Willkommen auf der Seite der INITIATIVE PRO ANARCHISTISCHEN KOMMUNISMUS (IPAK)


Diese Initiative ist für alle Anhänger der Theorie des anarchistischen Kommunismus, die von Peter Alexander Kropotkin entwickelt wurde.

"Anarchistischer Kommunismus"

In seinen Schriften spricht Kropotkin von idealen Organisationsformen einer Gesellschaft, die es für die Menschen zu erreichen gilt, um frei zu sein. Diese Ideale bilden für Kropotkin einen zentralen Bestandteil seiner politischen Vorstellung. Er war der Meinung, daß man nicht einmal eine theoretische Kritik des Bestehenden geben kann, "ohne sich ein mehr oder weniger klares Bild von dem gemacht zu haben, was an die Stelle des Bestehenden treten soll." "Bewußt oder unbewußt schwebt stets ein Ideal, die Vorstellung von etwas besseres dem Geiste eines jeden vor, der die bestehenden sozialen Einrichtungen kritisiert."

Für das Verständnis der grundlegensten Aspekte der politischen Theorie Kropotkins - seiner Gesellschaftskritik und seines Gesellschaftsideals -scheint mir die von mir Unterteilung in die Stellung der Theorie des anarchistischen Kommunismus zum Einzelnen und seiner Freiheit, zum Staat, zum Gesetz, zur Wirtschaft und zur Revolution am Sinnvollsten zu sein.

Der Einzelne und das Ideal der Freiheit

Im Zentrum der anarchistischen Theorie Kropotkins steht das Ideal der Freiheit des Einzelnen. Dieses Ideal im anarchistischen Kommunismus basiert auf einer bestimmten Sichtweise des Einzelnen und in diesem Zusammenhang auf einem bestimmten Menschenbild.

Als Einzelwesen hat der Mensch eine Vielzahl von Bedürfnissen, die er mit anderen zu befriedigen sucht. Unter diesen Bedürfnissen versteht Kropotkin aber nicht nur die zur Reproduktion notwendigen materiellen Erfordernisse des Menschen, sondern auch dessen Bedürfnisse nach Entspannung, Muße und Vergnügen. Für ihn ist der Mensch ein Kulturmensch und "keineswegs ein Wesen, welches ausschließlich leben könnte, um zu essen, zu trinken und zu schlafen. Die Verschiedenartigkeit der Geschmacksrichtungen und der Bedürfnisse sind nach seiner Ansicht die Hauptgarantie des menschlichen Fortschritts.
Desweiteren begreift Kropotkin den Menschen aber auch als ein sittliches Wesen: "Da der Mensch nicht allein lebt, entwickeln sich in ihm Gefühle und nützliche Gewohnheiten, um die Gesellschaft zu erhalten und seine Rasse zu vermehren. Ohne diese gesellschaftlichen Gefühle, ohne solidarische Betätigung wäre das gemeinschaftliche Leben absolut unmöglich, undenkbar", denn "ein jeder sieht ein, daß ohne Redlichkeit, Selbstachtung, Mitgefühl und gegenseitige Hilfe die Gattung verkommen muß".

Jeder soll das sein Recht und die Macht haben, alles zu tun, was ihm gefällt, alle seine Bedürfnisse zu befriedigen, ohne eine andere Begrenzung als die natürlichen Unmöglichkeiten und die Bedürfnisse seines Nachbarn, die ebenfalls zu respektieren sind".

