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Fragenübersicht Laut US-Experten "beging Putin schweren Fehler im Ukraine-Krieg" - möchtest Du Dich dazu äußern?
1 - 20 / 21 Meinungen+20Ende
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01.05.2023 17:19 Uhr
Ich würde den US-Experten empfehlen, erst einmal die eigenen Kriege korrekt zu analysieren.
01.05.2023 17:19 Uhr
Ist es so schwer, im Hintergrund den Fehler zu benennen, den er begangen haben soll? Ich finde Umfragen nur mit Link im Hintergrund eindeutig zu dürftig.
01.05.2023 17:23 Uhr
Diese US-Experten haben der Umfragestellerin diesbezüglich einiges voraus. Vielleicht, v.a. den Mut, Putin öffentlich zu kritisieren.
01.05.2023 17:53 Uhr
Zitat:
Ich würde den US-Experten empfehlen, erst einmal die eigenen Kriege korrekt zu analysieren.


Jo - das auch - unbestritten. Aber ansonsten?
01.05.2023 18:09 Uhr
Zitat:
.Jo - das auch - unbestritten. Aber ansonsten?


Ansonsten dürfte klar sein, dass kein Krieg fehlerfrei, also im militärischen Sinne, zu führen ist und es im Nachgang immer leicht ist, Fehlentscheidungen aufzuzeigen.

01.05.2023 18:35 Uhr
Es dürfte der Umfragestellerin entgangen sein, dass es in ihrem geliebten Russland für die Bezeichnung "Krieg" dieser "militärischen Sonderoperation" bis zu fünf Jahre Haft geben kann...
Ansonsten: Er hat zumindest einen schweren Fehler gemacht: Diesen Krieg überhaupt anzufangen.
01.05.2023 19:24 Uhr
Dieser Penner hat den Krieg angefangen - ist das nicht Fehler genug?!?
01.05.2023 19:25 Uhr
Zitat:
Es dürfte der Umfragestellerin entgangen sein, dass es in ihrem geliebten Russland für die Bezeichnung "Krieg" dieser "militärischen Sonderoperation" bis zu fünf Jahre Haft geben kann...


Vielleicht ist ihr "Dol-Room" ja fensterlos?!?
01.05.2023 19:56 Uhr
Einen?

Der russische GröFaZ führt den Krieg genauso, wie er das Land führt, er will alles selbst entscheiden, traut keinem, und in Folge funktioniert gar nichts.

Hinzu kommt, daß er von Ja-sagern umgeben ist (wie in Diktaturen üblich) und nie einen echten Überblick über die Lage bekommt.

Der Krieg wurde von langer Hand vorbereitet, man hat auch alles getan, um im Vorfeld die ukrainische Gesellschaft zu zersetzen und den Widerstandswillen abzuschwächen. Und man hat Putin gemeldet, daß das alles funktioniert hat. Hat's aber nicht.
01.05.2023 20:07 Uhr
Hauptfehler demnach ist, dass er selbst der supergeniale Kriegsherr sein wollte und seinen Generälen nicht sonderlich viel Kompetenz zutraut? Kommt mir irgendwie bekannt vor...

01.05.2023 20:14 Uhr
Zitat:
Hauptfehler demnach ist, dass er selbst der supergeniale Kriegsherr sein wollte und seinen Generälen nicht sonderlich viel Kompetenz zutraut? Kommt mir irgendwie bekannt vor...



Er könnte das ganze aber beschleunigen und sich schon nach etwas mehr als einem Jahr die Kugel geben...
01.05.2023 20:19 Uhr
Zitat:
Zitat:
Hauptfehler demnach ist, dass er selbst der supergeniale Kriegsherr sein wollte und seinen Generälen nicht sonderlich viel Kompetenz zutraut? Kommt mir irgendwie bekannt vor...



Er könnte das ganze aber beschleunigen und sich schon nach etwas mehr als einem Jahr die Kugel geben...


Da würden einige hier sehr traurig sein....
01.05.2023 20:22 Uhr
"Da würden einige hier sehr traurig sein...."

Was mich wiederum sehr freuen würde.
01.05.2023 20:29 Uhr
Was U$A und NATO Experten nicht schon alles analysiert und über die russische Art diesen Krieg zu führen, herausgefunden haben wollen.

Wie oft lagen sie daneben?

