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Fragenübersicht Unter Anderem ein großes, blau - gelbes Möbelhaus hat beschlossen, künftig in Rußland keine neuen Häuser mehr zu eröffnen so lange dort Schmiergelder gezahlt werden müssen. Wie stehst Du zu dieser Entscheidung?
1 - 16 / 16 Meinungen
08.04.2013 15:24 Uhr
Ausgerechnet Ikea, mit seinen dubiosen Finanzströmen und eigenartigen Stiftungen auf seltsamen Inseln hinter dem Konzern?

08.04.2013 15:31 Uhr
Grundsätzliche vernünftig. Aber in wie vielen Ländern kann IKEA dann noch aktiv sein? Besser wäre doch, Bestechungsansinnen jeweils öffentlich zu machen.
08.04.2013 15:59 Uhr
dann müßten sie hier bei uns auch die Läden zumachen...
08.04.2013 16:24 Uhr
hee - nix da, da gibts doch Kaffee kostenlos... sowas
08.04.2013 16:44 Uhr
Zumindest erstmal eine gute Idee!
08.04.2013 16:52 Uhr
Zitat:
Besser wäre doch, Bestechungsansinnen jeweils öffentlich zu machen.


Guck Dir auf transparency international alle Länder an, die sich auf dem Niveau von Griechenland oder darunter befinden. Wer in solchen Ländern auch nur einen Zeitungskiosk betreibt, zahlt auch Schmiergelder, sonst ist sein Laden in einem Monat einfach dicht.

Das Problem an hochgradig korrupten Staaten wie Griechenland oder gar Russland ist ja, dass Du selbst für diejenigen Dienstleistungen schmieren musst, die Dir eigentlich ohnehin zustehen.

In diesem Fall ist das Schmiergeld eher eine Art Schutzgeld, das Du an Beamte entrichten musst. Versuche mal, einen Container mit x-beliebiger Ware nach Ägypten einzuführen. Ohne Schmiergelder werden auch vollkommen legale Warenmit gültigen Papieren einfach nicht abgefertigt. Zahlst Du dagegen das Schmiergeld, dann fragt niemand was Du eigentlich transportierst. Kriegt der Zollbeamte allerdings mit, dass etwas illegales drin ist, erhöht er einfach nur seinen Preis.

Wenn man in diesem Fall die Schmiergeld zahlenden Firmen anprangert, dann läuft das eigentlich nur auf einen Totalboykott aller korrupten Staaten hinaus. Sagen wir mal so: Würden deutsche Firmen keine griechischen Beamten bestechen, wäre die dortige Wirtschaft schon lange zusammengebrochen, weil in Griechenland auch alle völlig legalen Geschäfte schmiergeldpflichtig sind.
Ist Griechenland schon ausgesprochen korrupt, so sind die Zustände in Russland nochmal um einiges schlimmer, da die Verwaltung in Russland sogar noch um einiges schlechter ist, als in den meisten Staaten Schwarzafrikas.

Die Entscheidung Ikeas kann ich vollkommen nachvollziehen. Korruption ist ein genau so großes Übel, wie eine fehlende Infrastruktur. Man kann sich auf Staaten mit diesem Übel spezialisieren, aber für ein normales Unternehmen ist halt irgendwann Sense mit dem, was man noch tolerieren kann. Und Russland ist nunmal ein total besch***ener Industriestandort, wenn man nicht gerade mit Erdgas, Prostituierten, Waffen oder Drogen handelt.
08.04.2013 19:28 Uhr
Dann ziehen halt russische Oligarchen und Ex-Kombinatchefs oder chinesische Superkommunisten den Markt auf. Die Arbeiter sind günstig und genug Urwälder zum Zerstören gibts in Russland ja noch genug.
08.04.2013 21:22 Uhr
Ist natürlich ungewohnt. Bis dato erhielt diese Möbelhaus Bestechungsgelder von den Kommunen, damit es sich dort ansiedelte, nun sollen sie dafür bezahlen.

