: Moderator hat den Raum betreten |
: Ticho_(fpi) hat den Raum betreten |
Ticho_(fpi): Hallo Mod :) |
: Wolfgang_Wieland hat den Raum betreten |
Moderator: Hallo! |
Ticho_(fpi): Guten Abend Herr Wieland. Nur kurz vorab: in ca. zwei Minuten beginnen wir mit der Vorstellung und dem Chat. |
Wolfgang_Wieland: Guten Abend!
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Moderator: Hallo Herr Wieland, herzlich Willkommen bei dol2day! |
Moderator: Ticho, wo ich dich grad hier hab... ich habe mir vorhin mal erlaubt das Layout des Dol-Blogs anzupassen... |
Moderator: so, der Chat beginnt... |
Ticho_(fpi): ok, danke @Mod :) |
Ticho_(fpi): Hallo und Herzlich Willkommen Herr Wieland bei dol2day. Mein Name ist Fred, ich bin Internetkanzler bei dol2day und werde den Chat heute begleiten. Vielen Dank schonmal, dass sie die Einladung angenommen haben. |
Moderator: Herzlich Willkommen beim Chat von dol2day! Unser heutiger Gast ist Wolfgang Wieland, Bündnis 90 Die Grünen, MdB zum Thema: "Auf dem Weg in den Schnüffelstaat?" |
Moderator: Mein Name ist Maik Rottmann, Mitglied der Redaktion von dol2day und ich werde diesen Chat heute moderieren, d.h. die Fragen der Leser in den Chatraum stellen. |
Wolfgang_Wieland: Ich freue mich, dass dieser Chat zustande kam. Ich bin das erste Mal bei dol2day - und sehr gespannt auf die Fragen! |
Moderator: Herr Wieland, würden Sie sich kurz vorstellen? |
Wolfgang_Wieland: Ich bin seit 2005 im Bundestag, als Sprecher für Innere Sicherheit für Bündnis 90/Die Grünen. Davor war ich lange in der Berliner Landespolitik, so unter anderem als Justizsenator tätig. |
Ticho_(fpi): Dann kommen wir mal zum Thema des Chats. Sind wir ihrer Meinung auf dem Weg in den Schnüffelstaat bzw. besteht die Gefahr dahin? |
Wolfgang_Wieland: Ja, die Gefahr besteht. Maßnahmen wie Vorratsdatenspeicherung, Online-Durchsuchung, millionenfacher Datenmißbrauch in der Privatwirtschaft: das alles hat dazu geführt, dass wir immer mehr auf dem Weg zum gläsernen Bürger und zum allwissenden Staat und einer verantwortungslos Daten hortenden Wirtschaft sind. |
Ticho_(fpi): Welche Maßnahmen der Bundesregierung halten sie aktuell für besonders bedenklich die das Ausspähen der Bürger begünstigen können? (neben den bereits genannten) |
Wolfgang_Wieland: Mit dem BKA-Gesetz ist nun auch noch die staatliche Peep-Show, also die Videoüberwachung der Wohnräume, hinzugekommen. Außerdem haben wir ganz aktuell mit dem Gesetz über die Sicherheit in der IT den Versuch, umfassend die Kommunikationsnutzung zu speichern. |
Moderator: die ersten Fragen aus der Community sind da... |
Moderator: Frage von GowkHunter an Wolfgang Wieland: "Hr. Wieland - erstmal danke für die Zeit. Ist "der Schnüffelstaat" nicht eigentlich überholt anhand der zahlreichen Eingriffsversuche seitens der EU(-Kommission)? Wie ist hier das Verhältnis EU/einzelner Staat?" |
Wolfgang_Wieland: Leider kommen viele Angriffe tatsächlich auch aus der europäischen Ebene. Die Vorratsdatenspeicherung allerdings hat die Bundesregierung dort mit durchgesetzt, nachdem sie national im Bundestag damit gescheitert war. genauso verhielt es sich mit der Aufnahme biometrischer Daten (vor allem des Fingerabdrucks) in unsere Reisepässe. So wird Europa für Pläne funktionalisiert, die man innerstaatlich nicht durchsetzen konnte - wir nennen das: Spielen über Bande! |
Moderator: Frage von *Mensch* an Wolfgang Wieland: "Hr. wieland, haben Sie selbst auch Erfahrungen mit dem Thema Datenschutz, also waren sie selbst einmal in diesem Bereich tätig?" |