Wie dicht sie diesmal an der Realität sind kann wohl kein Dolscher selbsternannter Militärexperte beurteilen.
01.05.2023 20:31 Uhr
Ach. Der Putin-Junge TomaZ ist wieder da...
01.05.2023 20:38 Uhr
Zitat:
U$A


USrael meinst du, oder?
01.05.2023 23:58 Uhr
In dem Text geht es darum, dass es keinen Oberbefehlshaber gegeben hat, was aus militärischer Hinsicht ein sehr großer Fehler ist. Ansonsten würde es den Rahmen sprengen, wenn die zahlreichen weiteren militärischen und politischen Fehler hier zusammengefasst werden müssten.

Zumindest hat der Krieg etwas Gutes. Es bietet dem anderen Aggressor Xi eine Blaupause über einen möglichen Verlauf, wenn Taiwan angegriffen wird. Des Weiteren sind die pazifischen Demokratien endlich aufgewacht und rüsten inzwischen massiv auf.

Für die langfristische Strategie Chinas zur Eroberung Taiwans war der Ukraine-Krieg ein vollkommenes Desaster.

Diese Meinung wurde zuletzt geändert am 02.05.2023 18:46 Uhr. Frühere Versionen ansehen
02.05.2023 17:21 Uhr
Tja, in dem Krieg wimmelt es nur von Fehlern. Und insbesondere, den Krieg überhaupt anzufangen, war ein Fehler. Aber gehen wir mal ins Detail:

Der Plan A Putins war es, dass die russische Armee ankommt, die eine Hälfte der Ukrainer die Russen jubelnd als Befreier begrüßt und die andere Hälfte die Hände hebt oder wegläuft.
Für diesen Zweck war ein schneller Enthauptungsschlag auf Kyiw wichtig. Das erklärt, wwarum die Russen den Angriff auf Kyiw versucht haben. So weit so nachvollziehbar.

So, jetzt kommen wir zum Aber:
Was, wenn dieser Plan A scheitern sollte?

Wer ein auch nur rudimentäres militärisches Denken besitzt, der wusste, dass sich eine Stadt wie Kyiw keinesfalls in einigen Tagen oder auch Wochen einnehmen lässt, wenn sie sich verteidigt. Wer ernsthaft eine Einnahme Kyiws in 3 Tagen propagierte, hat schlichtweig keinen blassen Schimmer vom Häuserkampf. Und zwar wirklich überhaupt gar keinen!

Hier schließe ich Merkels Militärberater "General" Erich Vad (der es in der Bundeswehr selbst aber nur bis zum Stabsoffizier brachte und auf rein politischen Druck hin Brigadegeneral wurde) mit allergrößtem Nachdruck ein. ALLE Äußerungen von ihm zum Ukrainekrieg sind nur mit exzessivem Drogenkonsum, richtig brachialer Inkompetenz oder unverhohlener Bestechlichkeit erklärbar. Alles jeweils im Superlativ gemeint.
Inhaltlich befinden sie sich auf einem Flache-Erde-Niveau jenseits ernsthafter Diskussionswürdigkeit.
Kyiw ist eine Millionenstadt mit einem militärisch angelegten U-Bahn-Netz. Ein ukrainischer Verteidiger, der ein wenig Ahnung hat und die Stadt ernsthaft verteidigen will, kann diese Stadt problemlos monatelang auch gegen einen Angreifer verteidigen, der die Stadt wirklich einnehmen könnte.

Um eine Stadt wie Kyiw einzunehmen, muss sie außerdem zuvor eingekesselt, also isoliert werden. Dieser Kessel muss nicht nur gezogen, sondern dann auch noch gegen Entsatzangriffe verteidigt werden. Das alleine wäre ein sehr ehrgeiziges Ziel für Russland gewesen. Es hätte militärisch nur Erfolg haben können, wenn Russland alle und zwar wirklich alle Kräfte auf Kyiw geworfen hätte. Und selbst dann wäre ein Erfolg fraglich gewesen!
Da Russland zeitgleich noch im Süden und Osten angegriffen hat, wurden hier die Kräfte zersplittert. Kyiw war vom ersten Kriegstag an uneinnehmbar. Mit der Entscheidung Selenksys, in Kyiw zu bleiben und Kyiw zu verteidigen, hatte Russland die Schlacht um Kyiw faktisch auch schon verloren. Es war utopisch, solch eine Stadt mit den tatsächlich abgestellten Truppen überhaupt irgendwann einzunehmen. Es blieb nur der Rückzug mit blutender Nase. Denn eine abziehende Truppe erleidet immer sehr schmerzhafte Verluste. In diesem Fall gingen Russland bedeutende Teile der Fallschirmjäger, also die Krone der Infanterie, sowie der zweitstärkste Angriffsverband, die 4. Garde-Panzerarmee verloren. Das waren sehr substantielle Verluste der russischen Armee.

