Chat-Transkript vom 08.09.2009

Roderich Egeler, Bundeswahlleiter

Thema: Aufgaben des Bundeswahlleiters

: Roderich_Egeler hat den Raum betreten
: Roderich_Egeler hat den Raum verlassen
: Moderator hat den Raum betreten
: Roderich_Egeler hat den Raum betreten
Moderator: Guten Tag Herr Egeler. Wir haben noch ein bisschen Zeit. Um 17:00 Uhr beginnt der Chat. Ich werde mit einer kurzen Vorstellung beginnen. Danach beginnt dann die Fragerunde. Wenn Sie Fragen haben kann ich diese gern beantworten.
Roderich_Egeler: Guten Tag. Ich freue mich auf die kommenden Fragen.
Moderator: Sehr schön. Wir sind ab 17:00 Uhr sichtbar. Und dann können wir beginnen. Nach der Vorstellung werde ich die Fragen der Community einstellen (die ich bekomme).
Moderator: Wir sind nun sichtbar und können beginnen :)
Moderator: Hallo und Herzlich Willkommen bei dol2day, Herr Egeler. Mein Name ist Fred Härtelt, ich bin Chatmoderator und Altkanzler bei dol2day und werde den Chat heute moderieren.
Moderator: Zu Gast ist heute Herr Roderich Egeler. Herr Egeler ist Bundeswahlleiter. Das Thema des Chats sind die Aufgaben eines Bundeswahlleiters. Möchten Sie noch etwas von Ihrer Seite anfügen?
Roderich_Egeler: Schönen guten Tag, Herr Härtelt.
Moderator: Ok. Dann kommen wir auch gleich zur ersten Einstiegsfrage. Könnten Sie kurz erklären welche Aufgabengebiete ein Bundeswahlleiter hat?
Roderich_Egeler: Die wichtigste Aufgabe des Bundeswahlleiters ist die Organisation und Durchführung von Bundestags- und Europawahlen in Deutschland.
Moderator: Wird es in absehbarer Zeit Wahlen über das Internet geben?
Roderich_Egeler: Derzeit gibt es noch kein sicheres System, das gewährleisten kann, dass jede Wählerin und jeder Wähler nur einmal ihre oder seine Stimme abgibt und gleichzeitig das Wahlgeheimnis gewahrt bleibt. Wann diese Technik zur Verfügung steht, ist noch nicht absehbar.
Moderator: Kommen wir zu den ersten Fragen der Community.
Moderator: Frage von Croco an Roderich Egeler:    "Guten Tag Herr Egeler, kommen Sie in den Tagen vor der BTW viel in der BRD herum oder haben sie überwiegend eine Bürojob?"
Roderich_Egeler: Nein. Überwiegend sitze ich an meinem Schreibtisch in Wiesbaden, bespreche mich mit meinem Team, nehme zum Teil aber auch Termine in Berlin wahr.
Moderator: Frage von Dhana: "Wie sind die Erfahrungen beim Einsatz von Wahlcomputern?"
Roderich_Egeler: Bei den Wahlen in Deutschland, bei denen bisher Wahlcomputer eingesetzt wurden, gab es vom organisatorischen Ablauf her keine Probleme. Allerdings hat das Bundesverfassungsgericht mit seinem Urteil im März entschieden, dass Wahlcomputer derzeit in Deutschland nicht eingesetzt werden dürfen, weil sie den Voraussetzungen der Öffentlichkeit der Wahl und der Nachvollziehbarkeit der Stimmabgabe nicht genügen.
Moderator: Frage von Phönix: "Gibt es in Deutschland oder Europa Firmen oder Einrichtungen die sich auf die Technik für Online-Wahlen oder Wahlcomputer spezialisiert haben und als Experten bei entsprechenden Überlegungen in der Politik beraten? (wenn möglich ein paar Beispiele, Namen ;))"
Roderich_Egeler: Es gibt Firmen, die sich auf die Produktion von Wahlcomputern spezialisiert haben. Wieweit sie auch die Politik in dieser Frage beraten, entzieht sich meiner Kenntnis.
Moderator: Frage von McOnline an Roderich Egeler:    "Herr Egeler, eine Frage, die in dieser Community schon oftmals diskutiert wurde: in wiefern hat sich das Erscheinungsbild der "PARTEI" geändert, dass sie zur diesjährigen BTW nicht zugelassen wurde, zur letzten Wahl 2005 jedoch schon?"
