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Fragenübersicht Lassen sich Klerikalfaschismus und Nationalsozialismus unterscheiden?
1 - 7 / 7 Meinungen
21.07.2022 06:33 Uhr
Bei "Klerikalfaschismus" faellt mir Italien jetzt nicht unbedingt als erstes ein. Da gibt es andere Kandidaten:
Oesterreich, Spanien, Slowakei... also Laender, bei denen der Klerus direkt an der "Staatsfuehrung" beteiligt waren.

Diese Meinung wurde zuletzt geändert am 21.07.2022 06:34 Uhr. Frühere Versionen ansehen
21.07.2022 08:10 Uhr
Beim Klerikalfaschismus stützt sich die faschistische, diktatorische Herrschaftsform auf ein traditionelles gesellschaftliches Element. Hier den Klerus, dessen Rolle somit zentral wird für das faschistische Herrschaftsgebälk.

Beim Nationalsozialismus hingegen war das faschistische Herrschaftselement eine aus dem Boden gestampfte Partei mit ihren entsprechenden Parteigliederungen und ihrer Bürokratie. Ich würde sagen, dass der Nationalsozialismus die faschistische Herrschaftsform eines säkularen Industriestaates ist.
21.07.2022 09:37 Uhr
Ich würde hier die Differenzierung auch wie Kettenbruch angehen, dass man in den sogenannten "klerikalfaschistischen Regimen" auf eine traditionelles Element aufbaut, während der Nationalsozialismus aus einem revolutionären Eck kommt, welche auf eine andere und in Teilen auch neue Gesellschaft aufbaut. Der Nationalsozialismus in sich ist kirchenfeindlich und antiklerikal, wo er radikalisiert auch auf die Basis des nationalen Lagers aufbaut.

Im weiteren Rahmen ist wohl auch die Art und Weise der Durchsetzung der eigenen Absicherung eine andere. Die Differenz ist hier auch im Umgang mit dem politischen Gegner zu sehen. Während das totalitäre NS-Regime den politischen Gegner in der Gefangenenhierachie nach unten siedelte, ist wohl dieser Umgang in den autoritären Regimen nicht so zu sehen.

Im weiteren Rahmen ist auch der gesellschaftliche Aufbau ein anderer, wenn man sich z.b die Verfassung des Ständestaates und jene des NS-Regimes ansieht. Wäre diese umgesetzt worden, dann wäre es wohl zu einer inneren Demokratisierung gekommen, wenn auch nicht im Sinne einer Parteiendemokratie.

Und wenn man von einem Konkurrenzfaschismus spricht, wenn man an Massenorganisationen und Massenaufmärsche denkt. Das ist in meinen Augen nicht spezifisch nationalsozialistisches. Allenfalls etwas nationalsozialistisch perfektioniertes. Das hatten damals alle so drauf. Das war eine Notwendigkeit in den damaligen Zeiten als Massenmedien wie Radio erst am Anfang waren. Irgendwo mal aufgeschnappt, dass der Organisationsgrad der ÖVP im Relation zu ihren Wählern knapp nach dem Krieg bei 40-50 Prozent lag.

Im weiteren Rahmen war sicher der totalitäre Griff nach dem Menschen ein total anderer in beiden Staaten.

21.07.2022 11:12 Uhr
Ich glaube, dass der Nationalsozialismus, also die Form des Faschismus in Deutschland, eigentlich die volle Ausprägung der faschistischen Form der Diktatur gewesen ist. Alles andere, angefangen von Mussolini bis Franco in Spanien oder Tiso in der Slowakei oder auch Österreich, war stellenweise inkonsequent.

Im Nationalsozialismus aber, bei der der Staat nicht einfach nur diktatorisch durchstrukturiert, sondern teilweise in völliger auch verwaltungstechnischer Rechtsunsicherheit zersetzt und durch eine Polykratie ersetzt wurde, bei der am Ende nur das Wort des Führers darüber entschied, was gemacht wurde, ist der Faschismus als totalitäre Herrschaft am konsequentesten ausgeprägt.