Bei seinen zoologischen, anthropologischen und geschichtlichen Untersuchungen kommt Kropotkin zu dem Schluß, daß gegenseitige Hilfe, also ein soziales Verhalten sowohl von Tieren als auch von Menschen praktiziert wurde und praktiziert wird und daß dieses Verhalten im Kampf ums Dasein von Vorteil ist.
Die Bedeutung der gegenseitige Hilfe fand Kropotkin in der Geschichte der Menschheit immer dann besonders ausgeprägt, wenn der staatliche Einfluß auf die Menschen besonders gering und die individuelle Freiheit hoch war. Auf dem Hintergrund dieser Erkenntnis faßt er den Entwicklungsfaktor "gegenseitige Hilfe als Element des Fortschritts" auf, d.h. die gesellschaftliche Durchsetzung und Praktizierung des Prinzips der Solidarität bzw. gegenseitige Hilfe bedeutet für Kropotkin Fortschritt, wobei er Fortschritt als Formen des sozialen Lebens definiert, die "einer gegebenen Gesellschaft und weiterhin der Menschheit die größte Summe Glückes"sichern. Für Kropotkin war es eine bewiesene Tatsache, daß sich die Menschheit auf dem Weg dieses Fortschrittes befindet, der letztendlich zur vollständigen Befreiung bzw. Freiheit des einzelnen Menschen führen wird. Das Gesellschaftsideal des anarchistischen Kommunismus entspricht dem von Kropotkin formulierten Ziel des Fortschrittes, nämlich der Freiheit aller, die sich in die ökonomische und politische Freiheit aufgliedert, und somit auch dem Entwicklungsziel der Menschheit.

Der Staat

In der Theorie Kropotkins stellt der Staat ein Hemmnis für den Fortschritt der Menschheit und die Entwicklung der politischen Freiheit dar. Kropotkin weist darauf hin, daß es schon lange bevor Staaten bestanden, Formen des sozialen Lebens gab, daß also Staat nicht notwendige Bedingung zur Organisierung des gemeinschaftlichen Lebens ist. Ganz im Gegenteil verhindert der Staat die Formen des sozialen Lebens, die auf Gleichheit, Freiheit, Solidarität und Eigeninitiative beruhen und die somit die fortschrittlichsten Formen seien: "Wir sehen in ihm (den Staat) eine Einrichtung, die im Laufe der Geschichte der menschlichen Gesellschaften entwickelt wurde, um die Anknüpfung von Verbindungen zwischen den Menschen zu hindern, um die Entfaltung der lokalen und individuellen Initiative zu hemmen, um bestehende Freiheiten zu zermalmen und um das Aufkeimen neuer zu verhindern." In seiner Kritik der neuzeitlichen Staaten, deren Entstehung Kropotkin im 16. Jahrhundert ansetzt, beschreibt er diese Staaten als die "Bildung jener Versicherung auf Gegenseitigkeit zwischen der Militär-, Gerichts-, Grundherrn-, und Kapitalautorität", die "zu dem Zwecke geschlossen ist, einander die Herrschaft über das Volk und eine überlegene wirtschaftliche Position auf deren Kosten zu sichern". Die Existenz der neuzeitlichen Staaten sieht Kropotkin eng mit der Existenz des Kapitalismus verbunden, so beschreibt er den Staat als Förderer, Stütze sowie als direkten oder indirekten Schöpfer des Kapitals, der durch seine Macht die Ungleichheit und Ausbeutung innerhalb der bestehenden Gesellschaft zu schaffen hilft und legitimiert. Kropotkins scharfe Kritik an diesen Funktionen des Staates, die nur den Herrschenden dienen und der Masse des Volkes Elend, Abhängigkeit und Unfreiheit bescheren, ist begleitet von der Überzeugung, daß der Staat in Kürze verschwinden und die Gesellschaft durch die herrschaftsfreie, sprich anarchistische Gesellschaft ersetzt wird.35 Für dieses Ende des Staates sieht