Das Konzerne mit Kosten Probleme haben ist nicht unbekannt, wo ist die Neuigkeit in dieser Nachricht? Zeigt IKEA sich demnächst selbst an, wenn es wieder irgendwo Vergünstigungen für eine Neuansiedlung bekommt?

Nein? Na dann interessiert mich das hier rein gar nicht.
09.04.2013 06:55 Uhr
Solange es sich rechnet, kann man auch Schmiergelder bezahlen. Wenn die Schmiergelder so teuer werden, dass sie den möglichen Gewinn übersteigen, dann lohnt es sich eben nicht mehr.

Bei IKEA dürfte das eher einen anderen Hintergrund haben. Deren Hauptklientel ist die Mittelschicht. Die verschwindet aber in Russland noch schneller als anderswo.

Arme gehen zum überteuerten IKEA höchstens für ein billiges Frühstück (wie in Spanien). Und Reichen ist es zu billig. Dazwischen gibt es eben kaum noch was.
Also ist einfach die passende Klientel nicht mehr vorhanden.
09.04.2013 06:58 Uhr
@Widu Wildgeist
Fairerweise solltest du dazusagen, dass in vielen Staaten die kleinen Beamten so mies bezahlt werden, dass sie praktisch keine andere Wahl haben, als sich etwas dazuzuverdienen. Das ist eine Nebenprodukt des schlanken Staates.
Und wenn man wie in Griechenland die Gehälter noch weiter zusammenstreicht, vergrößert sich das Problem dieser Notwehr nur.

Bei uns ist es ja auch nicht gerade so, dass es alles umsonst gibt. Da werden durchaus satte Gebühren erhoben. Und als solche (zusätzliche) Gebühr muss man das eben in diesen Ländern betrachten.

Letztlich ist das nur eine konsequente Form der Privatisierung.
09.04.2013 10:52 Uhr
@ Solid

Zitat:
Fairerweise solltest du dazusagen, dass in vielen Staaten die kleinen Beamten so mies bezahlt werden, dass sie praktisch keine andere Wahl haben, als sich etwas dazuzuverdienen.


Die Erfahrung zeigt, dass es für die Bekämpfung der Korruption vor allem wichtig ist, dass die Beamten pünktlich bezahlt werden. Die Pünktlichkeit der Bezahlung ist im Zweifel viel wichtiger als die Höhe. Auf eine niedrige Bezahlung kann man sich einrichten, spätestens durch die Suche eines anderen Jobs. Bei Zahlungsverzug kommen Menschen viel schneller in die Bredouille, weil ihre noch so bescheidene Kalkulation über den Haufen fällt.

Die Bedeutung der Bezahlungshöhe wird übrigens regelmäßig überschätzt. Shooting-Stars der Korruptionsbekämpfung wie Botswana oder Georgien haben Beamtenlöhne, die nur leicht über den Alternativen in der Privatwirtschaft liegen. Im Gegenzug hast Du in vielen Ländern sehr reiche Top-Verdiener, die sich trotzdem bestechen lassen.

Zitat:
Und wenn man wie in Griechenland die Gehälter noch weiter zusammenstreicht, vergrößert sich das Problem dieser Notwehr nur.

Griechenland hat vor allem viel zu viele Beamte. Die könnten alle korrupten Beamten sofort feuern, den Personalüberschuss dafür hätten sie ja.
Im Übrigen verdienen griechische Beamte immernoch mehr, als viele ihrer Kollegen in korruptionsärmeren Staaten.

Klassischer Fall von einer Überbewertung der Gehaltshöhe. In den letzten Jahren jedenfalls haben die griechischen Beamten sich relativ fürstlich bezahlen lassen und wurden trotzdem korrupter als in anderen EU-Staaten und auch korrupter als in vielen Entwicklungsländern.

Zitat:
Bei uns ist es ja auch nicht gerade so, dass es alles umsonst gibt. Da werden durchaus satte Gebühren erhoben. Und als solche (zusätzliche) Gebühr muss man das eben in diesen Ländern betrachten


Das ist falsch gedacht. Die Schmiergeldzahlungen sind eine sehr ineffiziente Art der Besteuerung. Wenn eine reguläre Gebühr erhoben wird, weiß das der Geschäftsmann schon vorher und die Investition wird überhaupt kalkulierbar. Wenn ich ausserdem beim deutschen Zoll eine Gebühr bezahle, bekomme ich eine Rechnung. Wenn mir dann der nächste Zollbeamte doof kommt, dann beweise ich, dass ich schon bezahlt habe und die Sache ist gegessen. Schmiergeldzahlungen machen das System hochgradig ineffizient.

