf das Berufsleben. Dies zu ändern, ist uns ein Anliegen. Bildung soll ein eigenständiges freies Leben ermöglichen. Die einseitige Orientierung auf die vermeintliche Erwerbsbiographie als Kern einer neoliberalen Bildungsreform wird diesem Anspruch nicht gerecht und widerspricht ihm sogar.
Das Erlangen von Wissen und Fähigkeiten in selbst bestimmten Lernprozessen für alle Menschen muss das Ziel egalitärer und emanzipativer Bildung sein. Hierfür muss sich das Grundverständnis von Bildungsinstitutionen ändern: individuelle Stärken, Schwächen und Neigungen der Einzelnen müssen in den Mittelpunkt gestellt werden und sich in der Gemeinschaft entwickeln können. Und das in einem grundsätzlich integrierten Bildungswesen: egalitäre und emanzipative Bildung braucht zum Beispiel andere Schulformen, in denen länger gemeinsam gelernt werden kann. Ebenso wichtig sind alternative Lern- und Lehrmethoden und die Möglichkeit selbst bestimmter Lernprozesse. Hierfür müssen dem und der Einzelnen Freiräume geschaffen werden. Individualität darf im Sinne von Mündigkeit nicht nivelliert, sondern muss gefördert werden.
Für eine andere Schul- und Lernkultur bedarf es demokratischer Schulen, in denen der gemeinsame Weg gemeinsam entwickelt wird. Mehr organisatorische und pädagogische Freiräume für die einzelne, grundlegend demokratische Bildungsinstitution sind ein Schritt hin zu anderem Lernen für alle.
III. Wie es geht
Niemand kann emanzipiert werden, dies ist am Ende immer die Angelegenheit einer und eines jeden selbst. Aber wir betrachten es als eine zentrale Aufgabe sozialistischer, emanzipatorischer Politik, Räume für freie Entfaltung aller zu eröffnen. Freiheit für jede und jeden Einzelnen wird nur durch gesamtgesellschaftliche Umverteilung ermöglicht werden. Ein Politikansatz, nach dem der Staat die Lebensweisen paternalistisch "für" die Menschen regelt, ist jedoch kein Weg. Wir setzen auf die Kräfte der Zivilgesellschaft, auf die Widerstandstradition der sozialen Bewegungen und die Lust der Einzelnen, die eigene Welt demokratisch zu gestalten. Dieses Verständnis unterscheidet sich grundlegend vom neoliberalen Ruf nach mehr "Eigenverantwortung", was nichts anderes meint, als die Privatisierung sozialer Risiken.
Und nicht zuletzt setzen wir auch auf eine starke, moderne, demokratisch-sozialistische Partei, die ihren Charakter als Mitgliederpartei und als eigenständige und politisch handlungsfähige Struktur bewahren und gleichzeitig zahlreiche offene Schnittstellen für Initiativen, Projekte und engagierte parteilose Menschen anbieten muss. Es geht sowohl um Handlungsfähigkeit auf parlamentarischer Ebene als auch gleichzeitig um eine völlig neue Qualität der Kommunikation und Interaktion mit sozialen Bewegungen und Zivilgesellschaft.
Welche Veränderungen im Sinne sozialistischer Politik aber auch immer angestrebt werden: Ausschließende, intransparente und herrschaftliche Methoden konterkarieren jeden noch so fortschrittlichen Ansatz. Der Weg der Beteiligung möglichst vieler Interessierter und Betroffener an der politischen Entscheidungsfindung ist zwar mühsam, jedoch der einzig mögliche für einen emanzipatorischen Politikansatz.
Was für die gesellschaftlichen Konzepte einer linken, emanzipatorischen Partei gilt, gilt auch für ihre internen Prozesse und gilt natürlich auch für den gerade stattfindenden Parteineubildungsprozess. Eine Partei, in der intern nicht auf Augenhöhe verhandelt würde, könnte dies notwendigerweise auch nicht mit einer anderen Organisation. Daher sind reine top-down Prozesse oder gar autoritäre Führungsstile eine Gefährdung für einen demokratischen Parteineubildungsprozess. Der mit Sicherheit sehr mühsame Prozess der umfassenden und gleichberechtigten Beteiligung ist auch hier ein entscheidender Garant für das erfolgreiche Gelingen des Parteineubildungsprozesses, an dessen Ende eine Partei steht, in der die emanzipatorischen Politikansätze der Linkspartei.PDS gut aufgehoben sind.
Wir wollen unsere Gedanken zu emanzipatorischer linker Politik in den Parteineubildungsprozess einbringen. Es gehört zu unserem Grundverständnis, diese nicht als gesetzt in den Raum zu stellen. Viel mehr wollen wir einen Diskurskorridor eröffnen. Alle, für die Freiheit und Gleichheit ebenso wie Solidarität die zentralen Elemente linker Politik sind, rufen wir daher auf, sich mit uns in die Auseinandersetzung um emanzipatorische Politik und auf den Weg zu einer neuen Linken zu machen. Wir freuen uns darauf.
Auch dank dem Wirken der Linken weltweit haben die Menschen inzwischen mehr zu verlieren als nur ihre Fesseln. Aber es gilt heut heute mehr denn je viel zu gewinnen: Eine andere Welt ist schließlich nicht nur nötig sondern auch möglich. Leisten wir in der gemeinsamen Herausbildung einer NEUEN LINKEN in diesem Land unseren Beitrag dazu!
Julia Bonk, Katja Kipping, Caren Lay
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