Russland gelang mutmaßlich durch einen Verrat eines ukrainischen Generals ein Achtungserfolg im Süden. Insbesondere ein schneller Vormarsch auf Mariupol und der Blitzkrieg in Cherson. Damit war ein strategisch wichtiger Übergang über den Dnipro geschafft und die "Landbrücke" zwischen der Krim und dem russischen Kernland geschaffen. Hätte die Ukraine auch im Süden entschlossen gekämpft, wäre der Krieg wahrscheinlich schon aus.

Wie auch immer, die Russen scheiterten dann aber beim Vormarsch auf Mykolaiw. Nicht weil sie inkompetent wären, sondern weil dort die Territorialverteidigung (Freizeitsoldaten) überhaupt gekämpft hatten. Dadurch scheiterte der Vormarsch auf Odessa und der Brückenkopf Cherson konnte sich nicht ausweiten. Stattdessen konzentrierten die Russen nun alle Kräfte auf die Ostukraine, wo sie durch die Spezialität der russischen Armee, die "Feuerwalze" mittelmäßig schnell vordrangen. Die "Feuerwalze" bedeutet, dass mit brachialem Materialeinsatz sehr viel unpräzise Artillerie auf gegnerische Stellungen feuert und die eigenen Truppen dann umgepflügte Erde einnehmen. Durch die Feuerwalze gelang Russland die Einnahme von Izium und der Zwillingsstädte Severiodonezk und Lissischansk, die eine bedeutende Agglomeration sind.

Dieser Vormarsch im Osten war ein operativer Sieg Russlands, allerdings nicht kriegsentscheidend. Der Ukraine gelang es, substantielle Truppenteile wenn auch unter hohen Verlusten kontrolliert abzuziehen. Und dieser Punkt ist jetzt sehr wichtig:

Russlands EINZIGER PLAN war die schnelle Enthauptung Kyiws ohne Gegenwehr. Für einen längeren Krieg bestand keine Planung. Und die konnte es auch nicht geben, da Russland einen längeren Krieg gar nicht gewinnen kann.

Ein längerer Krieg wird nämlich durch die Rüstungsproduktion entschieden. Eine Unterstützung der Ukraine durch den Westen war angekündigt. Das Produktionspotential des Westens an kampfkräftigem Material ist weitaus höher als das russische! Schon alleine weil westliches Material dem russischen qualitativ haushoch überlegen ist. Die einzige Chance Russlands war es also, eine Entscheidung herbeizuführen, bevor das westliche Material wirksam eintreffen kann. Wirksam schließt hier die Schaffung von Personalkompetenzen und Logistik mit ein, es geht nicht nur um den Transport der Waffen. Insgesamt ergibt sich dabei ein Zeitfenster von etwa 3-5 Monaten, das den Russen vor Eintreffen der alles verändernden Systeme Himars, PzH2000 und César blieb.

Nach der Entscheidung der Ukrainer, ihre Hauptstadt zu verteidigen, war eine Kriegsentscheidung in diesem Zeitfenster kaum noch wahrscheinlich. Am Ehesten wäre eine Entscheidung entweder im Donbass oder im Süden bei Odessa möglich gewesen. In beiden Fällen waren die Siegeschancen Russlands im Sinne von "Entscheidungsschlacht" aber gering. Russland entschied sich für den Donbass, wo ein operativer Sieg gelang, die Ukrainer vermieden aber das Stellen zu einer Entscheidungsschlacht.

Dann kam der Gamechanger mit dem Eintreffen von einigen Himars-Systemen. Diese jagten zielsicher die Munitionsdepots der Russen im Donbass hoch. Die Hauptwaffe der russischen Armee, die "Feuerwalze" war damit nicht mehr einsatzfähig.
Zeitgleich kündigte die Ukraine eine Offensive zur Befreiung Chersons an. Diese hatte strategische Bedeutung, weil Cherson der Brückenkopf über den Dnipro war. Ohne diesen Brückenkopf kein Abschneiden der Rest-Ukraine vom Meer und kein Vorstoß nach Transnistrien. Russland verstärkte also die Truppen in Cherson. Dazu wurden die Truppen im Donbass unter ein sehr kritisches Niveau ausgedünnt!