Kropotkin in den damaligen Gesellschaften vielfältige Tendenzen36, so daß er zu dem Schluß kommt, daß die Völker danach trachten "seine Gewalt zu zerstören, die lediglich ihre Entwicklung hemmt, sie wollen die Selbständigkeit der Provinzen, Gemeinden und Arbeitsgruppen, wollen sich keiner Herrschaft fügen, sondern sich frei miteinander verbinden." Die auf Selbständigkeit beruhende freiwillige Verbindung, die in Kropotkins Theorie als freie Vereinbarung bezeichnet wird, ist schon innerhalb der bestehenden Staates zu einer wichtigen Form der Organisation gemeinschaftlichen Handelns geworden (z.B. Eisenbahngesellschaften, Rettungsgesellschaften für Schiffbrüchige, Rotes Kreuz, etc.).38 Mit der Durchsetzung des anarchistischen Kommunismus wird diese freie Vereinbarung zur Grundlage der gesamten Organisation des sozialen Lebens und beinhaltet die politische Freiheit. Aufbauend auf vielfältigen Verbindungen zwischen Ortsgemeinden/Kommunen (territorial bestimmte Einheiten), die sich in Werksgemeinden (Gruppierungen aufgrund sozio-ökonomischer Faktoren) und Wahlgemeinden (durch persönliche Affinität gegründete Einheiten)39 aufteilen, wird sich die Gesellschaft in "freier Gliederung vom Einfachen zum Zusammengesetzten" entwickeln. So wird jede "Gruppe der Kommune notwendigerweise zu gleichartigen Gruppen anderer Kommunen enge Beziehungen unterhalten und sich mit ihnen föderieren. (...) Diese Gruppenverbindung wird also eine Interessenskommune bilden, deren Mitglieder über Tausende von Städten und Dörfern verstreut sind". Die Interressenskommunen oder Föderationen besitzen gegenüber den einzelnen Kommunen bzw. einzelnen Gruppen einer Kommune keine Herrschaftsbefugnisse, Kropotkin versteht sie lediglich als Einrichtungen, die auf dem Wege der freien Vereinbarung, des gegenseitigen Einvernehmens im Sinne der in obigen Teil beschriebenen "Gegenseitigen Hilfe" mehrerer Gruppen und nicht durch den Mehrheitsbeschluß einiger Delegierter notwendige und sinnvolle Entscheidungen für die Gemeinschaft treffen werden. Das auf der freien Vereinbarung basierende "Anarchie-Ideal" der anarchistisch-kommunistischen Gesellschaftsordnung faßt Heinz Hug treffend zusammen als ein "amorphes Nebeneinander verschiedenster Gruppen, die es dem Individuum erlaubt, seinen Platz im vielfältig geknüpften sozialen Netz zu finden und zwar nicht im Sinne einer Einordnung bzw. Unterordnung in staatlichen Institutionen oder einer mit hoher sozialen Kontrolle ausgestatteten Großfamilie." Die Kommune, die Kropotkin auch als Gruppierung von Gleichgesinnten beschreibt ist "organischer" Ausgangspunkt der neuen Gesellschaft. Als Summe aller Gleichgesinnten eines Gebietes steht sie mit jedem einzelnen Mitglied der Kommune in einem imaginären Vertragsverhältnis, das den einzelnen Menschen Pflichten gegenüber der Gemeinschaft übernehmen läßt (eine bestimmte Zeit in frei wählbaren Werksgemeinden für die Reproduktion der Gesellschaft zu arbeiten) und die Gemeinschaft für ihre einzelnen Mitglieder zu gewissen Leistungen verpflichtet (Anspruch auf Waren zur Befriedigung der Bedürfnisse nach Essen, Schlafen, Wohnen, Kultur, etc.). Diese Selbstverpflichtung zur Arbeit als Grundlage für die Güterbereitstellung zur materiellen Bedürfnisbefriedigung wird in der anarchistisch-kommunistischen Gesellschaft auf der allgemeinen Einsicht der Notwendigkeit einer produktiven Arbeit zum Erhalt für den Fortbestand der Gemeinschaft beruhen.