Wolfgang_Wieland: Ich habe als Abgeordneter im Berliner Landesparlament viele Jahre im Unterausschuss Datenschutz mitgearbeitet und dort die Probleme des Datenschutzes auf Landesebene genau kennen gelernt, insbesondere auch den schludrigen Umgang der Verwaltung mit den Daten der Bürgerinnen und Bürger. Ich habe mich immer bemüht, dort die Arbeit der Datenschutzbeauftragten Prof. Garstka und später von Dr. Dix nach Kräften zu unterstützen. |
Moderator: Frage von DeeJay an Wolfgang Wieland: "Was würden Sie denn vorschlagen, soll den USA gesagt werden, wenn sie für Einreisen in ihr Land diese Fingerabdrücke nun mal verlangt?" |
Wolfgang_Wieland: Es ist ein Unterschied, ob ein Staat bei der Einreise Fingerabdrücke abnimmt. Das ist zwar unschön, aber nicht zu verhindern. Ich kann höchstens darauf reagieren und nicht in dieses Land reisen. Was die Bundesregierung aber gemacht hat, ist die zwangsweise Ausstattung aller Pässe mit digitalisierten Fingerabdrücken, die obendrein die Gefahr des unbefugten Auslesens und des Missbrauchs uns beschert haben. Das war nicht nötig und ist von den USA nie gefordert worden. |
Moderator: Frage von GowkHunter an Wolfgang Wieland: "Verstecken sich hinter dem allg. Begriff "Sicherheit" nicht eigentlich sehr viele Wirtschaftsinteressen, oder gibt es einen anderen, erkennbaren "Master-Plan"?" |
Ticho_(fpi): Da wir gerade beim Thema Einreise sind: vor ein paar Monaten gab es die Debatte ob man sogenannte Nacktscanner an Flughäfen einsetzt. Wie kritisch sehen sie das Thema? |
Wolfgang_Wieland: Nacktscanner sind ja wohl das allerletzte! Keine Frage, dass sie in unzulässiger Weise in die Intimsphäre eingreifen. Dies ging selbst Innenminister Schäuble zu weit. Er lässt jetzt an Scannern forschen, die nicht mehr "nackt" scannen, da darf man auf das Ergebnis gespannt sein. |
Wolfgang_Wieland: Die Frage nach dem "Master-Plan": Natürlich ist die Sicherheitstechnik ein gigantischer Markt, ähnlich wie die Militärtechnik. Es gibt inzwischen große Messen dafür wie in Berlin die SITEC. Auf der anderen Seite ist das konservative Lager tatsächlich davon durchdrungen, mit technischen MAßnahmen und einer möglichst lückenlosen Überwachung "Sicherheit" zu schaffen. Hier gehen also wirtschaftliche Interessen und eine ziemliche Paranoia Arm in Arm. Wohin das führt, lässt sich in Großbritannien sehr gut studieren. |
Moderator: Frage von chamaya an Wolfgang Wieland: "Wie kann man sich denn als Bürger schützen? Ich bin z.B. aus beruflichen gründen fast den ganzen Tag online, da macht man sich dann schon Gedanken..." |
Wolfgang_Wieland: Der beste eigene Datenschutz ist, Datensparsamkeit. Ich sollte mir bei allem, was ich ins Netz stelle, bei jeder Auskunft, die ich gebe, die Frage stellen: Muss diese Datenweitergabe sein? Grundsätzlich ist immer der Weitergabe zu widersprechen, wenn sie nicht mit dem getätigten IT-Geschäft zwingend verbunden ist. Darüberhinaus ist ernsthaft zu überlegen, ob man sich nicht ein Zweitgerät leistet, mit dem man nur offline ist. Dies mach zum Beispiel Thilo Weichert, der unabhängige Datenschutzbeauftragte von Schleswig-Holstein. Es ist zwar traurig, aber inzwischen sind wir soweit. Und ansonsten sind Firewalls und gegebenenfalls Verschlüsselung immerhin ein gewisser Schutz. |
Moderator: Frage von Kotetsu an Wolfgang Wieland: "Herr Wieland. Erstmal grüße aus Köln. Würden die bisherigen Maßnahmen oder geplante meine persönliche Frieheit nicht einschränken?" |
Wolfgang_Wieland: Erstmal auch: Schöne Grüße nach Köln! Dass die U-Bahn nicht die ganze Stadt einstürzen lässt!