Roderich_Egeler: Für jede Bundestagswahl wird vom Bundeswahlausschuss neu entschieden, welche politischen Vereinigungen als Parteien für die Wahl anerkannt werden und an der Wahl teilnehmen können. Dazu müssen die Parteien Angaben zu der Parteieigenschaft nach dem Parteiengesetz vorlegen. Bei dem Zulassungsverfahren für die Bundestagswahl 2009 hat "Die PARTEI" die Voraussetzungen insgesamt nach einstimmiger Entscheidung des Bundeswahlausschusses nicht erfüllt.
Moderator: Frage von Croco an Roderich Egeler:    "Kommt es vor das es zu Fehlern auf den Wahlzetteln kommt und dies erst unmitelbar vor der Wahl bemerkt wird? Was wird dann gemacht?"
Roderich_Egeler: Ja, solche Fälle gibt es. In jedem Einzelfall muss dann entschieden werden, ob der Fehler so gravierend ist, dass die Stimmzettel neu gedruckt werden müssen.
Moderator: Frage von alzibiades an Roderich Egeler:    "Grüß Gott, Herr Egler, wie können Deutsche im Ausland an der Bundestagswahl teilnehmen und ist es jetzt so, dass es keinen Ausschluss vom Wahlrecht für Deutsche mehr gibt, die seit mehr als 25 Jahren außerhalb der Eu wohnen?"
Roderich_Egeler: Deutsche, die dauerhaft im Ausland leben und nicht mehr hier gemeldet sind, mussten bis zum 6. September bei ihrer letzten Heimatgemeinde einen Antrag auf Eintragung in das Wählerverzeichnis stellen und können dann per Briefwahl ihre Stimme abgeben. Tatsächlich sind Deutsche, die länger als 25 Jahre außerhalb der Mitgliedstaaten des Europarats leben, nun nicht mehr von der Wahl ausgeschlossen.
Moderator: Frage von koliba an Roderich Egeler:    "Wie genau (in Prozent) ist ein amtliches Endergebnis einer Bundestagswahl und müsste bei einem sehr knappen Ausgang erneut ausgezählt werden?"
Roderich_Egeler: Das amtliche Endergebnis stimmt bis auf die letzte Stimme. Das vorläufige amtliche Wahlergebnis kann von dem amtlichen Endergebnis geringfügig abweichen.
Moderator: Frage von Isha: "Wie wird bei der Bundeswahl verhindert dass jemand Stimmen fälscht oder verändert oder ein falsches Ergebnis weitergibt, gibt es da Absicherungen?"
Roderich_Egeler: Wahlfälschung ist strafbar und kann mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe geahndet werden. Verhindert werden Wahlfälschungen, indem in einem öffentlichen Gebäude geheim abgestimmt und anschließend öffentlich ausgezählt wird. Jeder Bürger kann diese Auszählung beobachten.
Moderator: Frage von Phönix: "Gibt es eine Absicherung dagegen, dass Briefwähler ihre Stimme verkaufen?"
Roderich_Egeler: Auch der Stimmenkauf ist strafbar. Zwar gibt es bei der Briefwahl keine öffentliche Kontrolle wie im Wahllokal. Der Briefwähler muss aber an Eides statt versichern, dass er seine Stimme selbst abgegeben hat. Die Kontrolle erfolgt also über seine Unterschrift.
Moderator: Frage von alzibiades an Roderich Egeler:    "Sehr geehrter Herr Egeler, es wurde aktuell nach den jüngsten Landtagswahlen berichtet, dass Sie twitternden Frühveröffentlichern von Wahlprgnosen Sanktionen androhen. Welche Sanktionen können Sie oder Ihre Behörde verhängen oder würde dies eine andere Stelle übernhemen? Eventuell ein Gericht?"
Roderich_Egeler: Bei der Bundestagswahl bin ich zuständig für die Verfolgung dieser Ordnungswidrigkeit. Wenn nachgewiesen wird, dass jemand tatsächlich Ergebnisse von Wählernachbefragungen vor 18 Uhr twittert und damit veröffentlicht, kann ich ein Bußgeld von bis zu 50.000 Euro verhängen. Das muss in jedem Einzelfall genau geprüft werden.
Moderator: Frage von koliba an Roderich Egeler:    "Hat Ihre Mitgliedschaft in der CDU Einfluss auf ihre Tätigkeit?"
Roderich_Egeler: Nein, definitiv nicht.
Moderator: Frage von McOnline an Roderich Egeler:    "wie kann verhindert werden, dass sich eine Gruppe von Wahlhelfern abspricht und Stimmen für bestimmte Parteien unterschlägt? Welche Kontrollmechanismen gibt es hier?"