Das Gesetz

Mit der Einführung des anarchistischen Kommunismus wird mit dem Staat auch das Gesetz verschwinden, da es einer freien und gerechten Gesellschaftsordnung hinderlich ist. Für Kropotkin stellt das geschriebene Gesetz das Machtmittel dar, mit welchem der Staat die Bevölkerung unterdrückt, so hat das Gesetz nur "eine Mission, die Aufrechterhaltung der Privilegien der Machthaber über das Volk." In seiner Kritik an der Gesamtheit des geschriebenen Rechts unterscheidet Kropotkin zwischen drei Gruppen von Gesetzen, die Gesetze zum Schutz des Eigentums, die Gesetze zum Schutz der Regierung und die Gesetze zum Schutz der Person, die er allesamt ablehnt. Die Gesetze zum Schutz des Eigentums verwirft Kropotkin für die anarchistische Gesellschaft, weil sie die Ungleichverteilung von Produktionsmitteln und Waren einer Gesellschaft legitimieren und die durch Ausbeutung des Menschen durch den Menschen entstandenen Reichtümer zum unberührbaren Eigentum weniger erklären.48 Die Gesetze zum Schutz der Regierung, die er ebenfalls ablehnt, sind dafür geschaffen worden, die bestehenden ungerechten Herrschafts- und Besitzverhältnisse zu erhalten49, wobei es für Kropotkin unerheblich ist, welche Organisationsform ein Staat hat. Auch die Gesetze zum Schutz der Person lehnt Kropotkin ab. Er hält diese Gesetze in einer Gesellschaft für entbehrlich, da sie eine moralische, ethische Haltung des Menschen erzwingen wollen, für die es seiner Meinung nach keines Zwanges bedarf, da diese Haltungen durch das gesellige Zusammenleben der Menschen natürlicherweise entstehen.50 Die Menschen an sich entwickeln nach Kropotkin, insofern sie nicht durch staatliche Organisationen verdorben sind, nicht notwendiger Weise Verhaltensweisen, die für das Zusammenleben der Gemeinschaft schädlich sind. Für Kropotkin ist das geschriebene Gesetz als Ganzes in diesem Sinne eine "geschickte Mischung aus solchen Gewohnheiten, die der Gesellschaft nützlich sind und auch ohne Gesetz befolgt werden würden und anderen, die für die herrschende Minderheit von Vorteil, den Massen aber schädlich und nur durch Furcht und Schrecken aufrechtzuerhalten sind." In der Gesellschaft des anarchistischen Kommunismus wird es dann auch kein geschriebenes Recht geben. Anstelle des geschriebenen Rechts wird die anarchistisch-kommunistische Gesellschaft durch ungeschriebene Gewohnheiten, d.h. durch Gewohnheitsrecht geordnet sein. Das gesamte soziale Leben wird mittels des Gewohnheitsrecht, das aus "denjenigen Gefühlen und Betätigungen der Brüderlichkeit und Solidarität besteht, die unausbleibliche Folge des gesellschaftlichen Zusammenlebens" sind (siehe oben), geregelt. Dieses Gewohnheitsrecht wird genügen, um "das gute Einvernehmen aufrechtzuerhalten." Eine Gesellschaft die so organisiert ist, hat erkannt, daß sogenannte "Verbrecher" Unglückliche sind und nicht durch Gesetze und autoritäre Strafen, wie Gefängnis, Züchtigung oder Hinrichtung zu bessern sind, sondern einzig und allein "durch brüderliche Pflege, menschenwürdige Behandlung und einen lebhaften geselligen Verkehr mit rechtschaffenden Leuten." Unter der Voraussetzung, daß die politische und ökonomischen Ordnung im Sinne des anarchistischen Kommunismus organisiert ist, wird es überhaupt nur noch sehr wenige Verbrechen geben, da deren Hauptursachen, die von Gesetz und Autorität geschützten auf Ausbeutung und Unterdrückung angelegte ungerechte Eigentumsordnung und politische Herrschaft, verschwinden werden "Darum lehrt der Anarchismus: Eine freie und gerechte Gesellschaft kann nur dort sein und entstehen, wo es keine Gesetze und keine Richter mehr gibt! Die Freiheit, die Gleichheit und die Ausübung der Solidarität sind die einzig wirksamen Schutzwehren, welche wir den antisozialen Instinkten Einzelner innerhalb der Gesellschaft entgegenstellen können."

