Chat-Transkript vom 05.05.2008

Georg Eisenreich, Mitglied des Bayerischen Landtages (CSU)

Thema: Bildung

: Georg_Eisenreich hat den Raum betreten
: Leguan hat den Raum betreten
: Moderator hat den Raum betreten
Moderator: hallo
Leguan: hallo mod, hallo Herr eisenreich
Georg_Eisenreich: Hallo zusammen
Moderator: Pünktlich um 17 Uhr sind wir für die Öffentlichkeit freigeschalten... dann gehts los :)
Georg_Eisenreich: Ich freue mich.
Leguan: kann losgehen , oder?
Moderator: Herzlich Willkommen beim heutigen Chat auf dol2day.com. Mein Name ist Michael Unterberger, ich bin Redakteur bei dol und der heutige Moderator. Unser heutiger Gast ist Herr Georg Eisenreich, den ich bitte, sich ganz kurz hier vorzustellen :-)
Moderator: Ein Hinweis noch in eigener Sache: Aussagen unserer Chat-Gäste, die im dol-Chat fallen, können wie immer bei unserem Partner "trupoli" bewertet werden. Die heutigen Aussagen stehen dort relativ zeitnah zur Abstimmung bereit. Hier der Link zum Profil unseres heutigen Gastes: http://www.trupoli.com/c/d2d/de/politiker/eisenreich_georg
Georg_Eisenreich: Vielen Dank für die Einladung. Ich bin 37 Jahre, von Beruf Rechtsanwalt, seit 2003 Mitgliedim Bayerischen Landtag, dort im Bildungsausschuss.
Moderator: Und um Bildung solls ja heute auch gehen... Herr Eisenreich, gleich mal vorweg: was macht Bayern (laut PISA) richtig, was die anderen Bundesländer falsch machen?
Georg_Eisenreich: Ich freue mich, dass wir heute das wichtige Thema Bildung haben. Bayern ist bei PISA national mit an der Sptize und international in der Spitzengruppe. Das Abschneiden anderer Bundesländer möchte ich nicht bewerten.
Moderator: Was ist denn das Erfolgskonzept Bayerns?
Leguan: Man sagt, dass Gesamtschulen meistens bei PISA gut abschneiden. Hat Bayern mehr Gesamtschulen, als nur HR oder Gymnasien?
Georg_Eisenreich: Unser Motto heißt "fordern und fördern", d.h. in Bayern wird Leistung und Anstrengung verlangt, aber auch viel an Unterstützung geleitstet. Die Frage des Schulsystems ist nicht ausschlaggebend für den Erfolg, sondern die Qualität des Unterrichts und Förderung der Schüler.
Moderator: Würden Sie sagen: das dreigliedrige Schulsystem hat sich bewährt?
Georg_Eisenreich: Was meinst Du mit HR?
Leguan: Haupt/Realschule
Georg_Eisenreich: Wir haben in Bayern kein dreigliedriges Schulsystem, sondern ein vielgliedriges Schulsystem. Aus meiner Sicht hat sich dieses bewährt. Wir haben vielfältigeTalente und Begabungen und daher sind auch auch vielfältige Wege notwendig.
Moderator: Sie sind also nicht unbedingt ein Befürworter einer Gesamtschule bis zur, sagen wir mal, 8 oder 9. Klasse?
Leguan: Ich wohne in hessen und ich merke, dass immer mehr Privatschulen auf der Basis von Montessori aufmachen und auch viel zulauf bekommen. Machen sie eine ähnliche Beobachtung auch in Bayern?
Georg_Eisenreich: Ich halte die Einführung der Gesamtschule für den falschen Weg. Zum einen würden wir aus unserem Bildungssystem eine Dauerbaustelle machen, müssten hohe Summen in neue Schulbauten investieren. Zum anderen haben verschiedene Studien ergeben, dass sich viele Begabungen nicht nicht ausreichend entwickelen können. Das schadet vielen Schülern in ihrer Entwicklung.
Moderator: Frage von huch an Georg Eisenreich:    "Was sagen Sie zu dem Trend, das sitzenbleiben oder auch Notengebung abzuschaffen. Jetzt erst wieder in Berlin per Gesetz geschehen..."