Roderich_Egeler: Die wirksame Kontrolle ist die Öffentlichkeit. Deswegen ist die Stimmauszählung öffentlich und kann von jedem Bürger beobachtet werden.
Moderator: Frage von Croco an Roderich Egeler:    "Haben Sie vor oder nach den Wahlen mehr zutun?"
Roderich_Egeler: Eindeutig vor der Wahl.
Moderator: Frage von Ticho: "Wieviele ungültige Stimmen gibt es bei einer Bundestagswahl ungefähr und was sind die Hauptprobleme?"
Roderich_Egeler: Bei der letzten Bundestagswahl 2005 waren 1,8% der Stimmen ungültig. Die Ursache für die Ungültigkeit sind vielfältig. Stimmzettel sind z.B. ungültig, wenn zuviele oder gar keine Kreuze gemacht werden oder wenn Zusatzbemerkungen aufgebracht werden.
Moderator: Frage von koliba an Roderich Egeler:    "Finden Sie das Strafmaß für Wahlfälschung angemessen?"
Roderich_Egeler: Über das Strafmaß entscheidet der Gesetzgeber. Die Anwendung ist Sache der Gerichte.
Moderator: Frage von alzibiades an Roderich Egeler:    "Was entgegnen Sie den Vorwürfen des ehemaligen Bundesverfassungsrichters und CDU-Mitglieds Hugo Klein, der bezüglich des Bundeswahlausschusses von einer "Laienbesetzung" sprach. Hugo Klein meinte, der Bundeswahlausschuss entscheide „unbekümmert, weil erst nach dem Urnengang eine Wahlprüfungsbeschwerde eingereicht werden kann. Davor muss jede Entscheidung dieser Laien, sei sie noch so willkürlich, hingenommen werden“."
Roderich_Egeler: Die Zusammensetzung des Bundeswahlausschusses ist vom Bundeswahlgesetz und der Bundeswahlordnung vorgegeben. Danach ist Vorsitzender der Bundeswahlleiter, die acht Beisitzer beruft er auf Vorschlag der Parteien in der Reihenfolge ihrer Zweitstimmenergebnisse bei der letzten Bundestagswahl. Wenn der Gesetzgeber der Auffassung ist, dass an die Mitglieder des Bundeswahlausschusses andere Anforderungen zu stellen sind, müsste das Gesetz entsprechend geändert werden.
Moderator: Frage von McOnline an Roderich Egeler:    "also gäbe es theoretisch die Möglichkeit für Wahlhelfer, Stimmen zu unterschlagen, sollte niemand der öffentlichen Auszählung beiwohnen?"
Roderich_Egeler: Nein. Die Wahlhelfer kontrollieren sich gegenseitig. Zudem wird bei der Zusammensetzung der Wahlvorstände auf eine ausgewogene Besetzung geachtet.
Moderator: Frage von Dhana: "Wenn es den Verdacht gibt bei manchen Stimmen wurde falsch gezählt oder manipuliert, ab welchem Umfang wird die Gültigkeit der Wahl infrage gestellt, wer entscheidet das und was passiert dann?"
Roderich_Egeler: Jeder Wahlberechtigte, der Zweifel an der Gültigkeit der Wahl hat, kann dies nach der Wahl im sogenannten Wahlprüfungsverfahren überprüfen lassen. Hierzu muss er bis zwei Monate nach der Wahl Einspruch beim Deutschen Bundestag einlegen und darlegen, aus welchen Gründen die Wahl angefochten wird.
Moderator: Frage von koliba an Roderich Egeler:    "Aus welchen Gründen darf man das Ehrenamt des Wahlhelfers ablehnen? "
Roderich_Egeler: Das Ehrenamt des Wahlhelfers darf man nur aus wichtigem Grund ablehnen. Die Bundeswahlordnung nennt dazu in § 9 z.B. die Vollendung des 65. Lebensjahrs, Fürsorge für die Familie, dringende berufliche Gründe, Krankheit oder Behinderung.
Moderator: Frage von AlgulSiento an Roderich Egeler:    "Wie eng oder wie weit sind die Kriterien für die Zulassung einer Partei zur Wahl auszulegen? Und wie kann es sein, dass Ihr Vorgänger DIE PARTEI zur Wahl zugelassen hat, während Sie ganz anders entschieden hat?"
Roderich_Egeler: Der Bundeswahlausschuss legt bei jeder Bundestagswahl dieselben Kriterien für die Anerkennung der Parteien an. Diesmal hat "Die PARTEI" keine ausreichenden Nachweise vorgelegt.
Moderator: Frage von alzibiades an Roderich Egeler:    "Herr Egeler, gestatten Sie diese eher private Frage: Kommen Sie in der Bundestagswahlnacht überhaupt zum Schlafen?"
