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Fragenübersicht Kannst Du diese Euphorie von Hutten im historischen Kontext nachvollziehen?
1 - 5 / 5 Meinungen
13.05.2021 16:25 Uhr
Ja natürlich. So etwas vermittelt ganz eindeutig die geistige Stimmung der Aufklärung oder zumindest der Bildung. Das Vorliegende und Vorhandene wird nicht mehr als göttlich vorgegebene Ordnung gefasst, sondern der Verstand fasst dies als gleichfalls zunächst Unbegriffenes, aber auch als Begreifbares und Verstehbares auf, mit dem und an dem er sich messen kann. Wir stehen hier am Beginn eines Ausgangs, der später in der Aufklärung sich als Ausgang aus der selbstverschuldeten Unmündigkeit erweisen wird.

Die Dialektik dieses Prozesses, das Umschlagen von Aufklärung in die verwaltete Welt, in welcher Technik im Verein mit Kulturindustrie wieder den Zugang des Menschen zu seiner Befreiung abriegeln werden, ist dort noch fern. Niemand ahnte damals etwas von der Atombombe oder Fabrikation von Leichen in Auschwitz, d.h. der bewußten technischen Planung der Vernichtung des Menschen selbst. Und zwar nicht deswegen, um einer göttlichen Ordnung zu genügen - wie beispielsweise bei der Vernichtung der amerikanischen Hochkulturen - sondern als Ergebnis einer rational geplanten und durchweg irdischen Vernichtungspraxis.

All das ist bei Hutten noch fern und die beginnende Aufklärung scheint mit der Bildung die Rohheit in ihre Schranken zu weisen.

Diese Meinung wurde zuletzt geändert am 13.05.2021 16:29 Uhr. Frühere Versionen ansehen
13.05.2021 18:38 Uhr
Ich kann die Aufbruchstimmung sehr gut nachvollziehen, die mit dem wirtschaftlichen und wissenschaftlichen Aufschwung einhergeht - selbst wenn nicht alles Gold ist, was glänzt.
13.05.2021 18:44 Uhr
War er auch so euphorisch, als Frauen auf den Scheiterhaufen der Kirchen verbrannt wurden?
13.05.2021 18:46 Uhr
Im Mittelalter war man in Bayern noch euphorisch, da man nicht ahnte, dass 500 Jahre später die Stoibers, Seehofers und Söders das Land in Schutt und Asche legen.
13.05.2021 18:55 Uhr
Conrad Ferdinand Meyer, Die Beichte

Hier schreit ich über meinem Grabe nun –

Hei Hutten, willst du deine Beichte tun?


's ist Christenbrauch. Ich schlage mir die Brust.

Wer ist ein Mensch und ist nicht schuldbewußt?


Mich reut mein allzu spät erkanntes Amt!

Mich reut, daß mir zu schwach das Herz geflammt!


Mich reut, daß ich in meine Fehden trat –

Mit schärfren Streichen nicht und kühnrer Tat!


Mich reut die Stunde, die nicht Harnisch trug!

Mich reut der Tag, der keine Wunde schlug!


Mich reut – ich streu mir Aschen auf das Haupt –

Daß nicht ich fester noch an Sieg geglaubt!


Mich reut, daß ich nur einmal bin gebannt!

Mich reut, daß oft ich Menschenfurcht gekannt!


Mich reut – ich beicht es mit zerknirschtem Sinn –

Daß nicht ich Hutten stets gewesen bin!

(Ich kenne dieses Gedicht aus einem Brief von Rosa Luxemburg, wenn ich mich recht ersinne aus der Haft. Ich könnte schwören, dass es in ihrer Version in der letzten Zeile heißt "Daß ich nicht dreifach kühn gewesen bin!")

Der Kirchenkritiker Hutten, der den falschen Geistlichen auch die Fehde erklärte, konnte freilich noch nicht ahnen, wie die Kämpfe und Bauernkriege ausgehen würden und wie die Gegenschläge der Kirche aussehen würden. Dies Hutten vorzuwerfen erstaunt, gerade auch bei dem sich gerne revolutionär darstellenden dunkelroten Lager. Wären damals alle so resigniert gewesen, hätte es nicht einmal die Reformation gegeben.
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