Die Wirtschaft

In Kropotkins Theorie des anarchistischen Kommunismus umfaßt die Durchsetzung der Freiheit des Einzelnen als Voraussetzung für eine freie und gerechte Gesellschaft neben der politischen auch die ökonomische Freiheit, daher ist es sinnlos "von Freiheit zu sprechen, solange wirtschaftliche Sklaverei besteht". Der Kapitalismus der bürgerlichen Staaten Europas steht für Kropotkin für diese Sklaverei. Das Wesen des Kapitalismus besteht darin, für Wenige Reichtum und für die große Masse Armut zu schaffen.Die private Aneignung von Produktionsmitteln und Gütern in den Händen Weniger führt nach Kropotkin dazu, daß nicht das produziert wird, was für die Masse notwendig wäre. Diese Produktionsweise ist ein charakteristischer Wesenszug des Kapitalismus und in diesem System nicht reformierbar. Zwangsweise richte sich die Industrie jetzt und weiterhin nicht danach, die Bedürfnisse aller zu befriedigen, sondern danach, was in einem gegebenen Augenblicke einigen Wenigen die größten momentanen Überschüsse bringt. In diesem Wirtschaftssystem muß also zwangsläufig der Reichtum der einen auf der Armut der anderen begründet sein. Die in allen europäischen Staaten des 19. Jahrhunderts zu beobachtende Armut und Unterdrückung weiter Bevölkerungsteile sind somit kein korrigierbarer Fehler des kapitalistischen Systems, sondern seine Grundlage, denn es muß in diesem System genug Menschen geben, die sich für einen Teil dessen verkaufen, was sie fähig sind zu produzieren. In Abgrenzung zu den Marxisten sieht Kropotkin die Übelstände in den kapitalistischen Gesellschaften weniger in der Tatsache begründet, daß der Kapitalist sich den Mehrwert aneignet, sondern vielmehr darin, daß dieser Mehrwert überhaupt möglich ist. Für Kropotkin besteht die Möglichkeit der Aneignung des Mehrwerts/Reingewinns nur, "weil Millionen von Menschen sich buchstäblich nicht ernähren können", ohne ihre Kräfte oder ihre Intelligenz zu einem Preis zu verkaufen, der einen Mehrwert erst möglich macht. Kropotkin geht in seiner Theorie davon aus, daß das Wirtschaftssystem des Kapitalismus in naher Zukunft aufhören wird zu existieren und ersetzt wird durch eine Tendenz, die er schon in den damaligen Gesellschaften Europas beobachtete. Diese Tendenz beschreibt Kropotkin als die Unabhängigmachung der menschlichen Bedürfnisse von der Größe der Dienste, welche der Mensch der Gesellschaft geleistet hat oder leisten wird. In der anarchistisch-kommunistischen Gesellschaft wird diese Tendenz zum gesellschaftlichen Prinzip und kulminiert in der kommunistischen Formel "Jeder nach seinen Bedürfnissen" oder nach Kropotkin "Wohlstand für Alle". Dieser "Wohlstand für Alle" ist für Kropotkin keine Utopie, sondern in den europäischen Gesellschaften seiner Zeit erreichbar. Mit der modernen Technologie und den auf ihr basierenden Produktivkräften der Menschheit sind die materiellen Voraussetzung für eine ungeheurer Steigerung des allgemeinen Wohlstandes gegeben. Grundbedingung dieses allgemeinen Wohlstandes ist die Abschaffung des Privateigentums und somit des kapitalistischen Wirtschaftssystems. Kropotkin versteht alle materiellen Werte einer Gesellschaft als aus der Kollektivarbeit aller entstanden und somit als ein Allen überkommenes Erbe. Er fordert daher, daß der individuelle Besitz/das Privateigentum verschwinden muß und daß die Produktionsmittel als Kollektivprodukt der Menschheit wieder in Kollektivbesitz der Menschheit gelangen müssen, damit sie zu Gunsten Aller eingesetzt werden können. Im anarchistischen Kommunismus beschränkt sich das Gemeineigentum nicht nur auf die Produktionsmittel, sondern umfaßt alle Dinge, auch