Wenn die demokratische Willensbildung als mehr oder weniger freie Auseinandersetzung unterschiedlicher Ansichten beseitigt werden soll, dann besteht das Problem, dass die Bürokratie der Herrschaft jegliche Spontaneität und Kreativität erstickt. Die Kunst besteht also darin, einerseits totalitär zu herrschen, aber andererseits sozusagen flexibel reagieren zu können. Und daher bedarf es in einer totalitären Herrschaft konkurrierender Institutionen, in denen Satrapen ihren Kompetenzkrieg ausführen, aber gleichzeitig der Herrschaftspyramide verpflichtet sind. Die ideale totalitäre Herrschaft ist strikt organisierte Gesetzlosigkeit. Hannah Arendt hat das in ihrem Werk "Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft" sehr gut beschrieben. Und Orwell hat das literarisch bis in die letzte Konsequenz verarbeitet.

Das Herrschaftssystem muss jedem das Gefühl geben, dass er morgen entweder im KZ landet oder eine Auszeichnung bekommen könnte.

Und sowas ist mit einer monolithischen traditionellen Herrschaftsinstitution nicht zu machen. Da muss etwas Dynamisches her.
21.07.2022 11:24 Uhr
"während der Nationalsozialismus aus einem revolutionären Eck kommt, welche auf eine andere und in Teilen auch neue Gesellschaft aufbaut. Der Nationalsozialismus in sich ist kirchenfeindlich und antiklerikal, wo er radikalisiert auch auf die Basis des nationalen Lagers aufbaut."

Auch der Faschismus unter Mussolini war eine "revolutionaere Bewegung", wollte einen "Neuen Menschen" erschaffen (man braucht zb nur die Skulpturen aus dem faschistischen Italien, Nazideutschland und der Sowjetunion anschauen um zu erkennen, dass es da viele Gemeinsamkeiten gib) und war auch antiklerikal.
21.07.2022 11:26 Uhr
Und dann gibt es zu den faschistischen Regimen ja noch die Analogien in den stalinistischen Regimen des Ostblocks.

Wenn ich an die DDR zurückdenke und das mit dem vergleiche, was es im Deutschen Reich von 1933 bis 1945 oder in Österreich von 1932 bis 1938 gegeben hat, dann scheint mir die Organisation der Herrschaft in der DDR sowas wie ein Austrofaschismus mit sächsischem Dialekt gewesen zu sein.

Zwar wird die Herrschaft der SED immer an der Praxis des Dritten Reichs gemessen und verglichen. Aber eigentlich war die DDR als Staat und Gesellschaft eher eine durchgeplante, sich dahin schleppende Bürokratie aus lauter "Kammern", "Sektionen", "Bereichen" usw. die aber aus sich heraus kaum untereinander Heckenschützenkriege ausführten. Es gab auch keinen Führer, sondern eine "Nationale Front", die irgendwie an die "Vaterländische Front" erinnerte.

Diese Meinung wurde zuletzt geändert am 21.07.2022 11:27 Uhr. Frühere Versionen ansehen
21.07.2022 11:42 Uhr
@buccaneer60

Ich würde hier aber einen strikteren Trennstrich zwischen den jeweiligen Regimen wie Österreich und Spanien und Italien setzen.

Wir haben doch bei Mussolini auch einen sozialistischen Hintergrund, der sich sicher auch später noch auswirkt.

Das haben wir bei Franco und Österreich bestimmt nicht.

Und es gibt doch auch die Aussage aus dem spanischen Bürgerkrieg, der von hoher deutsche Seite gefallen sein soll, dass man aufgrund der tiefkatholischen Wurzeln möglicherweise auch auf der falschen Seite kämpft.

Auch bei den NS-führenden kamen doch immer wieder eine Sympathie für dieses oder jenes in Sowjetunion durch. Sei es Propaganda, sei es Umgang mit politischen Gegnern, sei es auch in der Rücksichtslosigkeit Stalins. Letzteres natürlich nur vor dem Krieg. Später hat man sich da bekannterweise weniger zurückgehalten.
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