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Fragenübersicht Hätte das Deutsche Reich bei seiner Gründung 1871 auf die Annexion Elsaß-Lothringens lieber verzichten sollen?
1 - 17 / 17 Meinungen
27.07.2020 13:26 Uhr
Aber ob das gereicht hätte, um Frankreich später aus dem ersten Weltkrieg rauszuhalten oder sogar an die Mittelmächte zu binden?
27.07.2020 13:31 Uhr
Jedenfalls war es falsch Elsass-Lothringen als Reichsland direkt dem preußisch-protestantischen Kaiser zu unterstellen. Eine starke Eigenständigkeit (welche einst die Blüte des Elsass ausmachte) wäre deutlich besser gewesen - und hätte den Schwarzen Peter Frankreich zugeschoben, wenn es wieder annektieren würde.
27.07.2020 13:48 Uhr
Die Annexion war - ebenso wie die Kaiserproklamation in Versailles - ein politischer Fehler. Damit wurde die Feindschaft Frankreichs zementiert.

Allerdings war sie aus deutscher militärischer Sicht unumgänglich. Die Kontrolle über den Vogesenkamm machte Angriffe aus dem französischen Raum auf das deutsche Kernland jenseits des Rheins praktisch unmöglich. Es spricht Bände, dass die Franzosen im Ersten Weltkrieg die Vogesen nicht überwinden konnten.

Zudem musste Bismarck die deutsche Öffentlichkeit, seine Militärs und seinen König befriedigen. Schon 1866 hatte man auf Gebietsforderungen auf das unterlegene Österreich verzichten müssen. Nun sollte eben Frankreich mit Territorialverlust büßen, was man an Österreich versäumt hatte.

Das war die Logik der Politik im 19. Jahrhundert: Anstatt auf dauerhaften Frieden setzte man auf nationales Prestige und militärische Absicherung. Das war im Rückblickk eine kurzsichtige Politik, was sich 1914 ff. rächte.
27.07.2020 13:50 Uhr
@Optimist

Das war auch mein erster Gedanke. Nachdem man 1866 gegenüber Österreich verzichtet hat und damit die Tür nicht zuschlug, hat man sich halt an Frankreich angetobt.

Der Gedanke wird wohl nicht so weit weg von der Realität sein.

Die Frage ist aber auch, hätte man wirklich Frankreich an Deutschland mit einem milden Frieden gebunden.

Wohl kaum.
27.07.2020 14:18 Uhr
@Autriche
Österreich war damals eine deutsche Brudernation, gegen die sich kein nationaler Hass richtete. Frankreich hingegen war seit den Tagen des ersten Bonaparte der Erbfeind der Deutschen schlechthin. War gegenüber Österreich eine maßvolle Politik möglich, musste Frankreich à tout prix niedergeworfen werden.

Indessen glaube ich, dass in Frankreich, das weder eine Kaiserproklamation auf seinen Boden hinzunehmen noch Elsaß-Lothringen eingebüßt hatte, sich die zahlreichen vernünftigen Kräfte durchgesetzt hätten.

Aber das war 1870/71 verspielt worden.
27.07.2020 14:30 Uhr
Zitat:
Frankreich hingegen war seit den Tagen des ersten Bonaparte der Erbfeind der Deutschen schlechthin. War gegenüber Österreich eine maßvolle Politik möglich, musste Frankreich à tout prix niedergeworfen werden.


Hier geht es nicht nur um den Feind, es geht um "urdeutsches" land.

Es wäre innenpolitisch nicht möglich gewesen auf das deutsche Elsass zu verzichten und es bei den Franzosen zu lassen.
27.07.2020 14:31 Uhr
Zitat:
Es spricht Bände, dass die Franzosen im Ersten Weltkrieg die Vogesen nicht überwinden konnten.


Was haben sie denn sonst so alles überwunden?
27.07.2020 14:43 Uhr
Wegen Österreich und der Schmähung als Schlappschwänze.

Da kamen im Herbst 1918 österreichische Artillerie an die Westfront. Die k.u.k Geschütze hatten durchaus einen guten Ruf.