die produzierten Waren und Güter. Die Gesellschaft beruht auf dem Prinzip: Alles soll Allen gehören! Mit der Überführung aller materiellen Werte in Gemeineigentum wird auch das Lohnsystem abgeschafft werden. Eine Entlohnung der geleisteten Arbeit findet im anarchistischen Kommunismus weder nach qualitativer noch quantitativer Bemessung statt.66 Die Grundlage der Wirtschaftsordnung ist nicht mehr die vom Einzelnen erbrachte Leistung, sondern das Bedürfnis des Einzelnen nach Nahrung, Wohnung, Kleidung, Kulturleistungen, etc... . Erst in dieser freien Gesellschaft, in der jeder das Recht auf Wohlstand unabhängig von seiner Leistung hat, "kann die Arbeit nicht mehr als ein fluchwürdiges Los betrachtet werden". Eine so organisierte Gesellschaft wird "freiwillig eine unendlich bessere und höhere Arbeitsleistung zu Tage fördern(...), als man bisher unter dem Stachel der Sklaverei, der Leibeigenschaft und des Lohnsystems erreicht hat" und somit weiter zum Anstieg des allgemeinen Wohlstandes beitragen.. Für die Schaffung dieses Wohlstandes genügt es nach Kropotkin, daß ein jeder eine geringe Zeit für die Grundbedürfnisse arbeitet, um den ihren entsprechenden Teil des Gesamtproduktes zu erhalten. In seinem Buch "Die Eroberung des Brotes" geht Kropotkin nach einer Analyse des Gesamtbedarfes an einzelnen Gütern, den zur Verfügung stehenden Produktionsmitteln und Arbeitskräften69 von einer durchschnittlichen Arbeitszeit von ca. 5 Stunden aus, um alle zur Reproduktion notwendigen Güter und Waren zu produzieren. Die Abschaffung des Privateigentums und des Lohnsystems, sowie die Orientierung der Produktion an den Bedürfnissen der Menschen kann sich in Kropotkins Theorie nur in einer dezentralen Neugestaltung der Wirtschaft verwirklichen lassen. Die neuen Wirtschaftszentren werden die Kommunen darstellen, die föderiert mit anderen Kommunen ein Wirtschaftsnetz aufbauen werden, das jedem Einzelnen die Bedürfnisbefriedigung sichern und damit die ökonomische Befreiung der Menschen verwirklichen wird. Das Ziel des anarchistischen Kommunismus ist es aber nicht nur die materiellen Bedürfnisse eines Jeden zu befriedigen. Neben der Notwendigkeit zur Produktion zum Erhalt der Gesellschaft bzw. zum "Wohlstand für Alle" kommt in Kropotkins Theorie der Mußezeit eine zentrale Bedeutung zu. Während in den bestehenden Gesellschaften der Großteil der Menschheit, seine ganze Zeit und Arbeitskraft einsetzen muß, um überleben zu können und "niemals in die Lage kommt, an jenen hohen Genüssen - den höchsten, welche dem Menschen zugänglich sind - teilzunehmen, jenen Genüssen, welche die Wissenschaft und namentlich die wissenschaftliche Entdeckung, die Kunst und namentlich das künstlerische Schaffen gewähren", wird in der anarchistisch-kommunistischen Gesellschaft jedem die Möglichkeit dieser Freuden gegeben sein. Denn da für die Produktion der Existenzmittel nur ein halber Arbeitstag nötig sein wird, bleibt einem jeden genug Mußezeit "seine geistigen Fähigkeiten zu entwickeln"71. Für die Befriedigung der geistigen und künstlerischen Bedürfnisse werden sich Gruppen bzw. Gesellschaften von Gleichgesinnten bilden(Wahlgemeinden, z.B. für die Astronomie(auch zum Bau von Teleskopen), für die Schriftstellerei (auch zur Herstellung von Büchern), für die Musik (auch zur Herstellung von Instrumenten, etc.)) und "tausend Gesellschaften werden entstehen, entsprechend ebenso vielen Geschmacksrichtungen und allen denkbaren Bedürfnissen." Die Möglichkeit eines Jeden, die individuellen Neigungen zu befriedigen, ist integraler Bestandteil der anarchistischen Gesellschaft und macht für Kropotkin das Leben erst lebenswert.