Georg_Eisenreich: In Bayern gibt zahlreiche private Schulen, die einen wichtigen Beitrag leisten. Es gibt in Bayern z.B. auch traditionell eine Reihe Schulen von kirchlichen Trägern, aber auch Montessori Schulen. Auch Kommunen, wie München, haben Schulen. Den größten Anteil haben aber staatliche Schulen, das wird auch so bleiben.
Georg_Eisenreich: Wir übersehen oft, dass die Schülerinnen und Schüler Leistung bringen wollen und auch sehen wollen, wie ihre Leistungen bewertet werden. Ich bin daher für das Geben von Noten. Gerade in Berlin gab es vor wenigen Wochen die Veröffentlichung einer neuen Studie. Danach hat die gemeinsame Schulzeit bis zur 6. Klasse nicht besonders gut abgeschnitten.
Moderator: Frage von Stalingrad 43 an Georg Eisenreich:    "Herr Eisenreich: Wenn die Kinder schon in der 4. Klasse (!) selektiert werden, wird ihnen schon sehr früh gesagt, welchen Weg sie gehen müssen. Werden damit nicht die SchülerInnen ihrer Chancen genommen? "
Georg_Eisenreich: Selektion ist ein Kampfbegriff der Gesamtschul-Befürworter. Wir sagen: Für die unterschiedlichen Begabungen brauchen wir unterschiedliche Bildungswege - Vielfalt statt Einheitsbrei. Wichtig ist aber, dass nach dem Übertritt an die weiterführenden Schulen das Schulsystem durchlässig ist. Unser Motto heißt: "Kein Abschluss ohne Anschluss". Damit wird keinem Schüler eine Chance genommen.
Moderator: Bei PISA schneidet ja Finnland immer besonders gut ab. Was kann man von dort lernen und evtl. übernehmen?
Leguan: Vielleicht passend zu Finnland: die Schüler lernen dort auch früh schon selbständig zu arbeiten und sind gewohnt in lernprozess eingebunden zu werden. Ich persönlich habe das deutsche Schulsystem asl stures asuwendiglernen erlebt.
Georg_Eisenreich: Mir ist wichtig festzustellen, dass das gute Abschneiden aus meiner Sicht nicht am Schulsystem liegt, denn Finnland kann aufgrund seiner Größe und der vergleichsweise geringen Bevölkerung nur eine Gesamtschule anbieten. Aus Finnland kann man aber lernen, den Schulen neben Lehrern auch weiteres pädagogischen Personal zur Unterstützung und zur individuellen Förderung der Schülerinnen und Schüler zur Verfügung zu stellen.
Moderator: Frage von Stalingrad 43 an Georg Eisenreich:    "Das Bildungssystem in Deutschland ist auf "Leistung" angewiesen. Die Schule ist für die Vorbereitung auf die Arbeitswelt da, aber nicht für die Entwicklung des Menschen bzw. der freien Entfaltung des eigenen Ichs. Wäre eine solche Schule, die weg von Druck und Leistung hin zu mehr Eigenverantwortung und Eigenentwicklung realistisch?"
Georg_Eisenreich: In der Bayerischen Verfassung steht, dass in der Schule Wissen und Können vermittelt werden soll, aber auch Herz und Charakter gebildet werden soll. Die Werteerziehung und Persönlichkeitsentwicklung ist daher eine wichtige Aufgabe der Schule. Aber ohne Leistung geht es weder in der Schule noch in der Arbeitswelt.
Moderator: Frage von Juli_ an Georg Eisenreich:    "Sie sagen: "Vielfalt statt Einheitsbrei". Dann schlagen sie aber vor, das in den Klassen statt Vielfalt nur Einheitsbrei sitzen soll. Wie verträgt sich das miteinander?"
Georg_Eisenreich: Diese Frage verstehe ich nicht.
Moderator: ich frag mal nach
Moderator: in der zwischenzeit eine andere frage
Moderator: Frage von Fretstar*** an Georg Eisenreich:    "In den meisten Ländern wird das Abi jetzt nach zwölf Schuljahren gemacht. Wie man liest, wurde dafür allerdings der zu lernende Stoff nicht anders aufgearbeitet, sondern es wurden einfach gesagt dreizehn Jahre in zwölf gepresst. Wie bewerten Sie das?"
