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Fragenübersicht Wird sich der erneuete Wahlerfolg der Altparteien PASOK und NeaDemokratia in Griechenland als Pyrrhussieg für die EU-Kommission und die Brüsseler Sparkommissare herausstellen?
1 - 12 / 12 Meinungen
24.06.2012 17:06 Uhr
Auch wegen unterdosierter Satzzeichen fand ich den Umfragehintergrund etwas schwierig zu durchdringen... Ist nicht etwa der "Abbau" der Korruption eine recht grundlegende Bedingung der Auflagen für Griechenland? Ich habe nicht den Eindruck, dass die neue Regierung gerade diesen Punkt neu verhandeln und Korruption regungslos weiter hinnehmen will. Tsipras hatte das "korrupte System" zu einem der Hauptangriffsziele seines Wahlkampf gemacht, ja, aber auch die alten Parteien kann man jetzt schlecht geschlossen als Korruptions- und Schattenwirtschaftsbefürworter hinstellen, weil sie im Interesse ihres Landes grundsätzlich neue Verhandlungen mit den Geldgebern anstreben.

Ich halte für politisch selbstverständlich und es war im Vorhinein absehbar, dass alle Parteien zumindest eine Lockerung/Streckung der Auflagen fordern, weil der einseitige Sparkurs dem Land ganz einfach noch weiter geschadet hat. Ich unterstelle der neuen Regierung nicht, sich darauf dann ausruhen zu wollen, ohne die evidenten Missstände im Land zu bekämpfen.

(Übrigens, bekannter Scherz unter Altphilologen: Das Neugriechische kennt nur noch drei Vokale: i, i und i. Entsprechend heißt es ganz korrekt "Nea Dimokratia". ;-) )
24.06.2012 17:11 Uhr
Man soll den Tag nicht vor dem Abend loben. Denn die Stimmung aus Griechenland ist klar: Sparen ja. Aber nicht auf Kosten der Schwachen der Gesellschaft.
24.06.2012 17:22 Uhr
Naja, ND und Pasok waren ja noch zu minimalen Reformen bereit, bei Syriza war ja die klare Ansage, überhaupt nichts verändern zu wollen.

Geld werde schon irgendwie von Russland oder China kommen, Veränderungen seien vollkommen unnötig.

In Sachen Griechenland hat die EU nur die Wahl zwischen Pest und Cholera. Das Land pleite gehen zu lassen hätte krasse Folgen für Beamte, Rentner, Kranke etc. und würde wohl zu massiven Unruhen führen. Also muss man mit einem Staat leben, der eigentlich als Staat praktisch kaum existent ist. Entsprechend erwartet man Veränderungen, die die Griechen schon seit Jahrzehnten nicht auf die Reihe bekommen. Da hofft man eben einfach, wirklich aussichtsreich ist es nicht.
24.06.2012 17:25 Uhr
Zitat:
Denn die Stimmung aus Griechenland ist klar: Sparen ja. Aber nicht auf Kosten der Schwachen der Gesellschaft.


Nein die Stimmung ist eindeutig: "Sparen ja, aber bitte bei irgendwem anders als mir selbst".

Und wenn ein Staat spart, dann kann er nur bei denen sparen, für die er Geld ausgibt. Das sind immer Rentner, Beamte, Schüler, Transferempfänger etc. Bei denen, die ohnehin von ihrem eigenen Geld leben und dem Staat noch etwas zuschießen, kann der Staat nicht sparen. Wer nichts bekommt, dem kann auch nichts gekürzt werden.
24.06.2012 18:03 Uhr
Ich würde in Griechenland nicht mal siegen wollen - man ist von vorneherein zum Scheitern verurteilt.
24.06.2012 19:10 Uhr
Die Auflagen der EU sind bestimmte Auflagen, nicht das Regieren durch eine bestimmte Partei.