Wurden als Kriegsverlängerer und Schweinehunde beschimpft...
27.07.2020 15:33 Uhr
Aus damaliger Sicht war die Annektion des "urdeutschen" Gebietes unvermeidbar und richtig. Sie wurde aber denkbar schlecht umgesetzt.

Die Kaiserproklamation in Versailles hingegen war ein schwerer und überflüssiger Fehler.
27.07.2020 18:29 Uhr
Zitat:
Hier geht es nicht nur um den Feind, es geht um "urdeutsches" land.


Das wird natürlich so abstrakt von kettenhund festgestellt. Deutsche Verwaltungsbeamte, die in die Elsaß nach 1871 versetzt wurden, stellten allerdings ernüchtert fest, dass die Elsässer keineswegs durchweg von Deutschland begeistert waren, dass die ziemlich Frankreich-affin dachten und dass das Zugehörigkeitsgefühl zu Deutschland außerdem von der Konfession abhängig gewesen ist.

Außerdem ist hier auch die Zabern-Affaire Ende 1913 zu erinnern. Ein Leutnant die elsässische Bevölkerung beleidigt hatte. Das Militär reagierte auf die Proteste mit rechtlich nicht gedeckten Willkürakten. Diese Übergriffe führten zu einer Reichstagsdebatte über die militaristischen Strukturen der deutschen Gesellschaft und die Stellung der Reichsleitung im Verhältnis zu Kaiser Wilhelm II. Die Affäre belastete nicht nur das Verhältnis zwischen dem Reichsland Elsaß-Lothringen und dem übrigen Deutschen Reich schwer, sondern führte auch zum ersten Missbilligungsvotum in der deutschen Geschichte gegen einen Reichskanzler und zu einem erheblichen Ansehensverlust des Kaisers und des Militärs.

Ende 1913. 42 Jahre nach Anschluss des Elsaß an das Deutsche Reich, nach dem Heranwachsen einer neuen Generation dort, die durchaus sich an das Deutsche Reich orientiert, kommt ein Leutnant aus dem Deutschen Reich dort hin und führt sich wie das letzte Arschloch auf und erklärt vor der angetretenen Truppe, es schade nichts, ein paar von den elsässischen Wackes über den Haufen zu stechen.

Aber mal abgesehen von all dem: Eine Konstellation schaffen, bei der Bismarck das Deutsche Reich als unverzichtbaren "ehrlichen Makler" in Europa etablieren will, um den Gegnern keinen Anlass zu Koalitionen gegen das Deutsche Reich zu bieten, das geht grundsätzlich nicht, wenn schon von Anfang an klar ist, dass dies alles nur dazu dient, um mit Frankreich fertig zu werden, weswegen Frankreich auch draußen bleiben muss.

Es war beinahe zwangsläufig so, dass dann am Ende eine englisch-französische und schließlich eine englisch-französisch-russische Entente dabei herauskam.

27.07.2020 19:51 Uhr
Zitat:
Außerdem ist hier auch die Zabern-Affaire Ende 1913 zu erinnern.


Das war 50 Jahre später.

1871 sah die Lage anderst aus.

Man kann auch das heutige Elsass nicht mit dem in den 1970ern vergleichen, als es noch fast ausschliesslich von deutschen Muttersprachlern besiedelt war.
27.07.2020 20:03 Uhr
Zitat:
Außerdem ist hier auch die Zabern-Affaire Ende 1913 zu erinnern. Ein Leutnant die elsässische Bevölkerung beleidigt hatte. Das Militär reagierte auf die Proteste mit rechtlich nicht gedeckten Willkürakten. Diese Übergriffe führten zu einer Reichstagsdebatte über die militaristischen Strukturen der deutschen Gesellschaft und die Stellung der Reichsleitung im Verhältnis zu Kaiser Wilhelm II. Die Affäre belastete nicht nur das Verhältnis zwischen dem Reichsland Elsaß-Lothringen und dem übrigen Deutschen Reich schwer, sondern führte auch zum ersten Missbilligungsvotum in der deutschen Geschichte gegen einen Reichskanzler und zu einem erheblichen Ansehensverlust des Kaisers und des Militärs.