Georg_Eisenreich: In Bayern liegt dem 8-jährigen Gymnasium ein neues Konzept zugrunde. Es ist daher nicht einfach nur ein um ein Jahr kürzeres Gymnasium. In Bayern wurde auch der Lehrplan angepasst und "Stoff" gekürzt. Über die Frage, ob die bisherigen Kürzungen reichen, gibt es lebhafte Diskussionen.
Moderator: und hier ist nun auch die Konkretisierung der vorherigen Frage:
Moderator: Frage von Juli_ an Georg Eisenreich:    "kann Vielfalt nicht gerade auch bedeuten, das Menschen mit unterschiedlichen sozialen, kulturellen und sosntigen Hintergründen voneinander lernen und aneinander reifen können? Also etwa lernschwächere mit lernstärkeren SchülerInnen? "
Moderator: Frage von Juli_ an Georg Eisenreich:    "Und werden diese Möglichkeiten nicht gerade durch Gesamtschulen geschaffen - die Gesamtschulen, von denen sie behaupten, sie würden "Einheitsbrei" produzieren (siehe oben)"
Leguan: @Juli_: das schaffen auch "normale" schuölen auch, es kommt immer noch auf die Lehrkompetenz der Lehrer an. Das kann cih so sagen, weil ich Lernamt studiere und auch weiß, was es für lehrerarten gibt. :)
Georg_Eisenreich: Die erste Frage möchte ich eindeutig mit "Ja" beantworten. Jeder Mensch kann von anderen Menschen lernen, genauso wie jeder Mensch etwas wertvolles beitragen kann. - Wenn die Gruppe aber von ihren Begabungen (der eine Teil mehr praktische Begabungen, der andere Teil mehr theoretische Begabungen) und ihren Lerngeschwindigkeiten zu unterschiedlich wird, dann hilft das keinem der Schüler weiter. Daher fördern aus meiner Sicht Gesamtschulen die individuellen Begabungen der Schüler nicht ausreichend.
Moderator: Frage von huch an Georg Eisenreich:    "Braucht Deutschland ein Zentralabtur mit gleichen Prüfungen bundesweit?"
Georg_Eisenreich: Ich möchte mich @Juli anschließen. Es kommt nicht auf die Schulstruktur, sondern auf den Unterricht an.
Leguan: @huch: das Zentralabitur gibt es schon, also auf jeden Fall in Hessen. aber auch nciht nur auf das gymnasium bezogen, sondern es werden auch einheitliche Prüfungen in der Hauptund realschule durchgeführt.
Moderator: ich denke, sie meint: EINE Prüfung für alle Bundesländer, um das Abi dann auch bundesweit vergleichen zu können
Leguan: @Mod: aber das kann man nciht bundesweit einheitlich machen, weil die bildung noch imemr bundesländerspezifisch ist..
Georg_Eisenreich: Die meisten Bundesländer haben ein Abitur mit zentral gestellten Aufgaben (im Gegensatz zur Abituraufgaben, die die einzelne Schule erstellt). - Wir haben in Deutschland Bildungsstandards für das Abitur. Ein bundesweites Zentralabitur kann es nur geben, wenn die Anforderungen gleich sind. Hier gibt es aber deutliche Unterschiede.
Leguan: entschuldigung. Herr Eisenreich sie dürfen sich auch dazu äußern. :)
Moderator: Frage von Stalingrad 43 an Georg Eisenreich:    "In Skandinavien, Kanada und weiteren PISA-Musterstaaten gibt es die Gemeinschaftsschulen. Wieso glauben sie, dass es in Deutschland nicht funktioniert? Ist es vielleicht doch die pure Ideologie des Konservatismus der keine Inovationen in D. zulassen? Wollen sie nicht über den Tellerrand sehen?"
Georg_Eisenreich: Was die Innovationskraft angeht, ist Bayern durchaus sehr gut. - Ich finde, dass die Strukturdedabatte vom eigentlichen Thema ablenkt. Wir brauchen Verbesserungen, die beim Schülern ankommen. Daher wollen wir die Qualität des Unterrichts verbessern, die individuelle Förderung der Schülerinnen und Schüler verstärken. Der Schüler steht für uns im Mittelpunkt. Die Länder, die genannt sind , haben nicht wegen ihres Schulsystems so gut abgeschnitten, sondern aus meiner Sicht wegen der Qualität ihres Unterrichts und der individuellen Förderung.