Allerdings sind das erhebliche Beschränkungen Ihrer Freiheit. Wer immer damit rechnen muss, dass sein Verhalten registriert und ausgewertet wird, der verhält sich automatisch anders - und ist eben nicht mehr frei. Dies hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Volkszählungsurteil und vielen anderen Entscheidungen zurecht betont. Es gibt keine unverfänglichen Daten insoweit, und deshalb ist das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ein so wichtiges Grundrecht. |
Moderator: Frage von chamaya an Wolfgang Wieland: "Lässt sich denn der jetzt beschrittene Weg der datenspeicherung usw. überhaupt noch rückgängig machen? Oder befinden wir uns in einer Einbahnstraße?" |
Wolfgang_Wieland: Der Kampf muss jedenfalls aufgenommen und geführt werden! Zur Zeit plant die Große Koalition eine Änderung des Bundesdatenschutzgesetzes und ein Arbeitnehmerdatenschutzgesetz - Auslöser waren die Skandale von Lidl bis zur Deutschen Bahn. Wie zwingend diese neuen Regelungen werden, ob sie wirklich ein roll-back zu mehr Datenschutz einleiten werden, kann ich erst in ein bis zwei Monaten beantworten. Dann werden diese Gesetzesvorhaben abgeschlossen sein. Im Moment wendet sich eine starke Lobby von Adresshändlern, Zeitschriftenverlegern, Versandhäusern und anderen dagegen, dass sie die Daten nicht mehr wie bisher frei erhalten und handeln sollen. Ich nehme an, bei diesem sogenannten Listenprivileg wird die Koalition einknicken und weiter den Handel mit diesen Daten erlauben. |
Moderator: Frage von Pumeluk3 an Wolfgang Wieland: "Zensur des Internets: In Berlin haben ja heute die 5 größten Internetprovider beschlossen, künftig "Sonnenbrillen" auszuteilen, damit Kinderpornografie nicht mehr gesehen wird (sprich: Zensur des Internets um Kinderpornografie zu verbergen). Es wurde das BKA mit Befugniissen ausgestattet, die an die STASI erinnern. Die Gefahr weiterer Zensurbestrebungen (Glücksspiel, Urheberrecht usw.) ist ja auch gegeben und Wünsche wurden schon geäußert. Mal ganz radikal gefragt: Ab wann greift eigentlich Absatz 4 Artikel 20 des Grundgesetzes?" |
Moderator: Frage von Pumeluk3 an Wolfgang Wieland: "(Zum Hintergrund warum ich auf den Widerstandsabsatz komme: Der Bubdestag ist ein Abnickorgan, wenn die Regeln über den Umweg EU trotz Nein des Bundestages realisiert werden. Somit ist die BRD kein Staat mehr in dem die Macht vom Volke ausgeht)" |
Wolfgang_Wieland: So schnell sind wir nicht im Widerstandsrecht. Richtig ist aber, dass der heute unterzeichnete Vertrag zunächst ein Witz ist, denn die rechtliche Grundlage soll erst noch nachgeschoben werden (am Mittwoch erst als Entwurf der Bundesrgierung im Kabinett). Zugleich lässt diese Maßnahme tatsächlich befürchten, dass es auch in Zukunft auf anderen Gebieten Internet-Sperren geben wird. Für Tauschbörsen wurden diese schon gefordert. Darüberhinaus werden die Daten von zehntausenden von Unbeteiligten dabei erfasst, ohne dass diese Maßnahme sonderlich wirksam wäre. Die harte Szene bezieht die in der Tat absolut widerlich Kinderpornographie längst auf anderem Wege und kann diese Sperren mit Leichtigkeit umgehen. |
Moderator: Frage von Candre an Wolfgang Wieland: "In wie fern halten Sie es wahrscheinlich, dass unter dem Deckmantel des Kampfes gegen Kinderpornographie weitere Informationen zensiert werden (bspw. im Bereich der Wirtschaftskriminalität)?" |
Wolfgang_Wieland: Auch die Entscheidungen der EU werden von gewählten Regierungen getroffen. Wir wünschen uns zwar mehr Einflussmöglichkeiten des EU-Parlamentes, die der Vertrag von Lissabon im übrigen gerade auf diesem Gebiet Inneres und Recht durchaus brächte. Die Einbettung in europäische Strukturen bringt zwangsläufig und notwendig einen Verlust nationaler Souveränität mit sich. Das wollen wir Grüne so und das akzeptieren wir. Das Widerstandsrecht also bitte aufheben für den Fall eines Staatsstreiches. Der ist zwar nicht zu sehen, aber dafür ist dieses Recht gedacht. |
