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Fragenübersicht Welche Begebenheiten in Deiner Heimat/Wohngemeinde zum 9.11.1938 sind Dir bekannt?
1 - 11 / 11 Meinungen
09.11.2020 11:44 Uhr
Nicht aus meiner Heimatstadt, aber aus der Kreisstadt (15 km entfernt).
Eine entfernte Verwandte von mir (nach damaliger Diktion "Halb-Jüdin") wurde an jenem Tag körperlich von einem angestacjhelten Mob attackiert, worauf sie ein Vietteljahr später nach Groningen floh.
Von dort aus wurde sie nach dem heutigen Polen deportiert, wo sich ihre Spur verloren hat. Man kann es sich vorstellen ...
09.11.2020 11:48 Uhr
Eingangs sollte man wohl bedenken, dass der 9.11 nur ein guter Anlass war um die Schrauben in der Judenverfolgung anzudrehen.

Der schleichende Prozess der Anfangsjahre bis hin zu den Nürnberger Prozessen war zu diesem Zeitpunkt bereits darauf angesetzt, dass man die Juden aus dem Wirtschaftsleben rausbringen wollte und auch damals wohl noch auf Ausreise setzte.

Eichmann hat hier seine ersten Verdienste aus Nazisicht gehabt. Er hat im Palais Rothschild eine Auswanderungszentrale betrieben.

Das Attentat von Paris war hier wohl eine Handlung, die ungewollt zum rechten Zeitpunkt dem Naziregime in die Hände spielte.

Am Samstag war in der Presse ein Artikel, der in Wien als jüdisches U-Boot Kind 1944 im einem Keller geboren wurde. Die Eskalationen in Hinblick auf die Tempelschändungen gingen bereits Mitte Oktober los.

In Wien tobte der Antisemitimus enthemmt ab dem Zeitpunkt als der österreichische Bundeskanzler Schuschnigg sein Gott schütze Österreich (letzten Worte seiner Rücktrittsrede) ausgesprochen hatte.

Gewalttätige Übergriffe waren hier Alltag. Die Reibpartien in Wien wohl "legendär". Die Volksbelustigung zu dieser war es, dass man Juden die Parolen des Ständestaats von den Straßen wegputzen. Mit Bürste oder Zahnbürstl.

Es gibt hierzu 2 Geschichten aus Büchern und einer Videodokumentation.

Eine Geschichte berichtet, dass ein NSDAPler aus dem Altreich abreiste, weil ihm das anwiderte. Er war nach Wien zum Feiern des Anschlusses gekommen.

Erich Fried berichtete in einer Doku, dass ein NSDAPler mit Hakenkreuz am Revers zu ihm kam und ihm sagte, dass ihm das leid tut, weil er das nicht wollte.

Und ein Bekannter erzählte mir, dass sein Vater auf der Mariahilfer Straße als damals Großdeutscher von der NSDAP geheilt wurde, als er die eingeschlagenen jüdischen Geschäfte sah.

In dieser Stadt wurden auch später Deportierte mit Spott und Häme verabschiedet und ihnen der kommende Tod johlend mitgeteilt. So berichtete mal die Wiener Zeitung. Nach dem Krieg hat man sie zum Teil weiter angepöbelt, wie ein Uboot bei seinem ersten Kinobesucher im Sommer 1945 berichtet.

Um diese Zeit hat man sich im Umgang mit seinen jüdischen Mitbürgern kein Ruhmesblatt erworben.


Die Wenigen wie Irene Harand gilt es umso mehr im Gedenken hoch zu halten.

Diese Meinung wurde zuletzt geändert am 09.11.2020 11:49 Uhr. Frühere Versionen ansehen
09.11.2020 11:50 Uhr
In meiner Heimatstadt Goslar haben die Novemberpogrome mit aller verbrecherischen Kraft zugeschlagen. Es wurden annähernd alle Geschäfte von Kaufleuten, die Juden waren, zerstört. Das ging damals von der Kaiserpfalz mit ein paar Hundert Leuten aus, dann wurde gesoffen und ein Teil dieser Gruppe verwüstete dann nachts die Stadt. Zerstört wurde auch die Einrichtung der damals noch existierenden Synagoge, wobei der Eigner des Gebäudes nach den Pogromen dazu genötigt wurde, das Grundstück zu verkaufen. Die Synagoge wurde dann etwas später abgerissen. Überdies wurden mehrere Menschen, die Juden waren, in Schutzhaft genommen.