Davon abgesehen machen reguläre Zahlungen das System auch für den Staat transparent. Der Beamte erhält einen Lohn von x € und sammelt y € an Gebühren ein. Beides kommt in der Bilanz vor.
In korrupten Ländern führt das System zu sehr ungleichen Einkommen der Beamten (soziale Ungerechtigkeit) Unsicherheit bei der Privatperson (wie viel knüpft er mir diesmal ab). Unsicherheit zerstört aber viele Investitionen, die sich bei bekannten Kosten durchaus rentieren würden.

Und nicht zuletzt verliert der Staat bei korrupten Beamten die Möglichkeit, überhaupt handlungsfähig zu sein. Wenn der Beamte nach der Schmiergeldzahlung nicht mehr kontrolliert, dann liegt gar keine Kontrolle mehr vor. Und dann stellt sich die Frage, warum ich als Staat überhaupt noch Zöllner brauche, wenn die sowieso keine Container nach verbotener Ware filtern.

In Georgien wurde die einst ausufernde Korruption in der Polizei eingedämmt, indem ganze Polizeieinheiten aufgelöst wurden.
Beispielsweise gab es einst eine Verkehrspolizei, die Kontrollen nach Art unseres "TÜV" durchführte. Das Problem war: Die haben für jede Kontrolle 50 $ kassiert. Mit Bezahlung kam jede Rostlaube durch, ohne Bezahlung nicht mal der fabrikneue Daimler. Diese Verkehrspolizei wurde im Zuge einer Reform einfach komplett und ersatzlos aufgelöst. Vorher wurde sowieso nicht kontrolliert, hinterher auch nicht, also wurde nichts verloren. Aber jeder PKW-Besitzer spart jetzt pro Intervall 50$ ein.

Generell bietet sich die Verschlankung des Staates als ganz gutes Mittel an, um die Korruption einzudämmen. Wenn nämlich diejenigen Kontrollen wegfallen, die von den Beamten als überflüssige Bürokratie empfunden werden, dann steigt auch die Motivation, einer Bestechung zu widerstehen. Wenn der Beamte dagegen nur "den Antrag zur Erteilung eines Antragsformulars" überprüfen soll, dann steigt die soziale Akzeptanz eines Schmiergeldes, damit der überflüssige Papierkram bleiben gelassen wird.

Zitat:
Letztlich ist das nur eine konsequente Form der Privatisierung.

Es ist die denkbar ineffizienteste Form der Privatisierung.
09.04.2013 11:26 Uhr
@Widu Waldgeist
Du vermischst in deinem Beitrag Mikrokorruption und Makrokorruption.

Mikrokorruption ist der bestechliche Zollbeamte in blanker wirtschaftlicher Not.

Makrokorruption sind käufliche Spitzenbeamte oder Politiker. Da geht es um ganz andere Größenordnungen und keine persönliche Notlage kann als Rechtfertigung herhalten.

Selbstverständlich hat bei der Mikrokorruption neben der Pünktlichkeit der Löhne auch deren Höhe Einfluss.

Solange die Löhne der Polizeibeamten nicht existenzsichernd sind und von der Gesellschaft regelrecht erwartet wird, dass die die Hand aufhalten, wird es immer Mikrokorruption geben.

Und wenn die erst mal da ist, ist es sehr schwer, die zu bekämpfen, weil das schnell zur Gewohnheit wird, die man auch dann nicht ablegt, wenn die Löhne höher werden.

---

Es hat auch niemand behauptet, dass Schmiergeld effizient sei.

Genausowenig wie sich nachweisen lässt, dass Privatisierungen effizient wären.

Effizienz muss man sich aber eben auch erst mal leisten können und wollen!

