Chat-Transkript vom 08.07.2002

Prof. Dr. Berthold Meyer, Hessische Stiftung Friedens- und

Thema: Macht oder Machtlosigkeit - kann die UNO Konflikte lösen und welche Rolle wird Deutschland in Zukunft dabei spielen?

: Prof_Dr_Berthold_Meyer hat den Raum betreten
Prof_Dr_Berthold_Meyer: Hallo, bin ich noch allein im Raum?
: Moderator hat den Raum betreten
Moderator: Guten Abend Herr Professor Doktor Meyer. Ich bitte um Entschuldigung für die Verspätung!
Moderator: Mein Name ist Torsten Marek von der Redaktion von dol2day. Ich werde den Chat heute abend moderieren.
Prof_Dr_Berthold_Meyer: Guten Abend Herr Marek, es wurde schon etwas langweilig vor dem Bildschirm. Aber vielleicht kommen wir ja noch in Fahrt.
Moderator: Danke, dann fangen wir einfach an!
Moderator: Der heutige Chat findet in Kooperation mit der Bundeszentrale für politische Bildung statt.
Moderator: Das Thema lautet heute: Macht oder Machtlosigkeit - kann die UNO Konflikte lösen und welche Rolle wird Deutschland in Zukunft dabei spielen?
Moderator: Wie bewerten Sie ganz allgemein die Arbeit der UNO im Bereich der internationalen Konfliktlösung bzw. Friedensstiftung in den letzten Jahren?
Prof_Dr_Berthold_Meyer: Die UNO hatte nach einem Stillstand während des Kalten Kriges Anfang der 90er Jahre eine gute Phase, kam aber infolge des Scheiters der UNPROFOR Mission im ehemaligen Jugoslawien und der Probleme in Somalia in einen etwas schlechten Ruf. Inzwischen hat sich das zum einen durch Ost-Timor, zum anderen durch die von ihr untrestützten Missionen SFOR und KFOR wieder gebessert.
Prof_Dr_Berthold_Meyer: Trotzdem muss man insgesamt sagen, dass die UNO schwach ist, weil die Mitgliedstaaten, allen voran die USA, sie nicht sehr stark haben wollen.
Moderator: In welchem Ausmaß ist die UNO überhaupt von den USA abhängig?
Prof_Dr_Berthold_Meyer: Auf verschiedene Weise. Zum einen ist die USA der größte Zahler (bisher nominell 25 %, jetzt abgemildert auf 23 % des Haushaltes. Zum anderen haben sie auch sehr häufig Truppen gestellt, wenn es darum ging, Blauhelme irgendwo hin zu senden. Da die Amerikaner aber nicht bereit sind, sich dabei einem fremden Befehl unterzuordnen, versuchen sie immer wieder, sich eine Vollmacht von der UNO geben zu lassen, um dann eigenständig zu intervenieren.
Prof_Dr_Berthold_Meyer: Damit hängt auch zusammen, dass sie sich jetzt weigern, den Internationalen Strafgerichtshof anzuerkennen.
Moderator: Besteht nicht immer wieder die Gefahr, dass die UNO zum Spielball nationaler Interessen wird, wie gerade jetzt im Streit mit den USA, die Immunität ihrer Soldaten vor Verfolgung durch den internationalen Strafgerichtshof fordern und die Verlängerung des Mandats für Bosnien blockieren?
Prof_Dr_Berthold_Meyer: Im Zusammenhang mit den Zahlungen muss auch noch ergänzt werden, dass die USA ihren Zahlungsverpflichtungen nicht oder nur sehr verspätet nachkommen, so dass die UNO stets in Zahlungsschwierigkeiten gerät.
Prof_Dr_Berthold_Meyer: Die Gefahr, dass nationale Interessen durchschlagen, wenn es im UN-Entscheidungen geht, ist immer sehr groß, insbesondere, wenn es um Belange der fünf ständigen Mitglieder geht oder von Staaten, die zu ihrer Klientel gehören. Dies ist ein strukturelles problem der Satzung.
Moderator: Frage von Erlan an Prof. Dr. Berthold Meyer:    "Warum weigern sich die USA eigentlich beim Strafgerichtshof? Schließlich wird der nur dann tätig, wenn die jeweiligen Länder selber keine Strafverfolgung für die jeweiligen Verbrechen haben - und gerade die USA fallen doch nicht unter diesen Verdacht, oder?"
Prof_Dr_Berthold_Meyer: Das sehe ich ganz genau so. Die USA behaupten aber, es sei nicht ganz sicher, und sie haben Angst, dass einer ihrer Leute irgendwo aufgegriffen und nach Den Haag verschleppt wird.