Moderator: Frage von PradaMeinhoff an Georg Eisenreich:    "Herr Eisenreich, Bayern hat mit 20,4 Prozent die niedrigste Abiturientenquote im Bundesländer-Vergleich (Hessen 31,5 %, NRW 29,6 %, Hamburg 33,2 %). Was wird die CSU in Bayern dafür tun, damit das Land nicht mehr länger Bildungsentwicklungsland ist?"
Leguan: noch zu: @stalingrad 43: es gab mal eine bewegung innerhalb der schulreformen, wo gesamtschulen eingeführt worden sind. aber ich kenne mind. 50% schlechte und 50% gute Gesamtschulen. Nicht die Schulart, sondern auch die lehrer mit ihren Methoden und auch die bereitschaft der schüler ist wichtig. erst wenn das alles stimmig ist, dann gelingt auch unterricht im sinne von PISA.
Moderator: haben Sie noch Zeit (obwohl es schon nach 18 Uhr ist) für eine letzte Frage zur Hochschulpolitik?
Georg_Eisenreich: Bei diesem Vergleich wird immer übersehen, dass es nicht auf die Zahl Abiturienten ankommt, sondern auf die Zahl der Hochschulzugangsberechtigungen. In Bayern werden 43% der Hochschulzugangsberechtigungen über die berufliche Bildung z.B. FOS und BOS erworben. Wenn man diese Gesamtzahl dann vergleicht, liegen wir im Mittelfeld.
Georg_Eisenreich: Ich habe noch Zeit.
Moderator: bestens :)
Moderator: Frage von Juli_ an Georg Eisenreich:    "Kommen wir zur Hochschulpolitik. Hier wurde durch die flächendeckende Einführung der B.A.-Abschlüsse das Studium weitestgehend standartisiert (Einheitsbrei!), individuelle Lernwege und unterschiedliches Lerntempo wurden weitestgehend verbannt. Die Folge sind höhere Abbrecherquoten sowie "Einheitsbrei" bei den produzierten Abgängern. Wie passt dies zum alten, europäischen Bildungsideal des Wilhelm von Humboldt, der stets vorallem das Individuum in den Mittelpunkt seiner Bildungspolitik gestellt hat=?"
Georg_Eisenreich: Was Sie zu Recht ansprechen, wurde auf europäischer Ebene entschieden, um die Vergleichbarkeit der Abschlüsse zwischen den Mitgliedsländern zu verbessern.
Moderator: die Zeit ist nun leider um... Herr Eisenreich, ich bedanke mich sehr herzlich für ihre Teilnahme an unserem heutigen Chat. Wenn Sie erlauben, werde ich Ihnen die übrig gebliebenen Fragen per Mail zusenden, dann können Sie diese, wenn Sie Zeit und Lust dazu haben, ja noch beantworten. Ich werde sie dann in unser Chat-Transkript einbauen...
Leguan: Ja vielen Dank Herr Einsenreich!
Moderator: Ich bedanke mich auch bei unsren zahlreichen Mitlesern und Fragestellern... leider konnte ich nicht alle Fragen einstellen, aber das kennt ihr ja schon ;)
Georg_Eisenreich: Vielen Dank für die Einladung.
Moderator: Nun noch ein kleiner Hinweis auf unsren Partner: Wer nun Interesse hat, abseits unserer Community noch die Aussagen von Herrn Eisenreich zu bewerten, sollte einen Blick zu unserem Partner "trupoli" werfen. Unter http://www.trupoli.com/c/d2d/de/politiker/eisenreich_georg kann man nun exklusiv schon die ersten Aussagen bewerten.
Leguan: @Mod und herrn Eisenreich: ich wünsche noch einen schönen abend.
Georg_Eisenreich: Ich stehe gerne wieder einmal für einen Chat zur Verfügung. Viele Grüße.
Moderator: Danke sehr... und allen noch einen schönen Abend! :)
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