---

Zitat:
Generell bietet sich die Verschlankung des Staates als ganz gutes Mittel an, um die Korruption einzudämmen. Wenn nämlich diejenigen Kontrollen wegfallen, die von den Beamten als überflüssige Bürokratie empfunden werden, dann steigt auch die Motivation, einer Bestechung zu widerstehen.


Die Leute lassen sich doch nicht bestechen, weil sie ihre Arbeit doof finden, sondern weil sie das Geld brauchen. Saublöde Argumentation!

Natürlich ist es für Neoliberallalas toll, wenn sie sich an keine REgeln halten müssen und z.B. Waffen, Drogen, Altertümer, seltene Tiere und Pflanzen, Müll, etc. einfach so hin und herschieben können.

Nur ist das für die betroffenen Gesellschaften keineswegs ebenfalls wünschenswert.
09.04.2013 11:52 Uhr
Zitat:
Du vermischst in deinem Beitrag Mikrokorruption und Makrokorruption.


Was man hier alles lernt.
09.04.2013 12:01 Uhr
Zitat:
Selbstverständlich hat bei der Mikrokorruption neben der Pünktlichkeit der Löhne auch deren Höhe Einfluss.

Ja, die Höhe hat Einfluss. Ihre Rolle wird aber regelmäßig stark überschätzt.
Wo die Korruption erfolgreich zurückgedrängt wurde, bestand der Kampf nicht unbedingt aus einer starken Anhebung der Löhne. Und wo die Beamten besonders bestechlich sind, sind deren Löhne nicht unbedingt besonders niedrig, siehe insbesondere auch Griechenland.

Zitat:
Solange die Löhne der Polizeibeamten nicht existenzsichernd sind und von der Gesellschaft regelrecht erwartet wird, dass die die Hand aufhalten, wird es immer Mikrokorruption geben.

Du vermischst hier zwei Dinge, die getrennt gehören. Das eine ist die Frage, ob die Löhne existenzsichernd sind. Ja, sie sollten eine Existenz auf etwa mittlerem landestypischem Niveau sichern. Auf jeden Fall sollte der Beamte nicht bei Ehrlichkeit hungern müssen.

Die zweite Sache von der Du sprichst ist die Erwartung, dass der Beamte die Hand aufhält. Das hat mit dem Maß an Bürokratie zu tun. Je mehr Vorschriften existieren, deren Sinn niemand einsieht, umso mehr erwarten die Menschen, dass sich der Beamte - notfalls gegen eine Entschädigung - über Gesetze hinwegsetzt. Deshalb dient es der Korruptionsbekämpfung, wenn die Gesetze verschlankt werden. Das erleichtert dann übrigens auch die Kontrolle, ob die Gesetze von den Beamten eingehalten werden.

Zitat:
Effizienz muss man sich aber eben auch erst mal leisten können und wollen!

Nicht ganz. Effizienz muss sogar am Anfang stehen, weil sonst jede weitere Aufbauarbeit erfolglos ist.

Zitat:
Und wenn die erst mal da ist, ist es sehr schwer, die zu bekämpfen, weil das schnell zur Gewohnheit wird, die man auch dann nicht ablegt, wenn die Löhne höher werden.

Die Erfahrung zeigt, dass durch Verwaltungsreformen die Korruption sehr schnell zurückgedrängt werden kann, wenn ein politischer Wille dazu besteht. Ob das Land mittlerweile eine korrupte Gewohnheit entwickelt hat, spielt nur für den letzten Schliff eine Rolle.

Zitat:
Natürlich ist es für Neoliberallalas toll, wenn sie sich an keine REgeln halten müssen und z.B. Waffen, Drogen, Altertümer, seltene Tiere und Pflanzen, Müll, etc. einfach so hin und herschieben können.


Umgedreht wird ein Schuh draus. Für Neoliberallalas ist es toll, wenn die Regeln von vornherein bekannt sind. Ich will schon auf dem Basar und nicht erst auf dem Flughafen wissen, ob ich das Prunkschwert, das Tierfell oder das toll reinknallende Tränkchen mit nach Hause nehmen kann oder nicht, bzw. was es kostet. Schon praktisch, wenn ein Blick in die Zollbroschüre ausreichen würde.