Moderator: Frage von IraKan an Prof. Dr. Berthold Meyer:    "Ist die Uno nicht eigentlich nur dort aktiv, wo die Weltöffentlichkeit gerade hinschaut. Zahlreiche Konflikte wie die Unterdrückung ethnischer Minderheiten in Birma laufen über Jahrzehnte so vor sich hin"
Prof_Dr_Berthold_Meyer: Auch dies ist richtig. Wir haben seit Jahren den sogenannten CNN-Effekt, d.h. Konflikte, die von den Medien aufgegriffen werden, werden dann auch vom Sicherheitsrat behandelt, aber das, wo entweder kein Journalist sich hintraut oder was keinen Neuigkeitswert mehr besitzt, bleibt außen vor.
Moderator: Frage von Erlan an Prof. Dr. Berthold Meyer:    "Wie kann dieses Satzungsproblem gelöst werden? Wäre da eine Vergrößerung des Sicherheitsrates respektive der ständigen Mitglieder nicht eher eine Verschärfung des Problems?"
Prof_Dr_Berthold_Meyer: Die Vergrößerung des Sicherheitsrates ist eine Möglichkeit, die Satzung zu verändern. Aber bisher sieht es nicht so aus, als täte sich da was. Grundsätzliuch zweifle ich an der Fähigkeit der UNO, die eigene Satzung zu ändern, da diese auch vom Sicherheitsrat abgesegnet werden muss, und die ständigen Mitglieder peinlich drauf achten, dass ihre Rechte nicht geschmälert werden.
Moderator: Was halten Sie von der Idee, Deutschland einen ständigen Sitz im Weltsicherheitsrat zu gewähren?
Prof_Dr_Berthold_Meyer: Andererseits wäre es natürlich sinnvoll, die Vertretung jener Regionen unter den Ständigen Mitgliedern zu erreichen, die bisher nicht vertreten sind, z.B. Südasien, Südamerika, Afrika. Deutschland braucht eigentlich keinen Ständigen Sitz, besser wäre es, wenn statt des französischen und britischen ein europäischer geschaffen würde, an dem wir dann ja auch beteiligt wären.
Prof_Dr_Berthold_Meyer: Aber es ist mehr als fraglich, ob die Franzosen und Briten sich darauf einlassen.
Moderator: Den CNN-Effekt finde ich äußerst problematisch. Sehen Sie Möglichkeiten, wie dem entgegengewirkt werden kann?
Prof_Dr_Berthold_Meyer: Es ist sicher nicht leicht, dem entgegen zu wirken, denn in einer freien Welt ist eine freie Presse und FErnsehberichterstattung natürlich ein hohes Gut, deshalb kann man den Anstalten da schlecht hineinreden. Was aber getan werden könnte, wäre die Schaffung von UN-eigenen Frühwarnsystemen, die regelmäßig dem Sicehrheitsrat berichteten, wo es Probleme gibt, und Vorschläge erarbeiten, wie die UNO darauf reagieren könnte.
Moderator: Frage von D-Patriot an Prof. Dr. Berthold Meyer:    "Meinen Sie, Herr Mayer, der Ausschluss der USA aus dem Menschenrechtsgremium der UN rüttelt die Amis etwas wach, im Bezug auf die Menschenrechte in ihrem Land?"
Prof_Dr_Berthold_Meyer: Ich vermute, dass dies zwei völlig verschiedene Ebenen sind. Es gibt Menschen in den USA, die interessieren sich nur für Menschenrechte außerhalb der USA, und es gibt auch Gruppen, die sich mit der Menschenrechtssituation in den USA beschäftigen. Denen war der Ausschluss sicher sehr unangenehm. Ich weiß aber nicht, wie sie darauf reagiert haben.
Moderator: Frage von Erlan an Prof. Dr. Berthold Meyer:    "Wie kann es eigentlich - gerade nach dem 11. September 2001 - sein, daß der Unilateralismus in den USA wieder schärfer wird, wo doch gerade nach den Anschlägen des 11.9. klar war, daß die zivilisierte Welt zusammenhalten sollte?"
Prof_Dr_Berthold_Meyer: Insgesamt scheint es die US-Regierung nicht sehr zu stören, dass sie bei den verschiedenen Anlässen in den letzten beiden Jahren immer wieder mit den Staaten gemeinsam in eine Ecke gestellt wurde, die sie eigentlich als Schurkenstaaten befehden.
Moderator: Frage von IraKan an Prof. Dr. Berthold Meyer:    "Können erst starke weltpolitische Veränderungen eine Umstrukturierung der Uno erzwingen. Beispiel südostasiatische oder afrikanische Union. Und wie wäre das zu bewerten?"
Prof_Dr_Berthold_Meyer: Es sah nach dem 11.9. zunächst so aus, als begäben sich die USA auf einen multilateralen Kurs. Sie bezahlten ihre Schulden bei der UNO wenigstens teilweise und schmiedeten die Koalition gegen den Terror. Doch dann besannen sie sich darauf, dass sie während des Kosovokrieges durch das NATO-Bündnis daran gehindert wurden, sehr schnell zu reagieren. Deshalb beschlossen sie, den Kampf gegen den Terrorismus nur durch bilaterale Abkommen, in denen sie selbst letztlich das Sagen haben, zu führen.
