Thema: pro & contra: § 173 StGB "Inzest-ParagrafNeuer Beitrag
Von: foofighter Le Petit Prince 21.06.2012 23:13 Uhr
28.02.2007

pro & contra: § 173 StGB "Inzest-Paragraf"

pro

Wenn es um die Abschaffung eines Gesetzes geht, so muss man sich besser im ersten Schritt fragen, was ein Gesetz überhaupt bedeutet. Sicher ist es im ersten Sinne die Summe seiner Worte in einer Tatbestand-Rechtsfolge-Syntax. Als solches muss es sich logischen Argumenten beugen und wo es keine substantiellen Gründe für seine Existenz gibt, gehört es aus dem umfangreichen Kodex der Rechtsnormen gestrichen.

Doch ein Gesetz ist mehr. Ein Gesetz ist ein Baustein in einem Wertgerüst. Es gibt einen Geist der Gesetze, der sich nicht über die reine Analytik von Syntax und Semantik erschließen lässt. Wie in der Sprache wird den Geist eines Gesetzes und den ihm zugrunde liegenden Wert nur erkennen, wer sich auf den Umgang damit und die Einordnung in das gesellschaftstragende Gerüst einlässt.

Der §173 ist ein solcher Baustein im Wertegerüst einer Gesellschaft, die mehr als alles andere eines solchen Korsetts von Gemeinsamkeiten bedarf. Ihn zu entfernen, weil es scheinbar keine Grundlage gibt, auf die sich dieses Gesetz stützt, bedeutet, das gesamte Normenwerk zu destabilisieren, solange man keinen tragenden Ersatz hat. Es mag Einzelschicksale geben, für die eine Norm gegenwärtig als Benachteiligung erscheint. Deswegen eine Norm aufzugeben, die für den Allgemeinfall geschaffen wurde und als Band für die Gesellschaft fungiert, kann nicht im Sinne einer Gesellschaft sein.

Langfristig wird das Aufbrechen des Normen- und Wertekanons nur zum Untergang dessen führen, wozu die ersten Gesetze erlassen wurden - einer Gesellschaft, in der wir Menschen sein können.

Jarlaxle
Für die LPP





contra

Der § 173 Strafgesetzbuch (StGB), das so genannte Inzest-Verbot, sollte ersatzlos gestrichen werden. Diese Vorschrift verbietet den freiwilligen Beischlaf zwischen bestimmten nahen Verwandten. Vergewaltigung, Missbrauch von (eigenen) Kindern und sexuelle Nötigung werden nach anderen Strafvorschriften bestraft. Es entstünde durch die Streichung des § 173 StGB somit keine Strafbarkeitslücke.

Die Vorschrift hat in der Rechtspraxis keine wesentliche Bedeutung, es kommt nur äußerst selten zu Verurteilungen, die allein auf § 173 StGB beruhen. Aktuell erregt sie jedoch Aufsehen, da sie Gegenstand einer Verfassungsbeschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) ist.

§ 173 StGB schränkt die sexuelle Selbstbestimmung ein, ohne dass dafür ein vernünftiger Grund genannt würde. In der Literatur wird gelegentlich angeführt, er sei notwendig zum Schutz der Familie. Dagegen spricht jedoch, dass inzestuöse Beziehungen nicht die Familie zerstören, sondern Folge von Beziehungsproblemen in der Familie sind. Der ebenfalls manchmal angegebene Normzweck des Schutzes vor behindertem Nachwuchs ist inkonsequent und einer freiheitlichen Gesellschaft unwürdig. Erstens ist es wissenschaftlich umstritten, ob Inzest zu Erbkrankheiten führt. Zweitens verbietet § 173 StGB den Beischlaf und nicht die Zeugung. Es gibt nicht nur Zeugungen ohne Beischlaf, sondern vor allem auch Beischlaf ohne Zeugung. Dass auch dieser verboten wird, kann auf keinen Fall mit eugenischen Argumenten begründet werden. Und drittens wäre es ein Verstoß gegen die Grundlagen unserer verfassungsmäßigen Werteordnung, wenn sich der Staat das Ziel setzte, dass keine Behinderten geboren werden.

§ 173 StGB ist also inkonsequent, ein Freiheitseingriff ohne Rechtfertigung und lediglich ein Relikt aus längst vergangenen Zeiten. Er sollte, so wie in den vom napoleonischen Code Pénal beeinflussten Ländern bereits vor ca. zweihundert Jahren, nun auch in Deutschland gestrichen werden.

genschman
Für die LPP