Das ist ein sehr guter Punkt, zu dem ich nur zwei Anmerkungen beisteuern will:

- Viele Historiker gehen davon aus, dass dieses Ereignis ein Zeichen für zunehmendes Versagen und Machtlosigkeit des Kaisers bei der Personalauswahl war
- Viele Rechtshistoriker gehen davon aus, dass dieses Midsbilligungsvotum der Beginn der heute bekannten parlamentarischen Kontrolle dahingehend war, dass es auch begann, erheblichen Einfluss auf die öffentliche Meinung auszuüben

27.07.2020 20:35 Uhr
Was hier natürlich vergessen wird,
hätte Deutschland damals auf das Elsass verzichtet, hätten die Nachfolger früher oder später einen Krieg begonnen um dieses "Versehen" zu korrigieren.
27.07.2020 22:39 Uhr
Ich denke, in der damaligen politischen Logik wäre das schlicht nicht möglich gewesen.

Was ggf. ginge, wäre, die Region zu annektieren, ihr aber weitestgehende Selbstverwaltung einzuräumen. Da wären auch Widerstände auszuräumen, aber wenn Bismarck so weitsichtig wäre und es mit aller Macht wollte, hätte er das wohl hingekriegt.
28.07.2020 09:59 Uhr
Zitat:
Zitat:
Außerdem ist hier auch die Zabern-Affaire Ende 1913 zu erinnern.


Das war 50 Jahre später.

1871 sah die Lage anderst aus.

Man kann auch das heutige Elsass nicht mit dem in den 1970ern vergleichen, als es noch fast ausschliesslich von deutschen Muttersprachlern besiedelt war.


@kettenhund

Du scheinst es nicht kapiert zu haben. 1871 war ein beträchtlicher Anteil der Elsässer frankophil und keineswegs "deutsch gesinnt". Die so genannten "Autonomisten" stellten einen erheblichen Teil der gewählten Volksvertreter dort. 1913 jedoch war die Lage erheblich anders. Und gerade 1913 ereignete sich die Zabernaffaire, in der ein Deutscher aus dem Reich die lokale elsässische Bevölkerung beleidigte.

28.07.2020 10:04 Uhr
Ich habe bei mir zu Hause ein Buch stehen: "Deutsche Geschichte", geschrieben 1934 von Richard Suchenwirth. Suchenwirth war ein österreichischer Nazi. Und der schreibt in dem Buch über Elsass-Lothringen, dass dieses Reichsland nicht in das Reich hineinwuchs und dass er die preußische Verwaltung als "Reichsland" als Fehler ansah. Er hätte es lieber gesehen, jedenfalls das Elsaß von Badener Verwaltungsfachleuten regiert zu sehen.

Bezeichnend ist außerdem, dass das Dritte Reich Elsaß-Lothringen nach dem Sieg über Frankreich formell gar nicht annektierte. Es blieb ein CdZ-Gebiet.
09.08.2020 01:07 Uhr
Zitat:
Du scheinst es nicht kapiert zu haben. 1871 war ein beträchtlicher Anteil der Elsässer frankophil und keineswegs "deutsch gesinnt"


Das ist eben eine Lüge.
Das Elsass war bis in die 80er des 20 Jahrhundert im Herzen deutsch, und auch heute noch ist es unleugbar.

Das was du als Frankophil siehts, das sie nicht jeden Franzmann gleich umgelegt haben und das sie auf der anderen Seite des Rheins gelebt haben und man da auch taktisch gedacht haben.

Die Elsässer die die letzten hundert Jahre gelebt haben, haben die Franzosen immer "Hasen" genannt.
Weil wenn die deutschen gekommen sind die Franzosen immer gerannt sind wie die Hasen.
Aber Sie haben auch erlebt wie sich das Blatt wendet und sich deswegen natürlich auf "Schimpfworte" für die deutschen Überlegt.
Natürlich wäre ihnen eine freies deutsches Elsass am liebsten gewesen.
Aber da haben zwei europäische Mächte nicht mitgespielt.

Diese Meinung wurde zuletzt geändert am 09.08.2020 01:07 Uhr. Frühere Versionen ansehen
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