Thema: PsA zum Rücktritt von Horst KöhlerNeuer Beitrag
Von: Sean wiederweg (sean cool) Das Volk 10.06.2012 21:11 Uhr
02.06.2010 - PsA zum Rücktritt von Horst Köhler

Völlig überraschend trat Bundespräsident Horst Köhler heute mit sofortiger Wirkung vom Amt zurück. Sichtlich ergriffen und mit Tränen in den Augen verlas er seine Erklärung, in der er den Kritikern seiner Äußerungen zu Einsätzen der Bundeswehr vorwarf, den Respekt vor dem Amt des Bundespräsidenten vermissen zu lassen.

Dabei hatte Horst Köhler selbst immer den Anspruch erhoben, ein unbequemer Bundespräsident sein zu wollen. Als solcher mußte er mit Kritik rechnen, die er ja im Grunde geradezu herausfordern wollte, und nun verschanzt er sich wehklagend hinter seinem Amt. In seinem Verständnis scheint der Bundespräsident über jede Kritik erhaben zu sein, was in einem pluralistischen Land mit Meinungsfreiheit selbstverständlich nicht der Fall sein kann.

Bundespräsident Horst Köhler war ein parteiischer Bundespräsident. In seinen Reden mahnte er gerne Reformen an. Die Agenda 2010 reichte ihm nicht aus, und bereits im März 2005 legte er vor Vertretern der Arbeitgeberverbände sein neoliberales Glaubensbekenntnis ab, forderte Privateigentum, Vertragsfreiheit, Wettbewerb und offene Märkte als Regeln für die Gesellschaft. Solche Erklärungen wurden von den neoliberalen Wirtschaftsredaktionen gefeiert. Zugleich wurde in diesen Erklärungen deutlich: Horst Köhler war der Bundespräsidente der Eliten und Arbeitgeberverbände, nicht aber der des Volkes.

Zu Diskussionen führte innerhalb der PsA, ob Köhler die zentrale Prüfung seiner Amtszeit nicht bestand: Statt den Versuch Gerhard Schröders im Sommer 2005, mit einer fingierten Vertrauensfrage die Verfassung zu beugen, abzuwehren, gab er grünes Licht für Neuwahlen, während in den Medien ein Regierungswechsel nach schwarz-gelb bereits als die Erlösung von aller Pein herbeigeschrieben werden sollte. Im Gegenzug wird innerhalb der PsA auch die Meinung vertreten, daß Köhler letztlich nicht anders entscheiden konnte, und das Verfassungsgericht dies im Ergebnis auch absegnete.

Wesentliche Impulse gingen nunmehr von Horst Köhler nicht mehr aus. In einer Erklärung zur Finanzkrise klagte er zwar auch die Banken an, konstatierte jedoch ebenfalls, daß wir alle über unsere Verhältnisse gelebt hätten. Eine tiefgreifende Kritik an der neoliberalen Ideologie, deren Glaubenssätze die Krise heraufbeschworen hatte, war von ihm nicht zu hören.

In der vergangenen Zeit wurde es immer stiller um Köhler. Gerüchte, daß es Unstimmigkeiten im Bundespräsidalamt gebe, machten die Runde. Nach deutlicher Kritik, in erster Linie von der Opposition, wurde Köhler in der Öffentlichkeit in den letzten Wochen wieder sichtbarer. Sein Interview zum Krieg in Afghanistan und die Rolle der Bundeswehr brachten ihm die - maßvolle - Kritik von der Opposition ein, während die Regierungsparteien irritiert reagierten.

Die Begründung für den Rücktritt wirft indes die Frage auf, ob es tatsächlich nur die Kritik an seinen Ausführungen war, die Köhler zu diesem Schritt bewog. Der Verdacht, daß es weitere Gründe gab, liegt nahe, zumal Anfang des Jahres bereits Gerüchte über Unstimmigkeiten im Bundespräsidialamt kursierten.

Köhlers Rücktritt ist ein weiteres Symbol für die tiefe Krise, in der sich die Regierung Merkel zur Zeit befindet. Sie muß sich mit der Finanzkrise herumschlagen und dabei auch zahlreiche Wahlversprechen wieder einsammeln, mit denen sie die Bundestagswahlen 2009 gewonnen haben. Die Personaldecke ist dünn, zudem hinterläßt die Erklärung zum Abtritt Köhlers den Eindruck, daß es nicht nur die Kritik war, wegen der Köhler nun seinen Hut nimmt. Innerhalb von 30 Tagen soll nun der Nachfolger Köhlers gekürt werden. Es bleibt zu hoffen, daß ein Kandidat gefunden wird, der dieses Amt wieder ausfüllen kann.

Am vergangenen Montag endete indes eine schwache Amtszeit mit einer weinerlichen Erklärung.