10.04.2013 05:24 Uhr
@Widu
Die Regeln sind ja vorab bekannt. Es ist nur nicht klar, ob sie durchgesetzt werden oder nicht.
Viele Regeln sind auch durchaus sinnvoll, auch wenn einige aus Profitgier diese Regeln gerne abschaffen wollen.
Es ist ja nicht das Problem dass es die Regeln gibt, sondern dass sie manchmal nicht durchgesetzt werden.

Mikrokorruption hat aber auch gewaltige Vorteile. Man kann viele Dinge "regeln". Bei uns hingegen ist es oft so, dass sich keine pragmatische Regelung finden lässt und stattdessen völlig unverhältnismäßige Maßnahmen auf Teufel komm raus durchgesetzt werden.
Nicht selten heißt es dann, die Beamten seien "herzlos".

Nicht zuletzt muss man auch bedenken, dass staatliche BEschäftigung eben auch ein Beschäftigungsprogramm ist. Schließlich schaffen nicht mal wir es, auch nur annähernd Vollbeschäftigung zu erreichen.

Zu viele Arbeitslose führen zu mehr Kriminalität. Das kann so weit gehen, dass ein ganzer Staat von der Mafia organisiert wird wie in Russland. Dort hat man es nicht mehr mit Korruption zu tun, sondern mit organisierter Kriminalität auf staatlicher Ebene...
10.04.2013 07:08 Uhr
Zitat:
Viele Regeln sind auch durchaus sinnvoll, auch wenn einige aus Profitgier diese Regeln gerne abschaffen wollen.
Es ist ja nicht das Problem dass es die Regeln gibt, sondern dass sie manchmal nicht durchgesetzt werden


Und genau darum geht es. Man sollte nur sinnvolle Regeln erlassen, die man auch einigermaßen durchsetzen kann.

Zitat:
ttdessen völlig unverhältnismäßige Maßnahmen auf Teufel komm raus durchgesetzt werden.

Ein Zeichen dafür, dass die Regeln nicht sinnvoll sind.

Zitat:
Nicht zuletzt muss man auch bedenken, dass staatliche BEschäftigung eben auch ein Beschäftigungsprogramm ist. Schließlich schaffen nicht mal wir es, auch nur annähernd Vollbeschäftigung zu erreichen.

Was ausschliesslich mit Tarifen und Arbeitsverhindungersgesetzen zu tun hat. Ein de-facto-Mindestlohn größer als Gleichgewichtslohn verursacht Arbeitslosigkeit.

Zitat:
Zu viele Arbeitslose führen zu mehr Kriminalität. Das kann so weit gehen, dass ein ganzer Staat von der Mafia organisiert wird wie in Russland. Dort hat man es nicht mehr mit Korruption zu tun, sondern mit organisierter Kriminalität auf staatlicher Ebene...


Allerdings hat in Russland nicht die Armut die Kriminalität verursacht, sondern die Kriminalität die Armut.
Die mafiosen Strukturen reichen in die Sowjetzeit zurück und auch die Seilschaften der Mafia sind im Wesentlichen mit den Seilschaften von KGB und KPdSU identisch. Dies gilt übrigens für alle post-sowjetischen Staaten. Der Kampf gegen die dortige Kriminalität wird daher umso erfolgreicher, je mehr die alt-roten Eliten insbesondere in Wirtschaft, Polizei und Justiz entmachtet werden.

Speziell im Fall Russland dürfte der Bock zum Gärtner gemacht worden sein, als der KGB-Oberst Putin das Zepter in die Hand nahm. Auch wenn man ihm zu Gute halten muss, dass unter seiner Herrschaft die Ausplünderung der Russen etwas zivilisierter vonstatten geht, was zu einem bescheidenen Wohlstandsgewinn der einfachen Russen geführt hat.