Moderator: Frage von Richard B. an Wolfgang Wieland: "Wie schätzen Sie den Umstand ein, daß Menschen teilweise geraten wird, zum Beispiel Meinungsartikel nicht auf der eigenen Homepage zu veröffentlichen, weil bei einer Bewerbung der künftige Arbeitgeber das lesen und seine Entscheidung davon abhängig machen könnte. Haben wir es hier nicht praktisch schon mit Selbstzensur oder gesellschaftlicher Zensur zu tun, die über Datenschutz via Sparsamkeit mit eigenen Daten hinausgeht?" |
Wolfgang_Wieland: Im Bereich der Wirtschaftskriminalität sehe ich nicht die Gefahr weiterer Sperren. Aber, wie ausgeführt, im Bereich illegaler Downloads, auch im Bereich von Terrorismus und von Extremismus. Dann besteht allerdings die Gefahr, dass wir uns auf den chinesischen Weg begeben. Nur zur Klarstellung: Straftaten mit und im Internet können auch heute schon verfolgt werden, sobald das BKA einen Betreiber auf seine Filterliste setzt, kann und muss es auch gegen diesen vorgehen, denn es weiss ja, dass dieser Kinderpronographie ins Netz gestellt hat. Bei konsequenter Strafverfolgung brauchte man diese Filter nicht. |
Wolfgang_Wieland: @ Richard B. In der Tat muss sich jeder klarmachen, dass ein Artikel, den er heute zum Beispiel als Student ins Internet stellt, ihn bis an das Ende seiner Tage wie ein Schatten begleiten wird. Auch was Dritte zum Beispiel anonym schreibende Kollegen über mich online setzen, begleitet mich. Dabei ist es schwer bis unmöglich, derartige Berichte wieder zu entfernen, so falsch und verleumderisch sie auch sein mögen. Da auch Personalchefs gerne googlen lassen, noch einmal die Warnung: Jeder muss sich hundertfach überlegen, was er von sich selber ins Netz stellt und veröffentlicht. |
Moderator: Frage von Kotetsu an Wolfgang Wieland: "Die gesammelten Daten sind ja sehr persönlich und daher sehr wertvoll. Wie wird verhindert, dass auch niemand diese ausnutzen kann. Auch wenn so ein Fall generell eher unwahrscheinlich ist, sind sie doch sicher vorbereitet?" |
Wolfgang_Wieland: Daten, die eine Behörde über Sie sammelt, müssen gegen unberechtigte Weitergabe und Missbrauch geschützt werden. Sie dürfen nur zu dem Zweck verwendet werden, zu dem sie erhoben wurden (Zweckbindungsgrundsatz). Es darf also nicht sein, dass sich eine staatliche Stelle mal eben online alles bei Finanzamt, Strassenverkehrsbehörde, Sparkasse und AOK an Daten zusammensucht, was sie so interessiert. Ebenso müssen diese Daten gegen unbefugten Zugriff von außen absolut geschützt werden. Diese Philosophie ist leider nicht überall verbreitet und wird nicht überall umgestezt, gerade der Bundesinnenminister ist mit seinem Heißhunger auf sämtliche Daten (zum Beispiel Mautdaten oder Meldedaten) ein schlechtes Beispiel für einen schonenden Umgang mit den Daten der Bürger. |
Moderator: Frage von Pumeluk3 an Wolfgang Wieland: "Mal eine theoretische Frage zur Vorratsdatenspeicherung: Angenommen das Bundesverfassungsgericht kippt diese Richtline der EU, wird die EU dann ein Verfahren einleiten damit Deutschland dieses, dann Verfassungsfeindliche, Gesetz wieder einführt?" |
Wolfgang_Wieland: Dann würde der sogenannte Rosenkrieg zwischen dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) und dem Bundesverfassungsgericht eskalieren. Der EuGH hat die Vorratsdatenspeicherung für zuässig erklärt, allerdings ohne die Frage der Grundrechtsverletzung zu prüfen. Er hat lediglich die Staatenklage von Irland abgewiesen und erklärt, die EU dürfte diese Richtlinie unter dem Gesichtspunkt der Binnenmarktkompetenz erlassen. Wenn das Bundesverfassungsgericht das Umsetzungsgesetz insoweit aufhebt, müsste sich die Bundesregierung gegenüber der Europäischen Kommission und notfalls vor dem EuGH damit zur Wehr setzen, dass sie den Befehlen aus Karlsruhe schlicht zu folgen hat. |
Moderator: Somit kommen wir zum Ende des heutigen Chats. Die Zeit ist leider schon rum... Vielen Dank, Herr Wieland, dass Sie sich heute für uns Zeit für diesen wirklich sehr interessanten Chat genommen haben. Wir würden uns selbstverständlich gerne über eine Wiederholung freuen!