Auch die eine Syriza-Regierung hätte Hilfsgelder der EU, wenn sie sich dazu bekannt hätte, diese Gelder zur Sanierung des Landes und nicht zum bloßen Ausgeben zu verwenden.

Wenn die jetzige Regierung den Haushalt und die Wirtschaft saniert, soll sie die Gelder bekommen. Ansonsten bekommt auch eine ND-geführte Regierung kein Geld.
24.06.2012 19:28 Uhr
Zitat:
Ich halte für politisch selbstverständlich und es war im Vorhinein absehbar, dass alle Parteien zumindest eine Lockerung/Streckung der Auflagen fordern, weil der einseitige Sparkurs dem Land ganz einfach noch weiter geschadet hat.


Es handelt sich beim Schrumpfen der Wirtschaft lediglich um Entzugserscheinungen.
Die griechische Wirtschaft hat sich derart auf die Ineffizienz des Staates eingeschossen, dass jetzt einfach große Veränderungen notwendig sind, damit Griechenland nicht auf ewig nur von EU-Transfers lebt.
24.06.2012 22:18 Uhr
Es handelt sich beim Schrumpfen der Wirtschaft lediglich um Entzugserscheinungen.

Zitat:
(...)

Many people I know outside of Greece, including fellow economists, make the mistake of thinking of what Greece is experiencing as a deep recession. Let me tell you that this is no recession. This is a depression. What is the difference? Recessions are mere downturns. Periods of reduced economic activity and increased unemployment. As you and I teach our students, recessions are to capitalism that which Hell is to Christianity: unpleasant but essential for the ‘system’ to function. Periods of recession can be redemptive, in the sense that they ‘weed out’ of the economic eco-system the less efficient, the firms that should not really be in business, the products that are out of fashion, the productive techniques that are obsolete, the dinosaurs to coin a metaphor.

However, what is going on in Greece is no recession! Here, everyone is going under. Efficient and inefficient alike. Productive and unproductive. Potentially profitable and loss making enterprises. I know of factories that export everything they make to satisfied customers, that have full order books, a long history of profitability; and, yet, they are on the brink of bankruptcy. Why? Because their foreign suppliers will not accept their bankers’ guarantees in order to provide them with the necessary raw materials, as no one trusts the Greek banks anymore. But with the credit circuits well and truly broken, this Crisis is sinking every ship, wrecking every boat, ensuring that the whole of society drowns. And the more we cut wages, the more we increase taxes, the more we reduce benefits to the unemployed, the deeper the hole into which everyone is drawn. If anyone wants to explain the concept of a vicious circle, today’s Greece is a perfect case study.

(...)


http://yanisvaroufakis.eu/2012/06/24/and-the-good-ship-greece-sails-on-letter-to-an-italian-colleague/
25.06.2012 06:17 Uhr
Der Rest Europas profitiert doch davon, wenn die kleinen Leute Griechenlands ausgeplündert werden und im Elend leben (das macht billige Arbeitskräfte).

Man darf einfach nicht annehmen, dass die Machteliten Europas und die Bürger Griechenlands irgendwelche gemeinsamen Interessen hätten.
25.06.2012 06:50 Uhr
Es ist schon bemerkenswert, daß ausgerechnet diejenigen, die sich den griechischen Staat jahrzehntelang skrupellos zur Beute machten, nunmehr von den Eurokraten und einschlägigen Fanatikern als strahlende Retter und einzige und letzte Möglichkeit gefeiert werden.

Wes Geistes Kind diese Herren sind, haben sie ja schon kurz nach der Regierungsbildung gezeigt.

Es wird sicher noch eine Menge Ärger geben.
25.06.2012 06:52 Uhr
@ sol1

Soweit Herr Varoufakis. Der Herr ist ganz gut darin, die Lage Griechenlands dramatisch zu schildern. In Deinem Zitat geht er allerdings nicht auf die Ursachen ein. Damit widerspricht das Zitat auch nicht meiner Ansicht, dass es sich um Entzugserscheinungen handelt.