Die Offensive der Ukrainer Richtung Cherson fand schleppend und mit bedeutenden ukrainischen Verlusten statt. Allerdings wurden die schlagkräftigsten Truppen als Reserve zurückgehalten. Und als eine kritische Unterbesetzung der russischen Linien bei Izium entdeckt wurde, schlugen die Ukrainer dann im Raum Izium zu. Dabei gelang der Ukraine ein Mega-Sieg, der mit kaum etwas aus der neueren Militärgeschichte vergleichbar ist. Innerhalb von 4 Stunden rückten die Ukrainer um 125 km auf das Logistikzentrum Kupiansk vor. Der stärkste Angriffsverband Russlands, die 1. Garde-Panzerarmee wurde faktisch vernichtet, hochwertiges Material in sehr großer Anzahl wurde erbeutet oder zerstört. Und wohlgemerkt, alles innerhalb von 4 Stunden und ohne größere ukrainische Verluste. Ein Sieg, der mit der Balaklyia-Kupiansk-Offensive vergleichbar ist, existiert vielleicht in der Geschichte, mir fällt aber tatsächlich überhaupt keiner ein. Es handelt sich um einen der glänzendsten Siege der Militärgeschichte überhaupt.

Und das ist natürlich etwas peinlich, weil der Raum Izium schon Monate zuvor als Schwachstelle der russischen Verteidigung bekannt war und auch meine Wenigkeit eine ukrainische Offensive in dieser Mausefalle vorausgesagt hatte.'

Spätestens mit der Offensive bei Izium büßte Russland seine Angriffsfähigkeiten fast vollständig ein. Seither kämpft es nur noch darum, wer Putin innerhalb Russlands beerbt.

Hatte Russland bei Izium Fehler gemacht? Ja, sicherlich. Bei der Ausdünnung seiner Truppen dort hatte es übertrieben.
Was hätte es geändert, wenn es von dort weniger Kräfte abgezogen hätte?
Russland wäre heute stärker, hätte wohl Bachmut komplett eingenommen, würde den Krieg aber dennoch verlieren. Nur halt etwas langsamer. Dafür wäre Cherson schneller geräumt worden. Aber der Brückenkopf war ja eh nicht zu halten, seit die HIMARS auch dort die Übergänge zerdepperten.

Dann kam der Herbst und mit ihm die Rasputiza nebst Winter und erneuter Rasputiza. In diesem Zeitraum sind keine nennenswerten Offensiven möglich. Russland unternahm trotzdem welche, eroberte in paar Dörfer, den größten Teil der mittelgroßen Stadt Bachmut und ein paar Baumreihen. Nichts, was den Krieg entscheidet. Dafür erlitt Russland gewaltige Verluste.

Jetzt steht die ukrainische Gegenoffensive bevor. Mein persönlicher Tip ist, dass sie entweder in der Nacht 8./9. Mai oder in der Nacht 9./10. Mai beginnt. Einerseits kommt metereologisch nur Anfang Mai in Betracht wegen der Rasputiza. Weiterhin ist der Trumpf der Ukrainer die höhere Nachtkampffähigkeit, deswegen dürften sie nachts mit der Offensive beginnen.
Der 9. Mai hingegen hat sich bei den Russen als Sauftag etabliert ("Tag des Sieges"). Die werden ihren Truppen dort zwar das Saufen verbieten, weil auch die Russen vorausahnen, was ich ahne. Aber ob dieser Befehl auch so umgesetzt wird, steht auf einem anderen Blatt. Die meisten Russen werden am 9. Mai einfach glucksen wollen, weil das russische Tradition ist. Genauso wie das Saufen an Weihnachten. Und ein erheblicher Teil der russischen Truppen ist - Verbot hin oder her - an diesem Tag einfach stockbesoffen, egal ob man das erlaubt oder nicht.

Und bei einem ukrainischen Vormarsch aufs Asowsche Meer treten dann mehrere Gamechanger in Kraft, die in der Presse noch gar nicht diskutiert werden.

Resümee: Ja, Russland hat operative Fehler gemacht, die Ukrainer allerdings auch.
Der Hauptfehler war, dass es keinerlei echte Aussicht auf einen Erfolg gab, falls sich die Ukraine zu einem Kampf und der Westen zu einer Unterstützung der Ukraine entschliessen sollte. Beides war sehr wahrscheinlich.