Prof_Dr_Berthold_Meyer: Zu IraKan. Die jetzt erfolgte Gründung der Afrikanischen Union könnte über die Generalversammlung einen Vorstoß zur Umstrukturierung machen. Es wäre zumindest ein Fortschritt, wenn sich dadurch die afrikansichen Länder darauf einigen könnten, wen sie als ihren Repräsentanten für die ständige Mitgliedschaft in einem zu erweiternden Sicherheitsrat vorschlagen.
Moderator: Frage von Happy an Prof. Dr. Berthold Meyer:    "Warum kritisiert unsere Regierung das Verhalten der Vereinigten Staaten nicht öffentlich, wenn es doch offensichtlich ist, dass gerade die USA, die sich wieder einmal als Weltpolizist mit Sonderrechten ausgestattet aufspielen möchte?"
Prof_Dr_Berthold_Meyer: Es wäre ja schon einiges gewonnen, wenn die Regierung bei den internen Gesprächen mit Bush und Co kritisch aufträte. Die öffentliche Kritik mag zwar hier von einigen Leuten gern gelesen werden, aber sie würde in den USA, insbesondere bei der Regierung nur ein müdes Lächeln bewirken.
Moderator: Es gibt noch einige Fragen von Mitglieder unserer Community - hätten Sie noch Zeit, den Chat eine Viertelstunde zu verlängern?
Prof_Dr_Berthold_Meyer: Und die Einflussmöglichkeiten eher behindern.
Prof_Dr_Berthold_Meyer: Eineknappe Viertelstunde
Moderator: Danke!
Moderator: Kommen wir zum Thema Nahost.
Prof_Dr_Berthold_Meyer: Also los
Moderator: Welche Anstrengungen werden seitens der UNO unternommen, den Nahost-Konflikt einer Lösung näher zu bringen? Warum scheint die UNO gerade in dieser Region nicht besonders erfolgreich zu sein?
Prof_Dr_Berthold_Meyer: Hier liegt das Hauptproblem darin, dass Israel die UNO als ihren Gegner betrachtet, weil es zahlreiche Resolutionen gab, die mehr oder weniger gegen Israel gerichtet waren. Daher ist Israel nicht bereit, UN-Blauhelme in das Land und an die grenze zu den Palästinensern zu lassen.
Prof_Dr_Berthold_Meyer: Es müsste also eine Friedenstruppe gebildet werden, die nicht unter dem UNO-Helm steht, sondern z.B. von der Europäischen Union geführt würde.
Moderator: Gibt es momentan Ansätze oder Bestrebungen, eine solche Friedenstruppe zu bilden?
Moderator: Frage von Erlan an Prof. Dr. Berthold Meyer: Aber könnte die EU eine solche Truppe überhaupt aufstellen?
Prof_Dr_Berthold_Meyer: Es war ja eine internationale Nahost-Konferenz geplant, die aber vom G-8-Gipfel wohl etwas in die Ferne geschoben wurde. Auf dieser Konferenz hätte darüber beraten werden können und müssen. Vorstellungen von Außenminister Fischer gehen wohl in diese Richtung, wobei fraglich ist, ob sich an einer solchen Truppe Deutsche beteiligen sollen - wohl eher nicht.
Moderator: Die UNO hat gravierende finanzielle Probleme. Kann die UNO ihren selbstgesteckten Zielen angesichts ihrer schlechten Finanzlage überhaupt noch gerecht werden?
Prof_Dr_Berthold_Meyer: Zu Erlan: Die EU bereitet sich darauf vor, eine 180.000 Mann starke Truppe für die verschiedensten Einsätze aufzustellen, die mit der NATO kooperiert, aber ihr nicht untergeordnet wäre. Aus dieser Truppe heraus könnten durchaus Einheiten fü+r diesen Friedenseinsatz zusammengestellt werden.
Prof_Dr_Berthold_Meyer: Dadurch dass die USA im letzten Herbst einige hundert Millionen gezahlt haben, ist die Situation nicht mehr ganz so dramatisch. Aber es wäre natürlich hilfreich, wenn alle ihren Zahlungen regelmäßig nachkämen. Immerhin hat die UNO organisatorisch einiges abgespeckt, so dass sie im Prinzip etwas aktionsfähiger ist.
Moderator: Damit kommen wir dann zum Ende des Chats. Vielen Dank, Herr Professor Meyer, dass Sie sich die Zeit für den Chat genommen haben. Danke auch an alle, die Fragen gestellt haben.
Prof_Dr_Berthold_Meyer: Vielen Dank, es hat trotz großer Hitze Spaß gemacht. Auf Wiederlesen.
Moderator: Damit verabschiede ich mich dann auch - und wünsche allen einen schönen Abend noch!
Moderator: Auf Wiedersehen.
: Moderator hat den Raum verlassen
: Prof_Dr_Berthold_Meyer hat den Raum verlassen