Das ist so etwa das, was ich über Goslar weiß.

09.11.2020 11:55 Uhr
Was ich übrigens noch allgemein sagen kann: Alle in Goslar lebenden Juden - Goslar ist eine kleine Stadt, es waren glaube ich anfangs des dritten Reichs so hundert, im weiteren Verlauf dann irgendwann nur noch 30-40 - wurden ausnahmslos vom NS-Regime ermordet.
09.11.2020 12:08 Uhr
Ich habe nichts gewusst, ist übrigens etwas, woran ich immer weniger glaube um so älter ich werde.

Wenn ich bedenke, dass die Ausgrenzung doch schleichend sehr früh bekam. Und in den jeweiligen neugewonnenen Gebieten rasch an Fahrt gewann und es sich von mal zu mal steigerte.

Wenn man die Reichsprogomnacht erlebt, wenn man erlebt, dass der jüdische Nachbar rausgeworfen wird, wenn man erlebt, dass der jüdische Professor von der Uni verschwindet und wenn man erlebt, dass nun viele auch auswandern.

Die Diskriminierungsprozesse vor dem gezielten Mord sprachen doch schon Bände.

Wenn man erlebt wie die Juden mitttels eines Sternes stigmatisiert werden, in Häuser zusammengepfercht werden. Durch die Stadt wie oben beschrieben im LKW gefahren werden zu einem Bahnhof.

Wenn man auch die Dokumente berücksichtigt, wie Klemperer, wie Anne Frank, auch Marissa Müller, die im Rahmen ihrer Forschung mal sagte, dass es Otto Frank klar war, je weiter es nach Osten geht umso weniger Hoffnung darf man auf ein Überleben haben.

Wenn man bedenkt, dass man im Osten sicher auch einiges mitbekam, von den Einsatzgruppen und Gaswagen.

Die Bahn fuhr in die Vernichtungslager.

Ich glaube ehrlich gesagt nicht, dass man nichts wusste.

Ein Wehrmachtsangehöriger erzählte mir Jahrzehnte später, dass sie an einem Bahnhof hielten, dort stand tagelang ein Zug mit Juden, am Nebengleis, um dem sich niemand kümmerte.

Nicht umsonst beschreibt z.b Nicholas Stargardt
in seinem Buch "Der deutsche Krieg", dass man die Allierten Angriffe auf Hamburg und Köln als Revanche für die Schandtat der Judenmorde vor Ort wahrnahm.

Unwissende waren das nicht.

Wenn man sagt, ich wollte es verdrängen, weil ich mich für mein Schweigen geschämt habe, dann kommen wir wohl der Wahrheit näher.

Man hat es verdrängt, weil man wusste, dass es das Leben kosten kann, wenn man hier eine Handlung setzt.

Diese Meinung wurde zuletzt geändert am 09.11.2020 12:11 Uhr. Frühere Versionen ansehen
09.11.2020 12:11 Uhr
Zitat:
Ich habe nichts gewusst, ist übrigens etwas, woran ich immer weniger glaube um so älter ich werde.


Ich war da schon immer skeptisch aber mir geht es ansonsten wie dir, je mehr man sich über diese Zeit Gedanken macht und sich die Entwicklungen anguckt, desto klarer wird es.

"Ich habe nichts gewusst" kann einfach keine Ausrede für eine so offensichtliche Welle von Zerstörung und Verfolgung sein.

Gut möglich, dass viele Menschen sich von der NS-Propaganda haben überreden lassen, diese Entwicklungen gut zu finden. Am Tag nach den Pogromen stand in meiner Heimatzeitung folgende Schlagzeile: "Deutsche Auffassung zur Judenfrage - friedliche Scheidung zwischen Deutschen und Juden".