Wie Russland jetzt noch einen Sieg oder wenigstens ein Patt erreichen sollte, erschliesst sich mir nicht. Insbesondere ein Halten der Krim ist militärisch gesehen nunmehr sehr unwahrscheinlich.
02.05.2023 18:22 Uhr
@Widu Waldgeist

Ich lese deine militärischen Analysen und Aufbereitungen sehr gerne.

Dazu habe ich Anmerkungen bzw. Fragen.

1. Ich habe gelesen, dass die Russen in Bachmut nur in der Nacht vorwärtskommen. Das klingt mir nicht nach überlegene Nachtkampffähigkeiten.

2. Ich bezweifle, dass die Krim so einfach erobert werden kann. Womit denn, da eine ukrainische Marine quasi nicht existiert?

3. Die Amerikaner (siehe Leaks) und irgendein britischer Militäranalyst meinten, dass bestensfalls nur bescheidene Geländegewinne möglich seien. Warum bist du hier gegenteiliger Meinung?



Diese Meinung wurde zuletzt geändert am 02.05.2023 21:15 Uhr. Frühere Versionen ansehen
02.05.2023 22:46 Uhr
Zitat:
@Widu Waldgeist

Ich lese deine militärischen Analysen und Aufbereitungen sehr gerne.

Dazu habe ich Anmerkungen bzw. Fragen.

1. Ich habe gelesen, dass die Russen in Bachmut nur in der Nacht vorwärtskommen. Das klingt mir nicht nach überlegene Nachtkampffähigkeiten.

2. Ich bezweifle, dass die Krim so einfach erobert werden kann. Womit denn, da eine ukrainische Marine quasi nicht existiert?

3. Die Amerikaner (siehe Leaks) und irgendein britischer Militäranalyst meinten, dass bestensfalls nur bescheidene Geländegewinne möglich seien. Warum bist du hier gegenteiliger Meinung?




1. In Bachmut kommen beide Seiten im Wesentlichen nur mit leichter Infanterie aus. Zwar besitzt die Ukraine mehr Nachtsichtgeräte, als die Russen. Allerdings ist auch deren Sicht nachts eingeschränkt. Und da in Bachmut eigentlich das einzige größere Schlachtfeld besteht, dürften dort beide Seiten ihre Einheiten großzügig ausstatten. Damit bleibt für beide Seiten eine leicht reduzierte Sicht. Gut möglich, dass dort eher der Angreifer von reduzierter Sicht profitiert, nicht zuletzt, weil er Abwehrfeuer leichter lokalisieren kann (der Verteidiger schiesst gewöhnlich mit weniger Rohren als ein Angreifer).

Bei der kommenden ukrainischen Offensive ist die potentielle Kampflinie relativ lang. Hinzu kommt, dass dort ohne Zweifel im großen Ausmaß Panzer eingesetzt werden. Westliche Panzer haben bedeutend bessere Optiken als Sowjetgerät, inbesondere nachts. Ergo haben die Ukrainer dort auch im Nachtkampf die Überlegenheit. Die russische Armee dürfte auch generell weniger Nachtsichtgeräte haben, was sich gerade bei längeren Frontlinien bemerkbar macht.

2. Die Krim kann nicht "so einfach" erobert werden. Falls die Russen nicht alles falsch machen, werden die Ukrainer spätestens in der Nähe von Perekop Halt machen müssen, eher noch ein Stück von Perekop weg (Die Landenge von Perekop verbindet die Krim mit dem Festland). Bei Perekop ist ein Flacshenhals und dort kann man jede Armee erstmal gut abbremsen.

Allerdings ist dieser Flaschenhals auch die Archillesverse der Krim. Nach einem Vorstoß zum Asowschen Meer wäre es jedenfalls ein Leichtes, die Krimbrücke zu zerstören. Damit wird die Logistik auf der Krim ein Alptraum. Zumal heutige Artillerie auch ohne die Landenge zu betreten, den Verkehrsknotenpunkt Dschangui im Norden der Krim unter Feuer nehmen kann.
Das heißt nicht, dass ich damit rechne, dass die Russen ohne Munition, Essen oder Wasser kapitulieren würden. Man rechne nicht mit einem mittelalterlichen Aushungern, das werden wir nicht sehen. Dafür kann Russland die Krim auch ohne Krim-Brücke viel zu gut versorgen.