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Wolfgang_Wieland: Vielen Dank für die Fragen! Wenn Sie noch weitere haben , können Sie sich auc´h gerne per abgeordnetenwatch an mich wenden. Und eine Wiederholung kann ich mir auch sehr gut vorstellen. Tschüß und schönen Abend noch! |
Moderator: Vielen Dank auch an die zahlreichen Mitleser und Fragestellern. Wie so oft konnten leider aus Zeitgründen nicht alle Fragen reingestellt werden. Dies bitte ich zu entschuldigen. Ich wünsche allen noch einen schönen Abend. Auf wiedersehen! |
: Wolfgang_Wieland hat den Raum verlassen |
Ticho_(fpi): Auf Wiedersehen und danke für die Moderation :) |
: Ticho_(fpi) hat den Raum verlassen |
: Moderator hat den Raum verlassen |
: Moderator hat den Raum betreten |
Moderator: test
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: Moderator hat den Raum verlassen |
: Moderator hat den Raum betreten |
: Ticho_(fpi) hat den Raum betreten |
: michael_meister hat den Raum betreten |
: Ticho_(fpi) hat den Raum verlassen |
michael_meister: Tschaui |
: michael_meister hat den Raum verlassen |
: Moderator hat den Raum betreten |
Moderator: Hallo zusammen. Es dauert noch einen Moment.
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: michael_meister hat den Raum betreten |
Moderator: Hallo und Herzlich Willkommen bei dol2day. Mein Name ist Fred Härtelt und ich bin werde diesen Chat heute moderieren. Vielen Dank das sie sich Zeit für uns genommen haben :) |
Moderator: Als erstes möchte ich sie bitte sich uns kurz vorzustellen, Herr Dr. Meister. |
michael_meister: Ich bin 47 Jahre alt, verheiratet, 2 Kinder und seit 1994 Mitglied im Deutschen Bundestag. |
Moderator: Eine Frage von mir bevor wir zum aktuellen Thema kommen: sind sie mit der Arbeit der Großen Koalition insbesondere in der Zeit der Wirschaftskrise zufrieden? |
michael_meister: Ich bin mit der Arbeit der großen Koalition zu frieden. Wir haben dafür gesorgt, dass keine systemrelevante Bank in Deutschland zusammengebrochen ist. Wir haben eine Abstimmung in europa zu den jeweils nationalen Maßnahmen gegen die Krise herbeigeführt und wir haben besonnen aber zeitnah agiert. Jetzt muss es darum gehen, dass wir am ende der Krise potenzielle Wachstumschancen für uns nutzen. |
Moderator: Welche Maßnahmen plant denn die Große Koalition in den nächsten Monaten um die Wirtschaftskrise abzumildern? |
michael_meister: Wir haben das Finanzmarktstabilisierungsgesetz im Oktober 2008 beschlossen. Wir haben 2 Konjunkturprogramme auf den Weg gebracht, die gegenwärtig gerade ihre Wirkung entfalten, d. h. wir haben bereits gehandelt. Es gibt jetzt aus meiner Sicht an 2 Stellen Bedarf zum nachjustieren
1. der kümftige Abschreibungsbedarf der Banken zehrt das Eigenkapital und damit die Kreditvergabefähigkeit der Banken auf und
2. Wir werden bei der Kurzarbeit über eine Verlängerung der maximalen Dauer von 18 Monaten nachdenken müssen, da die Krise länger andauert, als das bei der ursprünglichen Beschlussfassung abzusehen war. |
Moderator: Wir haben bereits die ersten Fragen aus der Community. |
Moderator: Frage von HerbertP an Dr. Michael Meister: "Hallo Herr Meister, einen herzlichen Gruß aus der hessischen CDU. Nachdem die SPD nun den Reigen eröffnet hat, wann hören wir denn vom Wahlprogramm der CDU?" |
michael_meister: Die Union wird im Juni ein gemeinsames Regierungsprogramm für die Bundestagswahl 2009 vorlegen. Ich hoffe, dass dort sowohl eine Antwort zu nachhaltiger Finanzpolitik gegeben wird wie auch ein Entlastungssignal für die Leistungsträger unserer Gesellschaft. Herzliche Grüße nach Hessen. |
Moderator: Frage von Isha: Hat der Wahlkampf Auswirkungen auf die aktuelle Arbeit der Großen Koalition hinsichtlich der Bekämpfung der Wirtschaftskrise? |
michael_meister: Das Management der Krise ist unabhängig von Wahlkampfterminen von den Parteien, die in Regierungsverantwortung stehen, zwingend geboten. Allerdings wird die Wahlkampfzeit, die zur Demokratie gehört, notwendige Entscheidungen nicht einfacher machen. |
Moderator: Frage von HerbertP an Dr. Michael Meister: "Herr meister, sind Sie der Meinung, dass die Mittel des Konjunturpaketes bei den Unternehmen ankommen? Im manager-magazin wird aktuell berichtet, wie zögerlich die Banken KFW-Anträge bearbeiten und auch die KFW habe landunter. Sind die mittel wirklich richtig eingesetzt?" |
michael_meister: Die Mittel des Deutschlandfonds, um Unternehmen liquide zu halten, sind richtig eingesetzt. Allerdings erfolgt der Zugriff auf den Deutschlandfonds nur sehr zögerlich, da das Hausbankenprinzip einzuhalten ist. An dieser Stelle muss das Instrument und die Nutzer noch stärker zusammengeführt werden. |
Moderator: Frage von *Mensch* an Dr. Michael Meister: "Herr Meister, worin oder bei wem sehen sie denn die Schuld an der derzeitigen finanz- und Wirtschaftskrise?" |
michael_meister: Es gibt eine ganze Reihe von Gründen. Ohne eine vollständige Aufzählung zu wagen.