Das Baltikum und Georgien sind post-sowjetische Beispiele dafür, wie die organisierte Kriminalität stark zurückgedrängt werden kann. Georgien ist insofern interessanter, als es nach dem Ende der Sowjetunion erstmal im Chaos versank und in der Ära Schewardnadse den Rückwärtsgang einlegte, um die Beziehungen zu Russland zu verbessern. Die Mafia bekam freie Hand, bei einigen Polizeieinheiten wurde eine Bewährung für die georgische Sektion der russischen "Diebe im Gesetz" sogar zur Voraussetzung für die Einstellung; ebenso bekamen die Paramilitärs um den Zuhälter Iossiliani sogar Polizeibefugnisse.

Umso gravierender fielen nach der Rosenrevolution 2003/2004 die Gegenmaßnahmen aus: In Polizei und Justiz wurden Massenentlassungen durchgeführt und sämtliche Schlüsselpositionen wurden durch junge Leute ersetzt, die vorzugsweise im Westen studiert hatten. Richter und Minister um die 30 wurden zur Regel nicht zur Aufnahme, Erfahrungsmangel galt gegenüber alten Seilschaften als kleineres Übel.
In der gesamten Verwaltung wurden die Abläufe verschlankt, damit sie überhaupt überwachbar wurden. Fakt ist, dass die völlig übliche Bestechungspflicht aus dem Alltag der Menschen verschwunden ist. Ebenso weitgehend verschwunden sind die früher regelmäßigen Entführungen junger Frauen in diverse Bordelle der Türkei, Deutschlands und Österreichs, Raubüberfälle sind ebenfalls zur Seltenheit geworden. Selbst auf den Gebrauchtwagenmärkten tauchen bei Stichproben fast niemals Hinweise auf gestohlene Fahrzeuge auf, früher bestand der Markt hingegen fast ausschliesslich aus Diebesgut.

Eine Kehrseite der Medaille gibt es übrigens auch: Die Justiz ist vorwiegend mit Leuten besetzt, die nur die Anklageseite kennen. Die Verurteilungsquote ist dadurch mit über 95% zu hoch, um wirklich vom rechtsstaatlichen Standpunkt her zufriedenstellend zu sein. Bei der Polizei ist ein Großteil des Streifen-Personals unzureichend ausgebildet, was sich insbesondere in der völligen Unfähigkeit zur Deeskalation und einer relativ hohen Gewaltbereitschaft gegenüber Verdächtigen und Häftlingen zeigt. Auf dem Weg zu einer intakten Demokratie ist gerade in diesem Sektor noch einiges zu tun.

Für ein Land, das aber vor 10 Jahren noch als gescheiterter Staat galt und immernoch von außen destabilisiert wird, ist diese zurückgelegte Entwicklung durchaus interessant. Zumal die Reformen von nur recht geringen finanziellen Unterstützungen aus dem Westen flankiert wurden, die nicht im Entferntesten mit den Hilfen für Griechenland vergleichbar sind. Zumal sich die meisten Unterstützungszahlungen auf Militärhilfen aus den USA bezogen und lediglich die Armee für Hilfseinsätze im Irak und in Afghanistan einsatzfähig machen sollten.

Gerade im Bereich der normalen Verwaltung hat sich die Kombination aus einer Verschlankung der Vorschriften, bessere Überwachung der Arbeitsschritte und rigorose Entlassungen bei der Bestechlichkeit als sehr leicht durchführbar gezeigt, selbst wenn kein großes finanzielles Polster vorliegt. Eine ganz ähnliche Entwicklung hat zuvor übrigens schon Botswana gezeigt, das innerhalb Afrikas als Leuchtturm schwarzafrikanischer Korruptionsbekämpfung gilt.

Sprich: Ein Land braucht keine Milliarden-Spritzen vom Ausland, um verwaltungsmäßig wieder auf die Beine zu kommen. Sondern im Gegenteil: Die Verwaltung muss überhaupt wieder in Gang kommen, damit alle anderen Projekte, etwa in der Sozialfürsorge oder die Sanierung des Investitionsstandortes überhaupt fruchten können. So lange die Korruption nur halbherzig bekämpft wird, klappen alle anderen Anliegen auch nicht.

Diese Meinung wurde zuletzt geändert am 10.04.2013 09:11 Uhr. Frühere Versionen ansehen
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