Aber nach einer erneut beschädigten Krimbrücke, ist die Halbinsel dermaßen isoliert, dass die Russen von dort aus keine Großoffensive mehr starten könnten. Jedenfalls nicht unter Kriegsbedingungen. Man bedenke, dass auch der einzige leistungsfähige Hafen der Krim (Sevastopol) in Reichweite ukrainischer Schiffsabwehr läge. Mit großen Massengütern wie für eine Feuerwalze notwendig, wäre also Essig. Russland könnte keine Gegenoffensive von der Krim aus mehr starten und die Ukrainer könnten ihren Sturm auf die Krim in völliger Seelenruhe vorbereiten.

An der Landenge von Perekop hätten die Russen dann folgendes logisches Problem:
Eine Verteidigungslinie kann einen Angreifer bremsen und abnutzen. Sie kann aber niemals einen feindlichen Vorstoß gänzlich unterbinden.
Die Verteidigungslinie wertet einen Soldaten außerdem auf, sagen wir mal um den Faktor 4, der nicht ganz weltfremd ist. Sprich: Ein verteidigender Soldat in einer ausgebauten Linie könnte dann so gut kämpfen, wie 4 Soldaten ohne ausgebaute Verteidigungslinie. Wichtig ist aber: Die Linie wertet den Soldaten nur auf und ersetzt ihn nicht! 0 Soldaten in der Linie sind so schwach wie 0 Soldaten ohne Linie.

Wie weit eine Linie den Gegner verlangsamt und abnutzt, hängt also auch an den Kräften, die diese Linien bemannen. Und jetzt kommt ein logisches Problem einer jeden modernen Verteidigung: Die Artillerie des Angreifers.

Wenn eine Festung sturmreif geschossen wird, ist es gut, man hat wenige Soldaten in der Linie. Dann geht der feindliche Artillerischlag weitgehend ins Leere. Allerdings ist dann auch die Linie relativ schwach, wenn der Feind mit seinen Truppen angreift.
Ist die Linie hingegen gut bemannt, dann kann man den Angriff zwar mit hoher Wahrscheinlichkeit abweisen. Allerdings fordert der Feuerschlag, der dem Sturm vorausgeht, dann seinen Tribut.

Der Angreifer hat übrigens auch immer die Option, einfach nur einen Feuerschlag zu führen, eine gut bemannte Linie in einen Friedhof zu verwandeln und dann trotzdem keine eigene Infanterie zu schicken. In diesem Fall hat nur der Verteidiger Verluste. Zumindest, wenn der Angreifer die Überlegenheit in der Artillerie hat, was er eigentlich ohnehin haben sollte (ansonsten greift man nicht an).

Bei einer "Belagerung" der Krim hätte die Ukraine erstmal einen Ventil-Effekt. Jeder Vormarsch, den sie hat, den behält sie. Denn Russland wäre nicht zum größeren Gegenschlag fähig, das gibt die Logistik bei zerdepperter Krimbrücke nicht her. Die Taktik des 1. Weltkrieges, dass jedem fehlgeschlagenen Stoß ein Gegenstoß folgt, würde nicht mehr funktionieren. Und ab Erreichen von Dschangui wäre für die Ukrainer sowieso wieder der Bewegungskrieg eröffnet.

Ein weiterer Vorteil der Ukraine wäre die schiere Feuerkraft. Feuerkraft ist quasi das Produkt aus Schusszahl und Treffsicherheit.
Die Ukraine hat den Vorteil, dass sie die treffsicherere (westliche) Artillerie und die besseren Radargeräte zur Artillerieaufklärung besitzt. Sie gewinnt tendenziell die Artillerieduelle und hat mit einem Schuss einen Vorteil, für den die Russen 3 Schüsse brauchen. Russland wird aber seine Vorteile in der Quantität nicht mehr ausspielen können, wenn die Logistik zur Krim gestört ist.

Das heißt, dass die Ukraine, immer zwischen Eroberung eines kleinen Abschnittes und Dezimierung der Verteidiger wählen kann, wie es ihr beliebt. Gegenschläge wären unwahrscheinlich. Das wird dann wie "Schere Stein Papier", wenn Du Deine Figur erst nach Sichtung der Gegenfigur zeigen musst.