1. Zu lange und zu viel Liquidität nach dem 11. September 2001 und dem Platzen der Dotcom-Blase in den USA
2. Zu geringe Eigenkapitalanforderungen an Investitionen und Finanztransaktionen und
2. Difizite im Risikomanagement bei den Finanzmarktteilnehmern. |
Moderator: Frage von Richard B. an Dr. Michael Meister: "Wer sind Ihrer Meinung nach die Leistungsträger unserer Gesellschaft, bitte mal konkret!" |
michael_meister: Die Leistungsträger unserer Gesellschaft sind die, die morgens aufstehen, zur Arbeit gehen, um abends müde gearbeitet nach Hause zurückkehren. Um als Selbständige oder Angestellte ist dabei vollkommen gleich. Ich denke insbesondere an den typischen Facharbeiter. |
Moderator: Frage von HerbertP an Dr. Michael Meister: "Es wäre doch ein leichtes, den nachteil der kalten progression mit einer Formel zu berechnen und danach durch Glättung der Kurve zu entlasten. Warum tut sich die Politik so schwer, hier den Bürger zu entlasten?" |
michael_meister: Ich bin Mathematiker. Eine weiter Formel in der Einkommssteuerberechnung würde das Steuerrecht nicht vereinfachen. Wir benötigen dringend auch ein einfacheres Steuerrecht. Um das Problem der kalten Progression zu lösen, muss schlicht und ergreifend der Steuertarif flacher verlaufen. Der Grenzsteuersatz muss sinken. |
Moderator: Frage von Phönix: Herr Meister, ist die Verlängerung mit dem Mittel der Kurzarbeit auf 18 Monate wirklich der richtige Weg oder wird so nur das Ganze verzögert werden? |
michael_meister: Gegenwärtig beträgt die maximale Dauer der Kurzarbeit bereits 18 Monate. ich habe eine Verlängerung auf 24 Monate angesprochen. Uns werden in relativ kurzer Zeit in Deutschland Fachkräfte fehlen, dies wird eines der zentralen Probleme unseres Landes nach der Wirtschaftskrise sein. Deshalb kann Kurzarbeit Menschen vor Arbeitslosigkeit bewahren und den Unternehmen künftig fehlende Fachkräfte erhalten. |
Moderator: Frage von Richard B. an Dr. Michael Meister: "Welches Angebot haben Sie den Kolleg/innen im Einzelhandel und den zahlreichen anderen Leuten zu machen, die von ihrem Lohn kaum leben können?" |
michael_meister: Zunächst einmal bin ich froh, dass diese Menschen arbeiten gehen. Aufgabe des Staates ist nicht Menschen in Arbeitslosigkeit zu versorgen, sondern jedem Einzelnen Chancen auf Teilhabe am Arbeitsmarkt zu ermöglichen. Inwieweit das erzielte Einkommen zum Lebensunterhalt ausreicht, hängt stark von den Familienverhältnissen ab (Alleinstehende oder Verheiratete mit Kindern). Reicht das Arbeitseinkommen nicht zum Lebensunterhalt aus, so muss dies der Staat durch ergänzende Transferzahlungen aufstocken. |
Moderator: Frage von HerbertP an Dr. Michael Meister: "Das Hausbankenprinzip scheitert aber doch offensichtlich, da die Banken restriktiv Handeln und die Risikomanager derzeit die Hosen anhaben bei Entscheidungen. Wenn die Hausbank nicht mitmacht, kann die KFW nicht helfen. haben wir möglicherweise doch einen credit crunch? " |
michael_meister: Ich habe bereits darauf hingewiesen, dass Kreditinteressenten (Unternehmen) und der Deutschlandfonds zu wenig zueinander finden. Hier muss aus meiner Sicht in Gesprächen mit den Banken nachgearbeitet werden. Das Hausbankenprinzip aufzugeben hätte 2 große Nachteile. Zum einen würde eine hunderprozentige Staatsbank direkt in den Markt eingreifen und zum zweiten würde die KfW möglicher Weise unkontrollierte Kreditrisiken ansammeln. Die von den beiden ausgereichten Kreditvolumina sind gegenwärtig höher als in früheren Jahren. D. h. die Krediversorgung funktioniert. Allerdings sind alternative Finanzierungswege verstopft, z. B.:
Versicherung von Liferantenkrediten. Private Equity, Verbriefung von Mittelstandkrediten... |
Moderator: Frage von frankg an Dr. Michael Meister: "Hallo Herr Meister! Wie wir gesehen haben, gelingt es den Aufsichtsräten oftmals nicht, eine wirksame Kontrolle auszuüben. Stattdessen wird ein Aufsichtsratsposten eher als Nebeneinkommen gesehen. Eine Studie belegt: „Es liegt an strukturellen, ablauforganisatorischen und Qualifikations-Gründen, dass deutsche Aufsichtsräte nicht so funktionieren, wie sie sollten und könnten.“ Wäre es nicht mal an der Zeit, das Aufsichtsratswesen vollkommen zu professionalisieren? " |
michael_meister: Die Union hat eine Verkleinerung der Aufsichtsgremien angeregt, die Union plädiert dafür einen Wechsel vom Vorstand in den Aufsichtsrat direkt nicht mehr zuzulassen. In regulierten Bereichen der Wirtschaft, z. B. im Finanzsektor sind Qualifikationsanforderungen durchaus vorstellbar. Auch die Anzahl von aufsichtsratsmandaten sollte begrenzt sein. |
Moderator: Frage von HerbertP an Dr. Michael Meister: "Wann geht es Ihrer nach Ansicht wieder bergauf und vor allem, woran erkennt man das?" |
michael_meister: Wir erleben gegenwärtig 3 Krisen: Finanzmarkkrise, Konjunkturtal und Strukturkrise insbesondere im Automobilsektor. Diese 3 Krisen treten erstmals zeitgleich und global auf und beeinflussen sich gegenseitig. Bei der konjunkturellen Komponente zeigen die Vorindikatoren bereits auf einen kommenden Aufschwung hin. In den Finanzmärkten ist das Vertrauen noch nicht wieder zurückgekehrt, deshalb müssen wir eine Lösung für die Frage Abschreibung von Wertpapieren finden. Bei der Strukturkrise in der Automobilwirtschaft stehen wir noch ganz am Anfang. Zum Beispiel haben wir im Konjunkturprogramm Forschungsmittel für neue Antriebstechnologien im Automobilsektor bereitgestellt.
Die Wirkung der Krisen am Arbeitsmarkt wird erst zeitversetzt eintreten. |
Moderator: Frage von Richard B. an Dr. Michael Meister: "Wäre da ein Mindestlohn nicht sinnvoller um die Unternehmen darauf zu verpflichten, ihren Arbeitnehmern vernünftige Löhne zu zahlen? Wenn der Staat aufstockt wäre dies doch ein Anreiz für Arbeitgeber, Löhne, die nahe oberhalb der Grenze für die Aufstockung liegen, diese unter die Grenze zu senken und sich so die Arbeitnehmer wenigstens teilweise vom Staat bezahlen zu lassen." |
michael_meister: ein Mindestlohn kann das Problem der unterschiedlichen Familienverhältnisse niemals erfassen. Soll ein Arbeitgeber einem Alleinstehenden bei gleicher Arbeit einen anderen Lohn zahlen, als einem Verheirateten mit 2 Kindern bei gleicher Arbeit. Ein Mindestlohn löst das beschriebene Problem leider nicht. Dennoch müssen wir als Staat Mindestarbeitsbedingungen in Deutschland für alle Arbeitnehmer festlegen, soweit die Tarifhoheit, welche die eigentliche Regelungskompetenz hat versagt. Ein zweiter Fall, wo wir temporär eingreifen müssen ist, wenn es innerhalb des europäischen Binnenmarktes eine Entsendeproblematik gibt. Ich würde mir an dieser Stelle eine stärkere Verantwortung der beiden Tarifparteien wünschen, anstatt die Probleme bei der Politik abzuladen. |
Moderator: Frage von DaMax an Dr. Michael Meister: "Läuft man nicht Gefahr, dass ein noch größerer Anteil des Aufsichtsrates von Personen besetzt ist, die sich nur peripher um das Wohl der Firma sorgen, wenn man die Sitze im Aufsichtsrat beschränkt? Wäre da nicht eine Umbesetzung besser? - und könnte da die Politik überhaupt etwas ausrichten?" |