Mal zur Substanz:
Griechenland hat einen deflationären Schock durch den Abzug von Geldern. In Deinem Zitat wird wie gesagt nicht auf die Gründe eingegangen. Horrend war Griechenlands Verschuldung schon immer und kombiniert mit einer stark negativen Handelsbilanz und strukturellen Defiziten ist die Wirtschaft damit gegen Störungen so anfällig wie ein AIDS-Patient für eine Infektion: Der kleinste Erreger und der Patient kippt um.

Griechenland hat schon lange eine stark negative Handelsbilanz, die in der Vergangenheit durch Schuldenmacherei "gelöst" wurde. Jetzt ist Griechenlands Kredit erschöpft und die negative Handelsbilanz macht sich in einem Kapitalschwund bemerkbar. Verschärft durch die Panik der Griechen, unter einer Syriza-Regierung könnte ihr Land aus dem Euro austreten.

Was in der Medizin dem HI-Virus entspricht, das ist in der griechischen Wirtschaft die Ineffizienz. Heilen wir die und gelingt es uns, die Schuldenquote zu drücken (es gab schon einen Schuldenschnitt), wird das Land auch wieder widerstandsfähiger. Selbstverständlich wäre es schön, sollte der Patient bis dahin überleben.

Von internationaler Seite wurde schon einiges getan um die Folgen des Entzugs für Griechenland abzufedern: Schuldenschnitt und Finanzhilfen. Ohne die EU stünde Griechenland viel schlimmer dar.

Es ändert sich aber nichts daran, dass in Griechenland die strukturellen Defizite abgebaut werden müssen: Das korrupte Finanzbeamtensystem, die Überregulierung, der Mindestlohn, der große Teile der Jugend in die Arbeitslosigkeit zwingt.

Griechenland kommt bei einem Verbleib in der Euro-Zone nur über diesen deflationären Schock, wenn es seine Kapitalbilanz aufpoliert. Dafür muss es entweder Geld geschenkt bekommen oder es muss sich dieses Geld verdienen. Letzteres ist der sympathischere Weg.

Griechenland jetzt mit neuen Unsummen zu subventionieren ohne auf strukturelle Reformen zu drängen, führt nur dazu, dass das Land bald wieder um Geld bettelt. In diesem Land rechnet sich praktisch gar nichts von selbst, sogar der Olivenanbau rechnet sich nur dank den EU-Subventionen. So ein Land "im deutschen Interesse" in den Euro-Raum aufgenommen zu haben, war schon kriminell. Ein "weiter so" geht einfach nicht.

Griechenland braucht strukturelle Reformen, damit die selbst auferlegten Fesseln seiner Wirtschaft gesprengt werden können. Ansonsten wird das ein Fass ohne Boden. Die Wahlerfolge der Syriza waren da übrigens nicht hilfreich, diese haben nur die Panik geschürt, weil jeder mathematisch halbwegs Fähige errechnen konnte, dass das Syriza-Programm in den finanziellen Abgrund führt.

Wie auch immer: Deutschland kann nicht ganz Südeuropa so alimentieren, dass deren Defizite mittelfristig aufgefangen werden. Insofern müssen die Krisenländer in der Lage sein, ihre Wirtschaften zu entfesseln und den Entzug durchzustehen.

Wenn sie dazu nicht in der Lage sein sollten, dann gibt es so oder so keine Alternative dazu, den Euro-Raum aufzulösen. Ganz Südeuropa zu fangen, wird auch für Deutschland ein zu großer Brocken. Und wenn unsere südeuropäischen Kunden sowieso nur mit dem Geld zahlen können, das wir ihnen geben, dann ist dieser Markt so oder so unattraktiv. Niemand verdient sich seinen Lebensunterhalt damit, jemand anderem Waren nur gegen jenes Geld zu verkaufen, das er ihm vorher geschenkt hat.