Ein weiterer Vorteil der Ukraine sind dann auch die inneren Linien. Die Ukraine kann nach Erreichen des Asowschen Meeres die Truppen zwischen Ostukraine und Krim hin- und herschieben. Russland könnte dies nur extrem langsam tun. Das heißt auch, jede Truppe, die Russland zur Krim schickt, kann nicht mehr in der Ostukraine an Brennpunkten eingesetzt werden. Bei den Ukrainern hätte man hier mehr Flexibilität. Eine Truppenverschiebung wäre im Notfall nur eine Frage von Stunden, maximal Tagen. Bei den Russen eine Frage von Wochen.

Ich gehe demnach von einem häppchenweisen Vorrücken auf Dschangui aus, falls die Ukraine das Asowsche Meer erreicht.
Das heißt: Die Krim wird nicht "einfach so" erobert. Aber mit vielen kleinen Vorstößen, die Russland nach Verlust der Landbrücke kaum verhindern kann. Amphibische Fähigkeiten braucht die Ukraine dafür auch nicht, obwohl sie evtl. hilfreich wären.

3. Manche fragen sich, ob dieses Asowsche Meer allerdings erreicht wird. Auch die USA meldeten hier Bedenken an.
Ich gehe nicht davon aus, dass die russische Front in Saporischia innerhalb von Stunden kollabiert, wie in Izium. Es wird für die Ukraine ihre blutigste Offensive des Krieges werden. Nicht zuletzt, weil die Russen diese Offensvie sowohl zeitlich als auch räumlich eingrenzen können. Der große Überraschungseffekt wird nicht vorkommen.

Allerdings gibt es auch im Süden zahlreiche geografische Hindernisse im Nachschub, die dankbare Ziele der HIMARS sind, etwa typisch in Meeresnähe eine Vielzahl von Bächen und Flüssen. Das Gelände ist weiterhin topfeben und ein Eldorado für Panzerspitzen. Nicht zuletzt stehen die Russen mit dem Rücken zum Meer. Daher sind alle russischen Truppen dort recht gefährdet, abgeschnitten zu werden. Dies führt dazu, dass die Linien der Russen eher früher brechen, als an anderen Stellen. Die Truppen müssen relativ zum feindlichen Vorstoß ihre Stellungen früher verlassen, um nicht eingekesselt zu werden. Man könnte sagen: Die Russen haben eine verringerte Knautschzone in ihren Linien.

Und es gibt einen weiteren Gamechanger: Die Ukraine hat am Dnipro ein Überraschungsmoment geschaffen, indem sie Flussinseln östlich Cherson eingenommen hat. Damit hat niemand gerechnet, ich übrigens auch nicht. Damit müssen die Ukrainer für einen Angriff auf das linke Dnipro-Ufer nicht mehr den 800 Meter breiten Dnipro überwinden, sondern nur die recht schmale Konka, über die eine Panzerbrücke innerhalb von Minuten drüberkommen dürfte.
Ich halte einen Angriff auf das linke Dnipro-Ufer nach wie vor für wenig wahrscheinlich. Aber die Russen müssen jetzt Truppen von anderswo abziehen, sonst wird ein Angriff über den Dnipro nicht nur wahrscheinlich, sondern auch erfolgreich.
Die einsatzfähigen Truppenteile der Russen sind endlich. Sehr endlich sogar. Und selbst eine entschlossene Mobilmachung, wird nicht in einer Woche die Linien verstärken.

Ich gehe an der Saporischja-Front davon aus, dass es anfangs erbitterte Gefechte um die russischen Linien geben wird. Diese können durch den Einsatz von Drohnen und Artillerie durchbrochen werden. Nicht schnell, aber sie sind zu brechen. Danach wird es schneller vorwärts gehen, weil die russischen Truppen die Einkreisung befürchten müssen und daher eher zurückweichen.

Aus ukrainischer Sicht ist der Weg Asowsches Meer -> Krim der erfolgversprechendste. Gut vorstellbar sind zwischendurch aber auch pausierende Angriffe und Operationen an anderen Frontstellen, nicht zuletzt um die Russen unter politischen Druck zu setzen, etwa wieder Truppen in den aus ukrainischer Sicht unwichtigeren Donbass zu verlegen.

Ich rechne aber nicht mit einem Spaziergang wie es ihn in Balakliya-Kupiansk gab. Das war dort ein Mega-Sieg bei dem ich nicht an eine Wiederholbarkeit glaube.
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