michael_meister: Ich setzte auf das Prinzip der Verantwortung. Deshalb muss die Verantwortung von Aufsichtsratsmitgliedern stärker gefordert werden, sowohl bei der Beaufsichtigung von Vorständen wie auch bezogen auf die Haftung für eigenes Handeln oder Nichthandeln. |
Moderator: Frage von frankg an Dr. Michael Meister: "Die BaFin hat ihr Verbot von bestimmten Leerverkäufen bis zum 31. Mai 2009 erneut verlängert. Sollte man nicht generell auf dieses Instrument verzichten? " |
michael_meister: Ich glaube das Politik den Problemen immer hinterher läuft, wenn wir einzelne Finanzmarktinstrumente verbieten oder in ihrem Einsatz beschränken. dies kann nur ein Hilfsmittel in Krisenzeiten sein. Ich habe bei der Frage nach den Ursachen der Krise auf die fehlende Eigenkapitalüberlegung von Investition und Finanztransaktionen hingewiesen. dies ist für mich der Ansatzpunkt zur Lösung des Problems. Wir müssen Finanzmarktakteure zwingen, bei allen Geschäften Eigenkapital in einem gewissen Umfang zu unterlegen. Dies begrenzt mögliche Hebeleffekte. Da Eigenkapital nur einmal vorhanden ist, begrenzt ein solcher Vorschlag auch das Geschäftsvolumen ingesamt. |
Moderator: Frage von alzibiades an Dr. Michael Meister: "Wird sich die CDU der CSU-Forderung nach einer Senkung des Mehrwertseuersatzes im Hotel- und Gaststättengewerbe anschließen?" |
michael_meister: Das heutige Umsatzsteuersystem ist nicht mehr erklärbar. Was mit dem regulären Satz und was mit dem reduzierten Satz besteuert wird, ist nur noch aus der Geschichte zu verstehen. Deshalb ist aus meiner Sicht eine grundsätzliche Überarbeitung in der nächsten Wahlperiode anzustreben.
Ziel muss eine erklärbare und verständliche Systematisierung der Umsatzsteuer sein. |
Moderator: Frage von HerbertP an Dr. Michael Meister: "Krisenzeiten zeigen Gewinner und verlierer. Wer ist aus Ihrer Sicht Gewinner der aktuellen Weltwirtschaftskrise? gibt es überhaupt Gewinner?" |
michael_meister: Es gibt Gewinner. Zum Beispiel die Bauarbeiter in den USA, die in den vergangenen Jahren eigentlich nicht finanzierte Häuser erreichtet haben. Diese haben Arbeit, Lohn und Brot gefunden, ohne dass ihre Kunden über das notwendige Kapital zur Finanzierung dieser Gebäude verfügten. Genauso ehemalige Bedienstete von Finanzinstituten, die aufgrund virtueller Gewinne (durch Höherbewertung von Wertpapieren in ihren Instituten) für Leistungen bezahlt wurden, die sie nicht erbracht haben. |
Moderator: Kommen wir zu einer letzten Frage. Die Zeit ist leider um, so dass wir nicht alle Fragen stelllen konnten. Ich bitte hier um Nachsicht. |
Moderator: Frage von Richard B. an Dr. Michael Meister: "In welchen Bereichen sieht die CDU die Stärkung der Rechte der Arbeitnehmer vor? Dies bitte auch konkret." |
michael_meister: Erstens: Wir spechen uns für eine bessere Bildung und Berufsqualifikation aus. Wir müssen in die Arbeitswelt ein lebenslanges Lernen integrieren. 'Qualifikation ist der beste Schutz vor Arbeitslosigkeit .
Zweitens: Wir wollen die Beteiligung von Mitarbeitern an ihrem Unternehmen stärken. Dies sind nur 2 Beispiele, wie wir uns die Stärkung von Arbeitnehmern in der Zukunft vorstellen. |
Moderator: Ich bedanke mich ganz herzlich auch im Namen der gesamten Community für das interessante Gespräch und wünsche Ihnen noch einen schönen Abend. Danke. :) |
michael_meister: Danke, einen schönen Abend aus Berlin. |
Moderator: Auf Wiedersehen, Herr Meister. |
: Moderator hat den Raum verlassen |