Die Revolution

In Kropotkins späten Schriften ist immer deutlicher zu erkennen, daß er die gesellschaftliche Entwicklung der europäischen Staaten dahingehend interpretiert, daß das gesellschaftliche Organisationsprinzip des anarchistischen Kommunismus - die freie Vereinbarung - schon in diesen Staaten immer mehr an die Stelle von Gesetz und Zwang tritt. Dennoch wird sich der Anarchismus nicht evolutionär aus den bestehenden Staaten entwickeln. Das Studium der ökonomischen und politischen Lage führt Kropotkin zu der Überzeugung, daß "Europa schnell einer Revolution entgegenschreitet". Diese Revolution wird sich nicht auf ein Land beschränken und sie wird "nicht nur eine politische, sondern vor allem eine ökonomische Revolution sein". Nach Kropotkin kann das anarchistische Ziel - die Abschaffung des Staates - nur gelingen, wenn die ökonomischen Verhältnisse völlig umgewälzt werden. Er geht dabei davon aus, daß mit den modernen Technologien und den auf ihr basierenden Produktivkräften der Menschheit, die materiellen Voraussetzungen für eine ungeheure Steigerung des allgemeinen Wohlstandes gegeben seien, dem nur noch die kapitalistischen Eigentumsverhältnisse im Wege ständen. Als notwendige Vorbedingung für einen möglichen "Wohlstand für Alle" ist somit die Aufhebung des Privateigentums an Produktionsmitteln sowie an Grund und Boden unerläßlich: "Dies bedingt die Expropriation. Wohlstand für Alle ist das Ziel, die Expropriation das Mittel." Diese Enteignung ist für Kropotkin nur in einer Revolution denkbar, die er von Arbeitern der Stadt und des Landes getragen sieht. Ebenso wie die Revolution von diesen Arbeitern durchgeführt wird, so muß und wird auch die Enteignung von den Arbeitern selbst vollzogen werden, denn "es wäre ein großer Irrtum zu hoffen, daß irgendeine Regierung diese Enteignung durchführen wird, denn die Geschichte lehrt uns, daß die Regierungen, selbst wenn sie aus einer Revolution hervorgegangen sind, stets nur bereits vollzogene revolutionäre Tatsachen legalisieren." Nach der Abschaffung des Staates als Schutz vor dem Entstehen neuer Herrschaft hält Kropotkin "Die Eroberung des Brotes" für das vordringlichste Ziel der ersten Revolutionszeit. "Die Eroberung des Brotes", also die Übernahme der Produktionsmittel und insbesondere auch der lebensnotwendigen Güter durch das Volk stellt die sicherste Garantie für die materielle Unabhängigkeit breiter Bevölkerungsschichten dar, die das "Aushungern" der Revolution durch die Reaktion auf der einen Seite und das Wiedererstehen von Herrschaft auf der anderen Seite verhindern werde.81 Die materielle Unabhängigkeit bzw. die Versorgung mit allen lebensnotwendigen Gütern, d.h. der vollständige Bruch mit der alten Wirtschaftsordnung ist die Voraussetzung dafür, daß sich in der Gesellschaft eine neue gesellschaftliche und wirtschaftliche Organisationsform und Austauschweise herausbildet. Diese werden nach Kropotkin den Vorstellungen des anarchistischen Kommunismus entsprechen, da diese "den Erfordernissen des Lebens und den Erwartungen des Volkes und der gegenseitigen Beziehungen entsprechen". Die materielle Absicherung der Bevölkerung ist für Kropotkin das erste Ziel der Revolution, doch nicht ihr höchstes, das er in der Mußezeit sieht, in der Zeit also, die jedem Einzelnen gegeben sein muß, seinen individuellen Neigungen, geistigen und künstlerischen Bedürfnissen nachzugehen. Damit sich aber die Revolution überhaupt in diesem Sinne vollzieht, bedarf es der Propagandatätigkeit. Kropotkin sieht es als wichtigste Aufgabe aller anarchistischer Kommunisten und ihrer Organisationen an, die Menschen auf die bevorstehende Revolution vorzubereiten. Es gilt das Ziel der Revolution bekannt zu machen: "In Wort und That ist es zu verkünden, bis es durchaus volkstümlich wird, so daß es am Tage der Erhebung in aller Munde ist." An diesem Punkt schließt sich dann auch wieder der Kreis zu Kropotkins eigener theoretischer Tätigkeit. Denn erst die von ihm geleistete Darstellung der anarchistisch-kommunistischen Gesellschaft, ihrer Organisationsprinzipien, Voraussetzungen und Grundlagen beschreibt das in der Propaganda zu verbreitende Ziel der Revolution und macht so eine Revolution im Sinne bzw. in der Ausformung Kropotkins überhaupt erst möglich.