Roderich_Egeler: Zum Schlafen komme ich in der Wahlnacht erst nach Bekanntgabe des vorläufigen Wahlergebnisses. Bei der Europawahl war das um 5 Uhr morgens.
Moderator: Frage von Croco an Roderich Egeler:    "Ist es verpflichtend das bei der Zusammensetzung des Wahlvorstandes min. ein Beamter/öffentl. Bediensteter anwesnd sein muss (da diese einen entspr. Eid geschworen haben) oder ist dies Sache der Kommune wie sie ihre Vorstände zusammensetzen (in meiner Kommune wird peinlichst genau darauf geachtet das min. ein Beamter der Stadtverwaltung dabei ist.)?"
Roderich_Egeler: Eine solche Pflicht gibt es nach dem Wahlrecht nicht. Allerdings sprechen Kommunen gern ihre eigenen Angestellten und Beamten an und bitten sie, sich zur Verfügung zu stellen.
Moderator: Frage von AlgulSiento an Roderich Egeler:    "Sie sagten, bei der Zusammensetzung der Wahlvorstände werde auf eine ausgewogene Besetzung geachtet. Wie läuft das praktisch ab? Die einzelnen Beteiligten können doch nicht auf ihre politische Präferenz befragt werden. Oder doch?"
Roderich_Egeler: Zunächst sind alle Wahlhelfer zur unparteiischen Wahrnehmung ihres Amtes verpflichtet. Wenn bei der Auswahl der Wahlhelfer eine Parteimitgliedschaft bekannt ist, wird dies bei der Zusammensetzung berücksichtigt.
Moderator: Frage von koliba an Roderich Egeler:    "Ist es eine strafbare Handlung, im Warteraum des Wahllokals Empfehlungen abzugeben, wie die Leute wählen sollten?"
Roderich_Egeler: Jede Beeinflussung von Wählern im Wahllokal ist verboten und stellt nach dem Bundeswahlgesetz eine Ordnungswidrigkeit dar. Diese kann mit einer Geldbuße von bis zu 500 Euro geahndet werden. Vor Ort sorgen die Wahlvorstände für die Durchsetzung dieses Verbots.
Moderator: Frage von AlgulSiento an Roderich Egeler:    "Was machen Sie eigentlich persönlich während der Wahlnacht? Welche logistischen Abläufe müssen Sie koordinieren und für welche Dinge sind Sie dabei konkret verantwortlich?"
Roderich_Egeler: In der Wahlnacht bin ich mit meinem Team in Berlin im Reichstagsgebäude. Bei uns laufen alle Ergebnisse der Wahlkreise und Bundesländer zusammen. Diese prüfen wir auf Plausibilität. Bei Auffälligkeiten spreche ich mit den Landeswahlleitern. Nach Eingang des letzten Wahlkreisergebnisses berechnen wir das vorläufige amtliche Wahlergebnis. Dieses gebe ich anschließend öffentlich bekannt.
Moderator: Frage von koliba an Roderich Egeler:    "Darf der Pfarrer am Wahlsonntag in der Kirche sich direkt oder indirekt für die Wahl der CDU/CSU aussprechen?"
Roderich_Egeler: Solange die Kirche kein Wahllokal ist, darf er das.
Moderator: Frage von alzibiades an Roderich Egeler:    "Herr Egeler, sehen Sie als Bundeswahlleiter im "Nicht-Wählen" eine von eben jenen Nichtwählern eine gezeigte politische Haltung?"
Roderich_Egeler: Dies ist eine Frage für die Wahlforschung.
Moderator: Kommen wir zur letzten Frage. Ich bitte um Verständnis, dass wir nicht alle Fragen stellen konnten.
Moderator: Frage von koliba an Roderich Egeler:    "Könnte eine etablierte Partei (eventuell sogar Volkspartei) ganz von der Wahl ausgeschlossen werden, wenn sie z.B. noch am Wahltag massiv Wähler beeinflussen würden?"
Roderich_Egeler: Wenn eine Partei gegen die gesetzlichen Vorschriften verstößt, kann ggf. die Gültigkeit der Wahl in dem oben beschriebenen Wahlprüfungsverfahren überprüft werden.
Moderator: Ich bedanke mich ganz herzlich im Namen der gesamten Community für das interessante Gespräch und wünsche Ihnen noch einen schönen Abend. Danke, dass Sie sich für uns die Zeit genommen haben. :)
Roderich_Egeler: Vielen Dank für die interessanten Fragen. Und: Gehen Sie wählen!
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