Ich vermisse übrigens bei Varoufakis die Ideen, wie die Strukturschwäche des Landes überwunden werden kann. Warum kann denn in Griechenland nicht wirtschaftlich produziert werden? An einen geographischen Fluch glaube ich nicht, an ein griechisches Unfähigkeitsgen auch nicht. Es ist die gesetzliche Ordnung, die das Land daran hindert, auf eigenen Beinen zu stehen. Wie soll denn die Wirtschaft auf Export ausgerichtet werden um die Handelsbilanz zu verbessern? Nur mit Subventionen aus Brüssel bzw. Berlin ganz bestimmt nicht.

Griechenland braucht endlich ein Wachstum, das nicht nur durch Subventionen zustande kommt. Bei einer Entbürokratisierung und einer Beseitigung der strukturellen Defizite könnte Griechenland ebenso zu einem Investitionsziel werden wie Ungarn oder Tschechien nach dem Fall des Eisernen Vorhangs. Ich glaube nicht an einen geografischen Fluchen über Griechenland und auch nicht an ein griechisches Unfähigkeits-Gen. Die wirtschaftlichen Ungleichgewichte in Europa kamen durch gesetzlich bedingte Schwächen zustande, ähnlich wie die Armut in Osteuropa ein Relikt schlechter Gesetze in der Ära des Kommunismus ist.

Griechenlands Ausgangsposition etwa bei der Infrastruktur und den Beziehungen zum Ausland sind ungleich besser als es die der Polen oder Tschechen anno 1990 waren. Insofern wird auch Griechenland nicht von heute auf morgen reich werden, aber sie können den Aufschwung erheblich schneller schaffen. Nur: Hätten die östlichen Mitteleuropäer an der alten Struktur der 80er festgehalten, wäre Warschau heute viel ärmer. Die Frage ist, ob die Griechen überhaupt willens sind, ihre festgefahrenen Strukturen zu verbessern oder schieben sie lieber die Schuld auf das Ausland und sagen "weiter im alten Trott!"?

Die Griechische Krise ist ziemlich sicher keine Krise des Kapitalismus, denn Griechenland ist eines der überreguliertesten Länder in der EU. Diese Überregulierung muss abgeschafft werden. Frage man doch nur mal, warum die Investoren Griechenland meiden? Am Binnenmarkt kann es nicht liegen, denn in Polen oder Ungarn wurde auch investiert, bevor die dortigen Löhne angestiegen sind.
25.06.2012 06:58 Uhr
Zitat:
Der Rest Europas profitiert doch davon, wenn die kleinen Leute Griechenlands ausgeplündert werden und im Elend leben (das macht billige Arbeitskräfte).


Diese Theorie würde voraussetzen, dass die gesamte Arbeitgeberschaft koordiniert handeln würde. Das aber würde voraussetzen, dass die Arbeitgeber untereinander völlig solidarisch, also überhaupt nicht egoistisch wären.

Und da liegt schon der innere Widerspruch der sozialistischen Theorie vor: Entweder der Unternehmer ist ein hemmungsloser Egoist - dann schnappt er sich die billigen Arbeitskräfte, bevor es ein anderer tut. Oder er denkt für ein kollektives Gemeinwohl. Und dann ist die Frage, warum er irgendwelchen anderen Unternehmern - die er gar nicht kennt - mehr Solidarität zeigen sollte, als den eigenen Arbeitern. Kartelle halten vor allem bei wenigen Akteuren. Sobald die Gruppe der Akteure aber so groß ist wie die derzeitige Summe potentieller Arbeitgeber in Europa, ist ein Klassendenken bei den Arbeitgebern utopisch. Wäre Griechenland jetzt bereits ein lohnendes Investorenziel, dann würde sich jeder die Claims sichern, bevor es ein anderer tut.


Diese Meinung wurde zuletzt geändert am 25.06.2012 08:59 Uhr. Frühere Versionen ansehen
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