Ich kann mir vorstellen, dass sich sehr viele Leute haben manipulieren lassen. Dass sehr viele Leute aber schlicht nicht gewusst hätten, was da so vorgeht...nein. Nicht bei diesem offensichtlichen Vorgehen.
09.11.2020 12:19 Uhr
Zitat:
Ich habe nichts gewusst, ist übrigens etwas, woran ich immer weniger glaube um so älter ich werde.


Mir fällt es auch schwer, das zu glauben und dieser Aspekt ist auch im Regierungsstatement enthalten.

Den 9.11.1938 haben viele mitbekommen, sie konnte ja gar nicht anders, wenn in der Nähe Geschäfte und Synagogen brannten.
09.11.2020 12:28 Uhr
80 Jahre nach der sog. Reichspogromnacht gedenken Deutsche dieser unheilvollen Zerstörung. Was aber in Köln kaum bekannt ist: Als die Synagoge in der Kölner Glockengasse im November 1938 brannte und dabei Hunderte von SA-Leuten feixend zusahen, fasste sich der Kölner Diözesanpriester Gustav Meinertz ein Herz: Er rannte in das brennende Gebäude, um das Wichtigste zu retten, die Thorarolle. Diese Rolle beinhaltet den priesterlichen Kult- und Rechtsbescheid, die Weisung und Lehre, kurz den Willen Gottes. Bei dieser Gelegenheit soll der Leiter des Heilig-Land-Vereins gesagt haben: „Hier wird nicht nur die Bibel der Juden zerstört, sondern auch die Bibel der Christen“. Denn das Alte Testament gehört sowohl Juden als auch Christen.

Der Kölner Geistliche verübte eine riesenmutige Tat. Meinertz verbarg die Thorarolle in der Zeit des Zweiten Weltkriegs in seiner Wohnung, um sie nach den Wirren der NS-Ideologie der jüdischen Gemeinde Köln zurückzugeben.
09.11.2020 12:31 Uhr
Zitat:
Zitat:
Ich habe nichts gewusst, ist übrigens etwas, woran ich immer weniger glaube um so älter ich werde.


Mir fällt es auch schwer, das zu glauben und dieser Aspekt ist auch im Regierungsstatement enthalten.

Den 9.11.1938 haben viele mitbekommen, sie konnte ja gar nicht anders, wenn in der Nähe Geschäfte und Synagogen brannten.


Nicht nur an diesem Tag, sondern davor und danach. Außer man wollte man nichts sehen, dann ging das vllt.

Die Erziehungserkenntnis gegenüber den Deportierten musste im Amtsblatt veröffentlicht werden.

Wenn Du z.b 1000 Israels und Saras in einer Zeitungsausgabe hast, dann musst Du Scheuklappen haben.
09.11.2020 15:42 Uhr
Am Ort, an dem ich aufgewachsen bin, wurde am 8.11. geprobt und es galt als voller Erfolg, so dass man dann reichsweit am nächsten Tag an die Umsetzung ging. Das ganze Land hatte eine unheilvolle Rolle, denn hier gab es bereits Abgeordnete der Antisemitischen Parteien, lange bevor Antisemitismus mit der NSDAP populär wurde - allerdings gab es als Gegenreaktion auch Aufklärung gegen Antisemitismus durch die Nationalliberale Partei.
Zeitzeugen behaupteten, die Probe hätten am Ende doch vor allem SA-Leute durchgeführt, die Polizei habe sogar schlimmstes verhindert. Ich habe da ein Fragezeichen über die Glaubwürdigkeit, aber es mag durchaus sein, dass der Antisemitismus beim ländlichen Umland stärker vertreten war als in der Stadt.
09.11.2020 22:10 Uhr
Der Brand der Synagoge. Dort, wo sie früher stand (gegenüber vom Krankenhaus) ist eine Plakette, die dran erinnert. Da hatte heute abend dann auch jemand ein Licht aufgestellt. Gut, dass die "Ey-Alta-Buddies", die hier rumlaufen, nicht wissen, warum.
  GRUENE   IDL   SII, KSP   FPi
  CKP, KDP   UNION   NIP   PsA
  LPP   Volk, Sonstige
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